Best of ERS 2011

Bei einem Angebot von mehr als 5.000 Abstracts und Präsentationen ist ein “Best of” immer eine von subjektiven Interessen bestimmte Auswahl. Die Trends der Medizin insgesamt waren jedoch auch in Amsterdam gut erkennbar:

  • Personalisierte Medizin: Die molekularbiologische Charakterisierung von Individuen macht riesige Fortschritte und hat sich mittlerweile für die Behandlung des NSCLC als diagnostischer Standard etabliert.
  • Präventive Medizin: Die Medizin entwickelt sich langsam aber sicher dort hin, nicht erst symptomatische Patienten zu behandeln, sondern – falls möglich – Erkrankungen wie Bronchialkarzinom oder COPD schon in frühen heilbaren Stadien zu erkennen.
  • Pathways: Molekularbiologische Prozesse beschränken sich nicht mehr nur auf eine Erkrankung, sondern man erkennt, dass diese krankheitsübergreifend eine Rolle spielen. So findet beispielsweise ein Tyrosinkinaseinhibitor (TKI) nun auch Verwendung in der Behandlung der Lungenfibrose.

Das breitgefächerte Programm, von Grundlagenforschung über Epidemiologie bis hin zu Infektiologie, pneumologischer Onkologie, pneumologischer Pädiatrie und schlafbezogenen Atemstörungen, bot für jeden Teilnehmer etwas.
Für Frühaufsteher wurden heuer zum ersten Mal 4 “Morgen-Seminare” angeboten, in denen man seine klinischen Fähigkeiten rund um die Interpretation von HRCT-Bildern, nicht-invasive Beatmung, schlafbezogene Atemstörungen und die bronchiale Provokations-Testung verbessern konnte.
Zum ersten Mal fand neben der HERMES-Prüfung für Pneumologie auch die HERMES-Prüfung für pädiatrische Pneumologie im Rahmen des Kongresses statt. Diese Prüfungen dienen nicht nur zum Erwerb des europäischen Diploms, sondern können neuerdings auch von Ausbildungsassistenten als Überprüfung des derzeitigen eigenen Wissensstandes abgelegt werden.
In eigens veranstalteten Mittagssymposien bekam man die Möglichkeit, die Editoren von renommierten Journalen wie dem “European Respiratory Journal” und dem “British Medical Journal” kennenzulernen und einen Einblick von der anderen Seite zu erlangen, wie lange und steinig der Weg vom Einreichen eines Papers bis zu dessen Veröffentlichung ist. Bei einem derart großen Angebot fällt es nicht leicht, sich auf einige wenige Vorträge zu beschränken. Im Folgenden ein Abriss einiger besonders heftig und kontroversiell diskutierter Themen des diesjährigen ERS.

Bronchialkarzinom

Früherkennung – The National Lung Screening Trial (NLST): Die Ergebnisse des NLST sind als Landmark-Studie zu werten und wurden im August im NEJM publiziert. Unter der Verwendung des Low-Dose-CT konnte eine 20%ige Reduktion der Mortalität erreicht werden. Jedoch muss auch gesagt werden, dass hierdurch eine hohe Rate an falsch-positiven Befunden zu verzeichnen ist. Viele Fragen bleiben hier also noch offen und sollten kritisch betrachtet werden. Ob es gelingt, durch Metaanalyse der laufenden europäischen Studien das Ergebnis des NLST zu replizieren, bleibt offen.

COPD

COPD und Komorbiditäten: Ein Thema, das seit einigen Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist der Einfluss von Komorbiditäten – hier vor allem aus dem kardiovaskulären Bereich – auf eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung. Rezente Studien haben nun gezeigt, dass der Einsatz der von so vielen gefürchteten Betablockern auch beim COPD-Patienten mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen von hoher Bedeutung ist und zu einer deutlichen Senkung der Mortalität führt.
In den neuen GOLD-Guidelines, welche Ende dieses Jahres erscheinen sollen, wird auch auf diesen Aspekt Rücksicht genommen werden. Ebenso wurde auf diesem Kongress intensiv diskutiert, welche Kriterien zur Definition einer COPD herangezogen werden sollen: Ist die “fixed ratio” das Nonplusultra oder sollten neue Wege wie das “lower limit of normal” Einzug nehmen? Welche Rolle spielt die Exazerbationshäufigkeit bei der Stadieneinteilung der COPD, und soll der CAT (COPD Assessment Test) zur Beurteilung der Symptome herangezogen werden? In jedem Fall kann man schon jetzt gespannt sein, welche Änderungen die neuen Guidelines mit sich ziehen werden.

