Augen und Gefäße

Epidemiologie, Pathophysiologie: Bei Kaukasiern beträgt die Prävalenz von Venen astthrombosen 2,8/1.000 und von Zentralverschlüssen 0,8/1.000. Beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen.

Der größte Risikofaktor für Venenverschlüsse am Auge ist die arterielle Hypertonie. Wegen der besonderen Konfiguration retinaler Gefäße können Arterien Venen an Kreuzungsstellen, an denen sich beide Gefäße eine gemeinsame Adventitia teilen, bei arterieller Hypertonie abdrücken. Der verminderte venöse Blutfluss und Turbulenzen im Bereich der Stenose können, begünstigt durch Risikofaktoren (okuläre Hypertension, Kontrazeptiva, Rauchen, Hyperkoagulopathien), zu einer Thrombenbildung mit konsekutivem Verschluss des Gefäßes führen. Folglich kommt es durch Stauung zu Blutungen und zur Exsudation von Flüssigkeit und Lipiden in die Netzhaut (Abb. 1).
Nach einem retinalen Venenverschluss ist eine interdisziplinäre Ursachenabklärung erforderlich. Diese sollte eine 24-h-Blutdruckmessung und ein entsprechendes Labor (bei jungen Patienten und positiver Familienanamnese inklusive Thromophilie-Screening und Immunprofil) beinhalten.

Klinik: Die Symptomatik von Venenverschlüssen ist vom betroffenen Netzhautareal, der Schwere des Verschlusses, der Lokalisation und dem Ausmaß von intraretinaler Flüssigkeit abhängig.
Sie reicht von uneingeschränkten visuellen Funktionen bis hin zu plötzlicher, typischerweise schmerzloser Visusminderung auf Fingerzählen. Wichtiges prognostisches Kriterium ist das Ausmaß von Mikrozirkulationsstörungen. Kapillare Minderperfusion kann bereits bei der Manifestation oder erst im Verlauf der Erkrankung auftreten und geht mit schlechterem Initial- und Endvisus, ausgeprägteren Gesichtsfelddefekten, schlechterem Ansprechen auf die Therapie und höheren Rate an Komplikationen einher.
Die Visusprognose von Venenverschlüssen mit geringen ischämischen Anteilen ist nach Resorption des Netzhautödems relativ gut, allerdings kann es im Verlauf zu Komplikationen kommen. Einerseits kann eine Ödempersistenz zu einer entsprechenden Sehminderung führen.
Andererseits kann es, vor allem in den ersten 7 bis 8 Monaten, bei primär ischämischen Verschlüssen oder nach ischämischer Konversion zur Neovaskularisation an der Netzhaut und/oder an der Iris kommen. Letzteres bringt ein 25%iges Risiko für ein Neovaskularisationsglaukom mit sich.

Therapie: Die Standardtherapie besteht aus Laserbehandlungen und/oder intravitrealen Medikamentenapplikationen (IVOMs) von Anti-VEGF-Substanzen oder Glukokortikoiden. Ziel ist es, die Exsudation und die freie Konzentration angiogenetischer Substanzen zu vermindern.

Arterienverschlüsse

Ursachen, Diagnostik: Die meisten retinalen Arterienverschlüsse werden durch Emboli, Blutungen unter atherosklerotischen Plaques, Vaskulitiden, Spasmen oder hypertone Krisen verursacht. Eine sichere Identifikation der zugrunde liegenden Pathologie ist jedoch oft nicht möglich. Zwei Drittel der Patienten haben aHT und ein Viertel DM, bis zu 50% strukturelle kardiale Veränderungen. Zehn Prozent von letzteren erfordern eine Antikoagulation oder Operation. Ipsilaterale Karotisstenosen werden in 45% der Fälle gefunden.
In Anbetracht dessen sowie eines 2-fach erhöhten Schlaganfallrisikos ist eine internistische Risikoabklärung erforderlich. Diese sollte eine Karotissonographie, ein 24-h-RR/EKG und eine Echokardiographie beinhalten. Bei jungen Patienten oder bilateraler Affektion sollte ein Thrombophiliescreening angeschlossen werden. Bei Patienten über 50 ist an eine Riesenzellarteriitis zu denken.

Klinik: Typischerweise kommt es zu einem plötzlichen schmerzlosen Sehverlust. Tritt eine schnelle Reperfusion ein, können sich die Symptome wieder zurückbilden (Amaurosis fugax). Häufig geht ein solcher transienter Sehverlust einem permanenten voraus. Versuche an Rhesusaffen haben gezeigt, dass es ab einer Ischämiezeit von 100 min zu einem permanenten Untergang von retinalem Gewebe kommt. Eine spontane Verbesserung der Symptomatik ist innerhalb der ersten 3 Tage möglich. Es existiert keine Standardtherapie bei nicht-entzündlichen Arterienverschlüssen. Beschriebene therapeutische Ansätze werden kontrovers diskutiert und reichen von Bulbusmassage über Sauerstofftherapie, Vorderkammerpunktion zur Augendrucksenkung bis hin zu thrombolytischer Therapie. Durch den Ischämiereiz kann es auch im Verlauf von arteriellen Verschlüssen zu Neovaskularisationen kommen. Hierbei treten diese allerdings in der Regel schon nach 4-5 Wochen auf.

Riesenzellarteriitis (Morbus Horton)

Gefäßverschlüsse im Rahmen dieser Erkrankung nehmen in der Augenheilkunde eine Sonderstellung ein. Sie sind ein ophthalmologischer Notfall und haben unbehandelt ein hohes Risiko einer Erblindung beider Augen – eine Erblindung, die verhindert werden kann. Okuläre Manifestationen können sowohl ohne jegliche systemische Symptomatik als auch nach Jahren unter Erhaltungstherapie auftreten. Die Therapie der Wahl ist hochdosiertes Prednisolon (i.d.R. initial 1 g i.v.). Langsames Ausschleichen auf die individuelle Erhaltungsdosis sollte unter engmaschiger internistischer und augenärztlicher Kontrolle erfolgen.

Fact-Box

  • Retinale Gefäßverschlüsse sind oft Ausdruck systemischer Grunderkrankungen.
  • Bei arteriellen Verschlüssen muss bei Patienten über 50 Jahren eine Riesenzellarteriitis ausgeschlossen werden.
  • Eine entsprechende internistische Durchuntersuchung soll sowohl bei venösen als auch bei arteriellen Verschlüssen erfolgen.