Möglichkeiten und Grenzen der Therapie von Leberschäden

Chronische Hepatitis B: Derzeit stehen zur Behandlung der Hepatitis B sowohl Peginterferon als auch Nukleosid- und Nukleotidanaloga (NA) zur Verfügung, welche Viruslast und entzündliche Aktivität positiv beeinflussen und das Fortschreiten der Leberfibrose sowie das Auftreten eines Leberzellkarzinoms verhindern können. Der Einsatz von Peginterferon wird bei Patienten mit hohen Transaminasen, niedriger Viruslast und Genotyp A bevorzugt. Die Vorteile von Peginterferon sind die limitierte Therapiedauer und die, verglichen mit einer zeitlich begrenzten Therapie mit NA, höheren Raten an HBsAg- und HBeAG-Serokonversion. Nachteilig sind die Nebenwirkungen und die eher moderaten antiviralen Effekte. In den letzten Jahren kamen hochpotente NA mit hoher Resistenzbarriere (d. h. niedrigen Raten an Resistenzentwicklung) in die klinische Anwendung. Unter Lamivudin, dem ersten zur Behandlung der Hepatitis B Ende der 1990er- Jahre zugelassenen NA, traten resistente Virusstämme in bis zu 72 % nach dem 5. Behandlungsjahr auf. Bei den neueren Substanzen wie Entecavir und Tenofovir hingegen findet eine Resistenzentwicklung kaum bzw. gar nicht mehr statt. Mit diesen Substanzen kann nach einem Therapiejahr eine Reduktion der Viruslast in ca. 70 % der HBeAg-positiven Patienten und in 90 % der HBeAg-negativen Patienten erzielt werden. Das Fortsetzen der Therapie erhöht die Ansprechrate weiter. Problematisch ist das Absetzten von NA ohne vorherige HBeAg- oder HBsAg-Serokonversion trotz suffizienter Virussuppression aufgrund einer möglichen Reaktivierung und Dekompensation der Lebererkrankung. Somit ist die vielleicht lebenslange Therapiedauer der wesentliche Nachteil der Therapie mit NA. HBe- AG-negative Patienten benötigen meist eine Dauertherapie und HBeAG-positive Patienten müssen häufig lange, zumindest aber ein Jahr über die HBeAG-Serokonversion hinaus behandelt werden.

Chronische Hepatitis C: Die aktuelle Standardtherapie der chronischen Hepatitis C mit einer Kombination von Peginterferon und Ribavirin wird wahrscheinlich bald von einem neuen Goldstandard abgelöst werden. So wurden im vergangenen Jahr zwei Proteasehemmer, Boceprevir und Telaprevir, von der Europäischen Behörde für Arzneimittel (EMA) zur Therapie der chronischen Hepatitis C zugelassen. Die Kassenrefundierung in Österreich ist in den nächsten Monaten zu erwarten. Diese Substanzen können als Tripletherapie zusätzlich zu Peginterferon und Ribavirin verabreicht werden. Dadurch kann bei Virusgenotyp 1 die Heilungsrate (Sustained Virologic Response – SVR) bei therapienaiven Patienten und auch bei Relapsern auf eine zuvorige Peginterferon/Ribavirin- Kombinationstherapie deutlich gesteigert werden. So lagen die SVR-Raten in der Tripletherapie für die beiden Proteasehemmer in Phase-II-Studien bei therapienaiven Patienten zwischen 66 % und 75 % und bei Relapsern zwischen 75 % und 83 %. Bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose waren die Ansprechraten jedoch gering. Non-Responder auf eine Peginterferon/ Ribavirin-Therapie können zwar mit einer Tripletherapie eine SVR erreichen, die SVR-Raten waren mit 29 % für Telaprevir jedoch weiterhin nicht zufriedenstellend. Somit ist nach aktueller Datenlage eine Tripletherapie insbesondere bei Relapsern auf eine vorherige Peginterferon/Ribavirin- Kombination sinnvoll. Non-Responder stellen nach wie vor ein schwierig zu behandelndes Patientenkollektiv dar.

Nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) und nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH): Die NAFLD gilt als die häufigste Lebererkrankung in der westlichen Welt. Das Spektrum der Erkrankung reicht von der „blanden“ Fettleber über die NASH bis hin zur Zirrhose. Die Therapieoptionen bei NASH sind derzeit begrenzt und die bisherige Studienlage ist nicht ausreichend, um evidenzbasierte Empfehlungen abzugeben. Da NAFLD/NASH als hepatische Manifestation des metabolischen Syndroms gesehen wird, gilt es, dieses auch in Hinblick auf erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität zu beeinflussen. Die Basis der Therapie stellt eine Lifestyleänderung mit langsamer Gewichtsabnahme dar. Rasche Gewichtsverluste sollten vermieden werden, da es darunter zu einer Verschlechterung des Leberschadens kommen kann. Oft ist eine Gewichtsreduktion von 5–10 % ausreichend. Mehrere medikamentöse Therapieregime wurden in klinischen Studien getestet. Glitazone und Metformin verbessern zwar die Insulinresistenz, Leberwerte und Steatose, der Einfluss auf „härtere Parameter“ wie entzündliche Aktivität und Fibrose war in verschiedenen Studien aber inkonsistent. Der Einsatz dieser Medikamente aus rein hepatologischer Indikation kann derzeit daher nicht befürwortet werden. Vitamin E besitzt antioxidative Eigenschaften und reduziert nicht nur die Transaminasen, sondern scheint auch einen positiven Einfluss auf histologische Parameter aufzuweisen. Vitamin E sollte derzeit aber Patienten ohne Diabetes mit hoher entzündlicher Aktivität in der Leberhistologie vorbehalten bleiben. Auch ist die Frage der Therapiedauer weitgehend ungelöst und von einer Dauermedikation mit Vitamin E sollte aufgrund eines möglicherweise erhöhten Risikos von Hirnblutungen und Prostatakarzinomen Abstand genommen werden. Ursodeoxycholsäure (UDCA), Pentoxifyllin, Fibrate, Statine, ACE-Hemmer und Angiotensinrezeptorblocker oder auch die bariatrische Chirurgie können anhand der derzeit vorliegenden Datenlage zur Therapie der NASH nicht empfohlen werden. Klinische Langzeitstudien sind für eine bessere Beurteilung nötig.

Cholestase: Die einzig etablierte Therapie der primär biliären Zirrhose (PBC) ist UDCA. Der Therapieerfolg von UDCA ist nicht unumstritten, da auch hier randomisierte kontrollierte Studien mit Langzeitdaten hinsichtlich „harter“ histologischer Endpunkte wie Fibroseprogression fehlen. Positive Effekte von UDCA auf den Krankheitsverlauf scheinen vor allem bei Therapiebeginn in frühen Erkrankungsstadien zu bestehen.
Zur Therapie der primär sklerosierenden Chol – angitis wurde bislang häufig UDCA eingesetzt. UDCA verbessert zwar Surrogatparamter wie die Leberwerte, hat aber keinen Einfluss auf das Überleben. Eine Hochdosistherapie erhöht sogar die Komplikationsrate bei PSC. Daher kann keine allgemeine Empfehlung für diese Therapie bei PSC gegeben werden. Ähnliches gilt auch für die verschiedensten Formen der sekundär sklerosierenden Cholangitis. Ohne medikamentöse Therapie bleibt nur die Möglichkeit, dominante Gallenwegsstrikuren zu dilatieren und bei Fortschreiten der Erkrankung die Lebertransplantation.

Hepatozelluläres Karzinom: Die Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms nimmt zwar kontinuierlich zu, aber auch die Behandlungsmöglichkeiten haben sich im letzten Jahrzehnt deutlich verbessert. Bei limitierten Formen haben Lebertransplantation, Resektion oder lokal ablative Verfahren wie die perkutane Ethanolinjektion oder Radiofrequenzablation kurativen Charakter. Resektion und lokal ablative Verfahren haben im Gegensatz zur Lebertransplantation jedoch den Nachteil, dass die „Präkanzerose“ Leberzirrhose weiter bestehen bleibt und auch nach initial erfolgreicher Behandlung neue Tumoren im weiteren Krankheitsverlauf entstehen können. Sind gewisse Kriterien erfüllt, hat eine Lebertransplantation gute Erfolgsaussichten mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von etwa 75 %. Bei fortgeschrittenen Stadien kommt die transarterielle Chemoembolisation zum Einsatz. Seit einiger Zeit steht für Patienten mit extrahepatischen Metastasen auch eine „Targeted Therapy“ mit dem Multikinase-Inhibitor Sorafenib zur Verfügung. Diese Therapie kann das Überleben der Patienten in den Child-Stadien A und B moderat verbessern.

FACT-BOX

• Hepatitis B: Peginterferon, Nukleosidoder´Nukleotidanaloga (NA) weisen
sehr gute Ansprechraten auf. NA erfordern jedoch häufig eine Langzeittherapie.
• Hepatitis C: Peginterferon + Ribavirin +/– Proteasehemmer (Boceprevir, Telaprevir)
haben hohe SVR-Raten auch bei Genotyp 1. Non-Responder auf eine
Vortherapie sind noch nicht zufriedenstellend behandelbar.
• NAFLD, NASH: Abgesehen von Lifestylemodifikation mit Gewichtsreduktion existiert bislang keine etablierte Therapie.
• Cholestase: Ursodeoxycholsäure verzögert bei primär biliärer Zirrhose die
Krankheitsprogression. Bei primär oder sekundär sklerosierender Cholangitis
gibt es zurzeit keine etablierte medikamentöse Therapie.
• Hepatozelluläres Karzinom: Resektion, Lebertransplantation und lokal ablative
Verfahren sind bei Frühstadien potenziell kurative Ansätze. Chemoembolisation und Sorafenib werden bei fortgeschrittenen Stadien mit palliativer
Zielsetzung eingesetzt.