ESC-Guidelines zur Herzinsuffizienz, Bedeutung für die Praxis in Österreich?

Die neuen Guidelines untermauern die Notwendigkeit der optimierten medikamentösen Therapie zur Reduktion der Mortalität und Verbesserung der Morbidität bei chronischer Herzinsuffizienz. Andererseits heben sie sich in vielfacher Weise, nicht zuletzt wegen der Änderungen im Therapieentscheidungsbaum, von den bestehenden Richtlinien ab.

Die Notwendigkeit der Echokardiografie zur weiteren Abklärung der Ursache einer Herzinsuffizienz (HF-REF, HF-PEF, relevante Klappenfehler etc.) ist zu unterstreichen. Die Änderung der „Cut-off“-Grenzen der natriuretischen Peptide in Abhängigkeit der Akuität der Herzinsuffizienz ist etwas komplizierter für die Praxis geworden, andererseits wird dadurch die Herzinsuffizienz öfters bzw. früher diagnostiziert.

Wichtig erachte ich, dass interventionelle Klappenreparaturen (TAVI, MitraClip) bei Inoperabilität oder hohem OP-Risiko unbedingt in Betracht zu ­ziehen sind, da die Gruppe der Patienten mit ­klappenfehlerinduzierter Herzinsuffizienz wegen der demografischen Altersentwicklung ­zunehmende Bedeutung erlangt.

Der frühe Einsatz einer Resynchronisationstherapie bereits bei milder Herzinsuffizienz, um ein positives Remodelling zu ermöglichen, ist nur zu unterstützen.

Die Empfehlung zum Einsatz von mechanischen Assist-Devices bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz nun auch als „destination therapy“ ist zwar löblich, wird allerdings wegen der zu erwartenden Kosten wohl schwierig umzusetzen sein.

In welchen Punkten erfüllen die Leitlinien Ihre Erwartungen?

Zu unterstreichen ist die Wichtigkeit des gleichzeitigen frühzeitigen Einsatzes von ACE-Hemmern und Betablockern, ohne eine Substanzgruppe zu favorisieren. Weiterhin gilt es mit einer niedrigen Startdosis zu beginnen, allerdings sollte versucht werden, die in den Guidelines angegebenen Zieldosen zu erreichen.

Besonders der empfohlene Einsatz von MRA (Mineralkortikoid-Rezeptorblockern) bereits bei milder Herzinsuffizienz (ab NYHA II) erfüllte meine Erwartungen voll und ganz, da ich von der Wirksamkeit dieser Substanzgruppe überzeugt bin. Allerdings ist hier zu betonen, dass regelmäßige Laborkontrollen zur Vermeidung einer Verschlechterung der renalen Funktion und einer Hyperkaliämie unabdingbar sind. Meines Erachtens müssen die Patienten auch dringend darüber aufgeklärt werden, dass z. B. bei Gastroenteritiden, drohender Exsikkose oder schwereren Infekten diese Substanzgruppe vorübergehen zu pausieren ist, in Abhängigkeit der zu erwartenden Elektrolytverschiebung bzw. Verschlechterung der Nierenfunktion.

Der Einsatz von Ivabradin (Procoralan®) bei Persistieren der Herzinsuffizienzsymptome oder Betablockerunverträglichkeit und die dadurch bedingte weitere Möglichkeit einer Reduktion der Herzfrequenz auf ≤ 70/min stellt für mich eine gute Option dar, da ich die geringe Nebenwirkungsrate dieser Substanzgruppe bei gleichzeitiger Effektivität besonders schätze.

Gut finde ich auch den Hinweis auf jene Substanzgruppen, die sich bei chronischer Herzinsuffizienz schädlich auf den Verlauf auswirken können.

Welche Aspekte wurden Ihrer Ansicht nach vernachlässigt bzw. welche Neuerungen verabsäumt?

Neue Guidelines reflektieren natürlich immer die Studienergebnisse, die schon zumindest ein Jahr zurückliegen und hinken dadurch immer etwas nach.

Ist eine Anämiekorrektur mit Erythropoetingabe oder Eisensubstitution bei HI sinnvoll? Ist der Einsatze neuer Antidiabetika (z. B. Gliptine) bei HI unbedenklich? Ist Salzrestriktion bei HI kontraproduktiv? Sind Renininhibitoren oder Dihydralazin/Angiotensinrezeptorblocker eine zusätzliche Alternative in der neurohumoralen Blockade? Welche Telemonitoringsysteme zur Patientenüberwachung sind sinnvoll und vor allem was ist die optimale Zielgruppe? Können mechanische Herzunterstützungssysteme das Problem der Organknappheit in der Herztransplantation lösen?

Die Liste der offenen Fragen ist groß, aber vielleicht können einige bis zu den nächsten Guidelines beantwortet werden.