Entscheidend ist die Funktionalität der HDL-Partikel

Ist der Einsatz von Nikotinsäure nach AIM-HIGH und HPS2-THRIVE noch gerechtfertigt? Wenn ja, bei welchen Patienten?
Zuerst ist hier anzumerken, dass uns die Ergebnisse der HPS2-THRIVE-Studie weder als Präsentation und schon gar nicht als „Peer reviewed“-Manuskript vorliegen. Von Bedeutung wird sein, wie die Wirksamkeit in Subgruppen mit 1) Hypertriglyzeridämie und niedrigem HDL-Cholesterin oder mit 2) erhöhtem Lp(a) ist. Gerade bei Hypertriglyzeridämie, welche bei Männern mit Typ-2-Diabetes oder metabolischem Syndrom häufiger auftritt, fand sich in der Mehrzahl der Fibratstudien ja eine nachweisbare Wirksamkeit. Zusammenfassend beschränkt sich die Indikation für retardiertes Niacin nach den aktuellen, enttäuschenden Ergebnissen auf Einzelfälle mit dem Ziel der Senkung erhöhter Triglyzeride (bei Pankreatitisgefahr) oder eines erhöhten Nicht-HDL-Cholesterins trotz optimierter Therapie mit Statinen +/– Ezetimib. Eine Anhebung des HDL-Cholesterins durch Niacin bei gleichzeitiger Erreichung aktueller LDL-Zielwerte von < 70 mg/dl verhinderte in obigen Studien patientenrelevante kardiovaskuläre Endpunkte nicht und kann deshalb nicht empfohlen werden.

Ist das Konzept der pharmakologischen HDL-Anhebung nach diesen Studienergebnissen (und nach den Ergebnissen der CETP-Hemmer-Studien) als Ganzes gescheitert?
Nein. Entscheidend ist hier die Funktionalität der HDL-Partikel. Wenn es gelingt, funktionell wirksame HDL-Partikel zu vermehren, wird dies zu Atheroprotektion führen. Klare Daten aus Tiermodellen und observationellen Studien zeigen, dass sich hier nicht die Frage des „Ob?“, sondern vielmehr die Frage des „Wann?“ stellt.

Welche Möglichkeit sehen Sie, das trotz optimierter Statintherapie bestehende kardiovaskuläre Residualrisiko zu adressieren?
Prioritär ist die LDL-Zielwerterreichung, wobei die CTT-Metaanalysen und klinische Studien (wie LRC-CPPT, POSCH etc.) klarlegen, dass der Nutzen eine direkte Konsequenz der LDL-Senkung und nicht der diesbezüglich verwendeten Methode ist. Zusätzlich zur Statintherapie kommen zur Erreichung des LDL-Ziels also auch Ezetimib +/– Resine infrage; in Bälde wohl auch PCSK9- Inhibitoren.
Geeignete Patienten mit „normalem“ LDL-Cholesterin und persistierend hohem Nicht-HDL-Cholesterin/hohen Triglyzeriden kommen auch für eine Kombination von Statinen mit Fenofibrat (oder Bezafibrat) in Betracht (siehe ACCORD-Lipid).