CED und Thromboembolien

Venöse Thromboembolien (VTE) zählen zu den extraintestinalen Manifestationen der CED. Die Prävalenz beträgt bis zu 6%. Die häufigsten Lokalisationen sind tiefe Beinvenenthrombosen (TBVT) und Pulmonalembolien (PE), die ca. 90% aller VTEs ausmachen.1 Jedoch kommen auch intrakranielle und intraabdominelle Thrombosen vor. Mehrere Kohortenstudien haben die Rate an venösen thromboembolischen Komplikation bei Patienten mit CED im Vergleich zu Nicht-CED-Patienten untersucht und ein etwa 2-4-fach erhöhtes Risiko beschrieben.2 Für diese Risikoerhöhung dürfte hauptsächlich die Krankheitsaktivität und die damit verbundene Entzündung verantwortlich sein. So haben Patienten im akuten Schub ein etwa 5-fach erhöhtes Risiko für VTE im Vergleich zu Patienten in klinischer Remission.3 Unabhängig von CED steigt das Risiko für VTE ab dem 40.-50. Lebensjahr deutlich an. Das hat zur Folge, dass auch bei CED mit dem Alter das absolute Risiko am höchsten ist, das relative Risiko, also die CED-assoziierte Risikoerhöhung, jedoch im jüngeren Alter (< 40 Jahre) am größten ist, da die Überlagerung durch den Risikofaktor des Alters kaum eine Bedeutung hat. Ob dabei auch der Nikotinkonsum, der oft bei Patienten mit Morbus Crohn zu finden ist, und Kontrazeptiva eine begleitende Rolle spielen, ist aufgrund der aktuellen Datenlage nicht eindeutig zu beantworten. Zusätzlich können situationsabhängig bekannte allgemeine Risikofaktoren für Thrombosen wie Immobilisation, Operationen, Dehydratation und zentralvenöse Katheter vorliegen. Generell besteht das höchste Risiko bei stationären und älteren CED-Patienten, insbesondere bei hoher Krankheitsaktivität. Bei einem stationären CED-Patienten im akuten Erkrankungsschub sollte daher eine prophylaktische Antikoagulationen durchgeführt werden, zum Beispiel mit subkutanen niedermolekularen, unfraktionierten Heparinen. Über das Risiko von Blutungskomplikationen unter Antikoagulation bei CED-Patienten liegen keine genauen Daten vor, es scheint allerdings gering zu sein.2 Im ambulanten Setting erscheint die prophylaktische Antikoagulation aus derzeitiger Sicht weniger effektiv und kann daher nicht generell empfohlen werden. In einer rezenten österreichweiten Studie wurde auch für das Thromboserezidiv ein 2,5-fach erhöhtes Risiko bei CED-Patienten beschrieben.4 Fünf Jahre nach der ersten venösen Thrombose hatten 33,4% der CED-Patienten, aber nur 21,7% der Kontrollpersonen ein Rezidiv einer VTE. Trotz robuster Evidenz für die Assoziation von CED mit thromboembolischen Komplikationen konnte der pathogenetische Mechanismus bis dato nicht definitiv geklärt werden. Auf jeden Fall scheint es sich um eine multifaktorielle Genese zu handeln, die die aktive Inflammation mit Thrombozytose und Aktivierung der Gerinnungskaskade miteinbezieht. Interessanterweise dürfte das bei CED erhöhte Risiko für Thrombosen spezifisch sein, da es bei anderen chronischen entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder anderen chronischen Darmerkrankungen wie Zöliakie nicht nachweisbar war. Hereditären Thrombophilien, wie zum Beispiel Faktor V Leiden, scheint jedoch keine kausale Bedeutung für das bei CED erhöhte VTE-Risiko zuzukommen.5

