Rheumatoide Arthritis – Sind alle Biologika gleich?

Mit TNF-alpha-Blockern konnte Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) bei unzureichendem Erfolg einer Therapie mit konventionellen Basistherapeutika erstmals eine weitere Erfolg versprechende Behandlungsmöglichkeit angeboten werden. Heute sind mit Adalimumab (Humira®), Certolizumab (Cimcia®), Etanercept (Enbrel®), Golimumab (Simponi®) und Infliximab (Remicade®) fünf TNF-alpha-Blocker verfügbar. Mittlerweile stehen mit dem IL-6-Inhibitor Tocilizumab (RoActemra®), dem T-Zell-Kostimulationsblocker Abatacept (Orencia®) und dem chimären monoklonalen Anti-CD20-Antikörper Rituximab (MabThera®) Vertreter dreier weiterer Biologikagruppen zur Verfügung.

TNF-alpha-Blocker nach MTX-Versagen

Aktuell kommen nach Versagen von Methotrexat (MTX) in erster Linie TNF-alpha-Blocker zum Einsatz. Die Datenlage und auch die klinische Erfahrung bieten aber keine Grundlage für einen Algorithmus für den Einsatz von Bio­logika. Patienten, die von MTX auf ein Biologikum umgestellt werden, haben eine Chance von rund 30–40 % auf eine zufriedenstellende und nachhaltige Verringerung der Krankheitsaktivität, dies unabhängig von der gewählten Substanz.
Die Daten des US-amerikanischen CORRONA-Registers (Consortium of Rheumatology Researchers of North America) bestätigen die vergleichbare Wirksamkeit der TNF-alpha-Blocker Adalimumab, Etanercept und Infliximab in Hinblick auf Response- und Remissionsraten.1 In dieser Analyse war lediglich Infliximab mit einer höheren Persistenz bei Biologika-naiven Patienten assoziiert. Patienten, bei denen zwischen TNF-alpha-Blockern gewechselt worden war, hatten geringere Response-, Remissions- und Persistenzraten als mit nur einem TNF-alpha-Blocker behandelte Patienten. Die Analyse des dänischen DANBIO-Registers2 erbrachte ein geringfügig anderes Ergebnis. Sie zeigte für Infliximab die gerings­ten Raten in Hinblick auf Response, Remission und Adhärenz und für Adalimumab die höchsten Response- und Remissionsraten. Dies entspricht weitgehend dem Ergebnis der Analyse des holländischen DREAM-Registers (Dutch Rheumatoid Arthritis Monitoring).3 In dieser Wirksamkeits- und Kostenanalyse waren Adalimumab und Etanercept im ersten Behandlungsjahr annähernd vergleichbar und Infliximab überlegen.
Die divergierenden Ergebnisse der Analyse des US-amerikanischen Registers und der beiden europäischen Register könnten auf unterschiedliche Dosisregime zurückzuführen sein. Während die durchschnittliche Infliximab-Dosis im dänischen Register bei 3,5 mg/kg und im holländischen Register bei 3,0 mg lag, betrug die Dosis bei den Patienten des CORRONA-Registers durchschnittlich 5,5 mg. Gleichzeitig war die Dosiseskalation von Adalimumab 40 mg alle 2 Wochen auf die wöchentliche Gabe im US-Register häufiger als in den europäischen Registern. Daher können die Ergebnisse des TNF-alpha-Blocker-Vergleichs aus den USA nicht unmittelbar auf europäische Verhältnisse umgelegt werden.
Informationen zur Effektivität eines Wechsels zwischen TNF-alpha-Blockern bei unzureichender Wirksamkeit liefert eine Analyse des SSATG-Registers (South Swedish Arthritis Treatment Group).4 Generell war das Ansprechen auf den zweiten TNF-alpha-Blocker nur geringfügig schlechter als auf den ersten TNF-alpha-Blocker, während die Response auf den dritten TNF-alpha-Blocker deutlich verringert war. Die jeweiligen Effekte der einzelnen TNF-alpha-Blocker wurden in dieser Arbeit nicht aufgeschlüsselt.

Abatacept, Golimumab, Rituximab und Tocilizumab nach TNF-alpha-Blocker-Versagen

Schoels et al.5 verglichen in einem systematischen Review und einer indirekten, paarweisen Metaanalyse den Effekt von Abatacept, Golimumab, Rituximab und Tocilizumab nach Versagen einer TNF-alpha-Blocker-Therapie. Alle diese Substanzen war bei TNF-alpha-Blocker-Nonrespondern vergleichbar erfolgreich. Das galt auch für Patienten, die bereits mit 2 oder 3 TNF-alpha-Blockern vorbe­handelt worden waren. Eine Metaanalyse von Salliot et al.6 bestätigt die vergleichbare Wirksamkeit von Abatacept, Golimumab, Rituximab und Tocilizumab nach TNF-alpha-Blocker-Versagen.

Erklärungsmodelle für die vergleichbare Wirksamkeit

Dass die Biologika trotz unterschiedlicher Wirkmechanismen und unterschiedlicher Targets vergleichbar wirksam sind, verwundert auf den ersten Blick. Die Ursache dafür könnte möglicherweise darin zu suchen sein, dass im Rahmen des entzündlichen Prozesses keines der zahlreichen von Biologika adressierten Zytokine eine herausragende Stellung hat. Es scheint zwar eine gewisse Hierarchie der Zytokine zu bestehen – als gesichert gilt, dass TNF IL-1 und IL-6 induziert und IL-1 IL-6. Gäbe es aber das eine „Masterzytokin“, dann müsste der entsprechende Inhibitor in seiner Wirkung allen anderen Biologika überlegen sein, was nicht der Fall ist, wie die klinischen Daten zeigen.
Möglicherweise liegen klinisch vermeintlich vergleichbaren Krankheitsbildern unterschiedliche Zytokinmuster zugrunde, die auf verschiedene Biologika unterschiedlich reagieren. Umgekehrt beruht die Wirksamkeit eines Biologikums möglicherweise auf einem speziellen Wirkungsmuster und nicht auf Einzeleffekten. Stimmt das Muster des Biologikums mit dem Muster der Erkrankung überein, tritt ein Effekt im Sinne einer Reduktion der Krankheitsaktivität ein. Ein Wirkverlust eines initial wirksamen Biologikums könnte darauf zurückzuführen sein, dass das Entzündungsgeschehen auf einen anderen Pathway ausweicht, der in der Folge durch einen Switch auf ein Biologikum mit einem anderen Wirkmechanismus gehemmt werden kann.
Die Komplexität des Zytokinmusters, das verschiedenen Erkrankungen zugrunde liegt, erklärt möglicherweise auch, warum manche Biologika bei einer breiten Palette rheumatologischer Krankheiten wirksam sind, andere nur bei einem beschränkten Teil.
Solange es uns nicht gelingt, diese Muster zu entschlüsseln, müssen wir bei der Wahl der Biologika im Rahmen der Vorgaben des Erstattungskodex empirisch vorgehen. Tatsächlich kann jedes Biologikum nach dem Versagen eines anderen wirksam sein. Das ist auch eine gute Botschaft für Rheumapatienten.

 

1 Greenberg JD et al., Ann Rheum Dis 2012; 71:1134–1142
2 Hetland ML et al., Arthritis Rheum 2010; 62(1):22–32
3 Kievit W et al., Ann Rheum Dis 2008; 67:1229–1234
4 Karlsson JA et al., Rheumatology 2008; 47:507–513
5 Schoels M et al., Ann Rheum Dis 2012; 71:1303–1308
6 Salliot C et al., Ann Rheum Dis 2011; 70(2):266–71