NSCLC

ALK-Tyrosinkinase-Inhibitor Crizotinib bei ALKpositivem NSCLC: Molekularbiologische Veränderungen in Subgruppen des nicht-kleinzelligen Bronchuskarzinoms (NSCLC) zu identifizieren, nimmt einen immer größeren Stellenwert in der Therapie ein. Neben Alterationen am EGF-Rezeptor-Gen fand man nun in 3-7% der NSCLC-Patienten genomische Veränderungen an der ALK-(Anaplastic Lymphoma Kinase)-Tyrosinkinase. In einer Phase-I-Studie konnte gezeigt werden, dass der ALK-Tyrosinkinase-Inhibitor Crizotinib gute antitumoröse Wirkung bei Patienten mit fortgeschrittenem ALK-positiven NSCL hat. In einer derzeit laufenden Studie soll nun der Einsatz dieses Medikamentes in der Erst- sowie Zweitlinientherapie genauer beleuchtet werden.

Asthma bronchiale

Neuer therapeutischer Ansatz mit Lebrikizumab: Ein Grund für das unterschiedliche Therapieansprechen bei Patienten mit Asthma bronchiale könnte die variable IL-13-Rezeptorexpression sein. Der monoklonale Anti-IL-13-Antikörper Lebrikizumab soll sich dies nun bei Patienten mit schlecht kontrollierten Asthma bronchiale unter laufender inhalativer Kortikosteroidtherapie zunutze machen. Eine kürzlich im NEJM publizierte Studie konnte zeigen, dass Lebrikizumab sowohl die Lungenfunktion verbessert als auch die Exazerbationshäufigkeit senkt. Vor allem Patienten mit einem hohen Serum-Periostinspiegel profitieren von dieser Therapie.

Idiopathische Lungenfibrose

Tyrosinkinaseinhibitor BIBF 1120 bereits in Phase III: Auch auf dem Gebiet der interstitiellen Lungenerkrankungen gab es Neuerungen. Neben einer überarbeiteten Klassifikation wurde auch ein neues Medikament mit interessanten Ergebnissen vorgestellt. In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-II-Studie TOMORROW (To improve pulmonary fibrosis with BIBF 1120) konnte der Tyrosinkinaseinhibitor BIBF 1120 einen positiven Trend im Bezug auf eine Reduktion des Lungenfunktionsverlustes bei der idiopathischen Lungenfibrose zeigen. 68% weniger Verlust an FVC im Vergleich zur Placebogruppe.
Ebenso hatten die Patienten weniger Exazerbationen. Bei geringem Nebenwirkungsspektrum kann man nun gespannt sein, ob die derzeit laufende Phase-III-Studie die gewünschten Ergebnisse bringt, um in Zukunft seinen Patienten eine weitere Therapieoption der idiopathischen Lungenfibrose anbieten zu können.

Nachsatz: Neben zahlreichen interessanten Vorträgen blieb dennoch etwas Zeit, um bei traumhaftem Herbstwetter Amsterdam zu genießen. Der nächste Jahreskongress der Europäischen Lungengesellschaft wird von 1.-5. 9. 2012 in Wien stattfinden. Wir würden uns sehr freuen, auch Sie als Teilnehmer in Wien begrüßen zu dürfen.

Fact-Box

Von 24.-28. 9. 2011 fand der insgesamt 16. Jahreskongress der Europäischen Respiratorischen Gesellschaft in Amsterdam statt. Mehr als 20.000 Besucher konnten verzeichnet werden. Der jährlich wachsende Besucherstrom und die aktive Teilnahme zahlreicher international renommierter Vortragenden machen diese Veranstaltung zu einem der wichtigsten Kongresse im Bereich der respiratorischen Medizin.