Körperliche Bewegung und Vorhofflimmern

Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste kardiale Arrhythmie. Derzeit sind etwa 1–2 % der 55–59-Jährigen betroffen, der Anteil der über 85-Jährigen mit VHF liegt bereits bei über 20 %. In den nächsten Jahrzehnten wird sich die Anzahl der Patienten mit VHF verdoppeln und ungefähr 35 % der Bevölkerung in der EU ausmachen.1
Die Frage nach der Prävention von VHF tritt immer mehr in den Vordergrund.
In den ESC-Guidelines von 2016 wird moderate körperliche Aktivität als ein Eckpfeiler in der Prävention von VHF mit dem Evidenzlevel IA empfohlen.2
Die Beziehung zwischen Sport und VHF ist vielschichtig. Die Zusammenhänge und die pathophysiologischen Mechanismen sind nicht eindeutig geklärt. Die Studien sind aufgrund inhomogener Methodik und Studiendesign schwer zu vergleichen. Die Studienpopulationen sind oft unterschiedlich, da zum Teil Patienten mit anderen kardialen Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder Myokardinfarkt ausgeschlossen wurden.
Kann körperliche Bewegung dazu beitragen, das Risiko für VHF zu minimieren? Und wie ist körperliche Aktivität bei Patienten mit VHF zu betrachten? Erhöht intensiver Ausdauersport das Risiko für VHF? Es gibt einige Daten, die in diese Richtung weisen.

Körperliche Bewegung zur Primärprävention von VHF?

Das Risiko für das Auftreten von VHF kann durch regelmäßige körperliche Aktivität reduziert werden. In welchem Ausmaß, ist allerdings noch unklar. Ein aktueller Review stellte fest, dass moderate körperliche Aktivität (z. B. Walken, Radfahren) im Hinblick auf das Auftreten von VHF vorteilhafter ist als intensives Ausdauertraining.3, 4 In einem aktuellen Review wurde festgestellt, dass die Beziehung zwischen körperlicher Bewegung und VHF einer J-förmigen Kurve folgt (Abb.).4 Die Abbildung zeigt auch mögliche Erklärungsmodelle für die pathophysiologischen Mechanismen auf.4 Es wird zusammengefasst, dass die derzeit empfohlene moderate körperliche Aktivität von 150 Minuten pro Woche mit einer 10-prozentigen Reduktion von VHF einhergeht.3, 5 Auch ein höheres Leistungsvermögen scheint ein protektiver Faktor zu sein.6 In einer Population von 64.561 Erwachsenen vom Henry Ford Testing Project in den USA kam es durch eine höhere Leistungsfähigkeit zu einem bis zu 56 % geringerem Auftreten von VHF nach 5 Jahren.6

 

 

Mehrere Studien zeigten auch, dass bei stärkerer körperlicher Belastung der Benefit von moderater Aktivität hinsichtlich des Auftretens von VHF wieder zunichte gemacht wurde. In einer Arbeit aus Kuopio, Finnland, wurden 1.950 Männer mittleren Alters 19,5 Jahre lang nachbeobachtet. Das Risiko für VHF war in der Gruppe mit der dritthöchsten von vier Ausdauerfähigkeiten um 30 % reduziert. Die Gruppe mit der höchsten Leistungsfähigkeit verzeichnete wieder eine geringere Risikoreduktion.7
In Norwegen beobachtete man 20.484 Erwachsene 20 Jahre lang. Moderat aktive Personen (Radfahren, Walken > 4 h/Woche) hatten ein 19 % niedrigeres Risiko für VHF. Die Gruppe mit höchster körperlicher Aktivität hatte jedoch wieder das gleiche Risiko für VHF wie die Gruppe mit sitzender Aktivität.8

Sport bei Patienten mit VHF

Durch regelmäßige Bewegung kommt es zu einer Reduktion der sympathischen Aktivität, Verbesserung der systolischen und diastolischen Funktion und zur Verringerung der linksatrialen Größe. Die arterielle Compliance wird verbessert und die systemische inflammatorische Aktivität vermindert.3, 4 Bei VHF-Patienten reduziert regelmäßige Bewegung die Häufigkeit von VHF-Episoden und verbessert die Lebensqualität.3
Eine Studie aus Norwegen untersuchte bei 51 Patienten mit nichtpermanentem VHF den Benefit von 12 Wochen regelmäßigem Intervalltraining. Es zeigte sich eine Reduktion von VHF-Episoden um die Hälfte des Ausgangswertes. Weiters fanden sich eine verbesserte Lebensqualität und ein Trend zu selteneren Hospitalisationen und Kardioversionen.9
Eine Analyse aus der australischen CARDIO-FIT-Studie inkludierte 308 adipöse Patienten (BMI > 27) mit VHF. Es zeigte sich, dass eine höhere körperliche Fitness zum Ausgangszeitpunkt mit selteneren VHF-Episoden vergesellschaftet war. Die Rezidivrate und die Symptome konnten durch eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit signifikant reduziert werden. Die Ergebnisse waren unabhängig vom Gewichtsverlust und implizieren einen zusätzlichen Benefit, auch über eine Gewichtsabnahme hinaus.10
Auch für regelmäßige Yoga-Praktik konnte in einer kleineren US-amerikanischen Studie an 49 Personen gezeigt werden, dass sich Rezidivrate von VHF vermindern sowie Lebensqualität und mentale Gesundheit verbessern.11

