Die Gefäße der Haut als Spiegel innerer Organe

Das Additivfach Angiologie kann sowohl von Dermatologen als auch Internisten als Zusatzqualifikation erworben werden. Die Lehrzielinhalte und die Aufgabenstellungen unterscheiden sich grundsätzlich nicht.

Universum Innere Medizin: Herr Dr. Forstner, welche diagnostischen Schritte sollte der Internist bzw. der Allgemeinmediziner bei Verdacht auf eine Gefäßerkrankung einleiten? Wann sollte eine weiterführende angiologische Abklärung erfolgen?
OA Dr. Karl Forstner:
Grundsätzlich bedarf es zunächst einer angiologischen Basisbeurteilung durch den Internisten oder Allgemeinmediziner. Zeichen einer chronisch-venösen Insuffizienz oder das Vorhandensein von Varizen müssen beurteilt werden. Anamnestisch sollten Hinweise bezüglich thromboembolischer Ereignisse erfragt werden. Ebenso gehören Pulsstatus und Knöchel-Arm-Index-Bestimmungen zum Repertoire einer solchen Basisuntersuchung. Ätiologische und pathophysiologische Überlegungen bei Vorliegen von Beinschwellungen liegen angesichts der vielfältigen Ursachen aus dem Kernbereich der inneren Medizin zweifelsfrei im Aufgabenbereich von Internisten. Die Beurteilung allfälliger Risikofaktoren vaskulärer Erkrankungen ist grundsätzlich ebenfalls einer Basisuntersuchung zuzuordnen. Aus den Ergebnissen dieser Abklärungen kann sich nun die Indikation zu einer weiterführenden angiologischen Betreuung oder, bei Hinweisen auf das Vorliegen eines dermatologischen Krankheitsbildes, für eine Zuweisung zum Dermatologen ergeben.

Wann liegt der Verdacht auf eine Gefäßerkrankung der Haut vor?
Wenn die Basisuntersuchungen keinen Hinweis auf das Vorliegen einer Makrodurchblutungsstörung im arteriellen Schenkel und keine wesentliche Störung der venösen Hämodynamik zeigen, sollte bei Hautdefekten, bei der Beobachtung auffälliger vaskulärer Hautzeichnungen oder Hautblutungen, beim Raynaud-Phänomen und entzündlichen Hautbefunden eine primäre Hauterkrankung differenzialdiagnostisch erwogen werden. Kompliziert wird die Situation nicht selten durch das kombinierte oder additive Vorliegen von derartigen dermatologischen mit klassischen angiologischen Krankheitsbildern.
In der Praxis prägt das Mutterfach zweifelsfrei die Sichtweisen auf die Problemstellungen angiologischer Patienten. In diesem Sinn profitieren Dermatologen sicherlich von ihren differenzialdiagnostischen Kenntnissen, etwa bei Vaskulitiden und Kollagenosen, und in Hinblick auf phlebologische Fragestellungen von der dermatochirurgischen Basisausbildung und den Erfahrungen im Wundmanagement.

Welchen Stellenwert besitzt die Angiologie im Bereich der Dermatologie?
Die Aufgabenstellungen der Dermatologie sind so wie jene der inneren Medizin sehr weitläufig. Die Beschäftigung mit angiologischen Problemstellungen entwickelt sich in beiden Disziplinen organisch aus dem jeweiligen Mutterfach. Das Additivfach Angiologie ergänzt das Spektrum dieser Fächer im Sinne gesamtheitlicher Sichtweisen auf die Problemstellungen der Patienten. In Hinblick auf diagnostische Verfahren, therapeutische Konzepte und Differenzialdiagnostik ist die Additivqualifikation Angiologie ein integraler und wesentlicher Bestandteil der Dermatologie.

Welche Zusammenhänge können zwischen Veränderungen der Hautgefäße und systemischen Erkrankungen bestehen?
Die Beziehungen zwischen Dermatologie und innerer Medizin sind traditionell eng und verdichten sich durch zunehmende Einsichten und Erkenntnisse. Vaskulitiden mit ihren vielfältigen Hautsymptomen sind ein typisches Beispiel. Manche dieser Gefäßveränderungen sind in ihrer Symptomatik nicht auf die Haut beschränkt und betreffen auch innere Organe, beispielsweise die Polyarteriitis nodosa, anderen liegen komplexe immunologische Mechanismen zugrunde. Es sind häufig Hauterscheinungen, etwa eine Livedo racemosa, die frühzeitig im Krankheitsverlauf derartiger Systemkrankheiten auftreten. Auch Verkalkungen der Haut können Hinweise auf zugrunde liegende internistische Erkrankungen sein, ebenso wie Hautveränderungen bei Vorliegen eines Diabetes mellitus. All diese Erkrankungen sind auch mit vaskulären Störungen des Hautorgans vergesellschaftet. Die Beispiele könnten um viele mehr erweitert werden. Es ist daher zielführend und erforderlich, dass die dermatologische Kompetenz in die Beurteilung derartiger Symptome einbezogen wird.

Danke für das Gespräch.