Arterielle Thrombosen: Als Teil des Pathomechanismus für die Entstehung von arteriellen Thrombosen wird im Allgemeinen die chronische klinische oder subklinische Inflammation akzeptiert. So hatten zum Beispiel Probanden mit erhöhten CRP-Werten über 0,3 mg/dl ein um 30-60% erhöhtes Risiko, ischämische kardio- oder zerberovaskuäre Ereignisse zu erleiden.6 Dies unterstreicht eine mögliche Assoziation von chronischen entzündlichen Erkrankungen wie z.B. CED mit arteriellen Thrombosen. Die Datenlage zu diesem Thema bleibt jedoch kontroversiell. Im Wesentlichen findet man in der Literatur Angaben zu kardiovaskulären, zerebrovaskulären und mesenteriellen Ischämien, wobei die meisten Studien zu kardiovaskulären Erkrankungen vorliegen. Trotz insgesamt geringer Prävalenz von kardiovaskulären Ereignissen scheint die Evidenz für kardiovaskuläre etwas stärker als für zerebrovaskuläre Ereignisse zu sein. Erst in den letzten Jahren wurden mehrere retrospektive Arbeiten zu diesem Thema publiziert. Zwei Kohortenstudien konnten ein gering erhöhtes geschlechtsunabhängiges Risiko für kardiovaskuläre Ischämien bei CED-Patienten demonstrieren.7,8 Dies, obwohl CED-Patienten seltener klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren inklusive arterieller Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes oder Übergewicht im Vergleich zu Kontrollpatienten aufwiesen. Im Gegensatz dazu zeigte eine andere retrospektive Studie mit großen Fallzahlen auch nach Ausgleich der genannten vaskulären Risikofaktoren kein erhöhtes Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen für M. Crohn und C. ulcerosa.9
Für zerebrovaskuläre Ereignisse konnte in 2 Studien ein erhöhtes Risiko für zerebrovaskuläre Ereignisse, insbesondere bei jüngeren Patienten (jünger als 40 bzw. 50 Jahre) gefunden werden.8,10 Als mögliche pathogenetische Erklärung wurde in den zitierten Arbeiten eine signifikant erhöhte Leukozytenzahlen als Ausdruck der systemischen mit CED assoziierten Inflammation an gegeben.8 Eine weitere Rolle könnte dem Nikotinkonsum zukommen.10 Insgesamt zeigt sich in diesen Studien also ein früheres Auftreten arterieller Thromboembolien im Vergleich zur Normalpopulation, wahrscheinlich bedingt durch die chronische Inflammation. Zwei Studien bei CEDPatienten haben das Risiko an akuten mesenteriellen Ischämien evaluiert und beide ein signifikant erhöhtes Risiko beobachtet.11,12
Künftige Studien könnten zusätzlich der Frage nachgehen, inwiefern die medikamentöse Therapie die Rate an thromboembolischen Ereignissen beeinflusst. Wenn Entzündung eine pathogenetische Bedeutung hat, könnten bei CED wirksame Medikamente wie TNF-alpha-Blocker auch das Thromboserisiko senken. Andererseits werden Steroide als für die Pathogenese der Thromboembolien potenziell fördernd diskutiert. Die genaue Rolle der jeweiligen Medikamente in der Pathogenese der thromboembolischen Ereignisse bei CED ist jedenfalls noch nicht geklärt.

Fact BoxDas Risiko für Erstmanifestation als auch Rezidivvon venösen Thromboembolien (VTE) bei Patienten mit CED ist 2-4-fach erhöht.
Das Risiko für VTE ist mit der Krankheitsaktivität assoziiert.
Stationäre Patienten mit aktiver CED sollten eine prophylaktische Antikoagulation erhalten.
Die Evidenz für ein erhöhtes Risiko an arteriellen Thrombosen ist aufgrund zum Teil kontroversieller Literatur geringer. Chronische Entzündung scheint bei Patienten mit CED für ein mögliches erhöhtes Risiko für kardio- und zerebrovaskuläre und mesenterielle Ischämien verantwortlich zu sein.

 

1 Miehsler W. et al., Gut 2004; 53:542-8
2 Murthy S.K. et al., Am J Gastroenterol 2011; 106:713-8
3 Grainge M.J. et al., Lancet 2010; 375:657-63
4 Novacek G. et al. Gastroenterology 2010;139:779-87
5 Bernstein C.N. et al. Am J Gastroenterol 2007; 102:338-43
6 Zacho J. et al. NEJM 2008; 359:1897-908
7 Yarur A.J. et al. Am J Gastroenterol 2011; 106:741-7
8 Bernstein C.N. et al., Clin Gastroenterol Hepatol 2008; 6:41-5
9 Osterman M.T. et al., Clin Gastroenterol Hepatol 2011:epub
10 Andersohn F. et al., Inflamm Bowel Dis 2010; 16:1387-92
11 Ha C. et al., Am J Gastroenterol 2009; 104:1445-51
12 Sridhar A.R. et al., J Crohns Colitis 2011; 5:287-94