Risiko für VHF bei Ausdauersportlern

Es gibt keinen generellen Konsens, ob VHF bei Ausdauerathleten häufiger auftritt.5 Mehrere Studien weisen darauf hin. Als Prädiktor für VHF bei Ausdauersportlern wurden Cut-off-Werte von kumulativ 1.500–2.000 Stunden intensivem Training erachtet.12 Zu intensives Training kann zu strukturellen und funktionellen Veränderungen im Herzen führen. Mechanismen, die dabei eine Rolle spielen, sind unter Anderem atriales Remodeling, systemische Inflammation und erhöhter Vagotonus.6
In Schweden wurden die Daten von 52.755 Teilnehmern (5.248 Frauen) eines 90 Kilometer langen Skilanglaufbewerbes über mehrere Jahre ausgewertet. Die Langläufer mit den meisten absolvierten Bewerben und der schnellsten Zielzeit wiesen eine höhere VHF-Inzidenz auf als ihre Mitstreiter mit langsamerer Zielzeit und mit einer geringeren Anzahl an absolvierten Bewerben.13
Alles in allem aber weisen Ausdauerathleten trotz erhöhten Risikos für VHF ein niedrigeres kardiovaskuläres Risiko auf und erfahren weniger Schlaganfälle, verglichen mit der allgemeinen Bevölkerung.12

Empfehlungen

Es gibt derzeit nicht genügend Evidenz für spezifische Empfehlungen zu Intensität und Art der körperlichen Betätigung bei Patienten mit VHF. Daher gelten nach wie vor die allgemein gültigen Empfehlungen von mindestens 150 Minuten moderater Bewegung oder 75 Minuten intensivem Training pro Woche zur Verbesserung des kardiovaskulären Risikoprofils und damit zur Prävention von VHF.2, 14 Liegt zudem eine strukturelle Herzerkrankung vor bzw. bestehen andere einschränkende Erkrankungen, richtet sich die Empfehlung zur körperlichen Aktivität danach. Es ist von Vorteil, bei Patienten vor Trainingsbeginn eine Fahrradergometrie durchzuführen, um eine ausreichende Frequenzkontrolle sicherzustellen, und um bei Patienten mit arrhythmogenen Medikamenten Rhythmusstörungen bei Belastung auszuschließen.15

Resümee

Regelmäßige körperliche Bewegung reduziert die Mortalität, verbessert das kardiovaskuläre Risikoprofil und vermindert die Rate an kardiovaskulären Ereignissen.14 Patienten mit VHF sollten regelmäßiger körperlicher Betätigung nachgehen, um ihr kardiovaskuläres Risikoprofil zu verbessern. Eine gute Leistungsfähigkeit sowie moderate körperliche Bewegung kann die Inzidenz von VHF verringern. Körperliche Bewegung bei Patienten mit VHF hat außerdem einen antiarrhythmischen Effekt und kann zu einer verbesserten Lebensqualität beitragen.

 

1 Krijthe BP et al., Eur Heart J 2013; 34(35):2746–51
2 Kirchhof P et al., Eur Heart J 2016; 37(38):2893–2962
3 Elliott AD et al., Heart Rhythm 2017; 14(11):1713–20
4 Morseth B et al., Eur J Prev Cardiol 2018; 25(6):624–36
5 Thompson PD, J Am Coll Cardiol 2015; 66(9):997–9
6 Qureshi WT et al., Circulation 2015; 131(21):1827–34
7 Khan H et al., Heart Rhythm 2015; 12(7):1424–30
8 Morseth B et al., Eur Heart J 2016; 37(29):2307–13
9 Malmo V et al., Circulation 2016; 133(5):466–73
10 Pathak RK et al., J Am Coll Cardiol 2015; 66(9):985–96
11 Lakkireddy D et al., J Am Coll Cardiol 2013; 61(11):1177–82
12 Stergiou D et al., Curr Treat Options Cardiovasc Med 2018; 20(12):98
13 Andersen K et al., Eur Heart J 2013; 34(47):3624–31
14 Piepoli MF et al., Eur Heart J 2016; 37(29):2315–81
15 Myrstad M et al., Clin Res Cardiol 2018; DOI: 10.1007/s00392-018-1361-9