Schmerztherapie bei Morbus Bechterew

Der Morbus Bechterew (ankylosierende Spondylitis, AS) ist das projektionsradiografisch nachweisbare Spätstadium der axialen Spondyloarthritis (aSpA) und damit nur Teil einer entzündlichen Erkrankung mit vorwiegendem Befall des Achsenskeletts. Den projektionsradiografisch sichtbaren Osteoproliferationen und Ankylosen der AS gehen Entzündungen der Enthesen (Enthesitis) und des Knochens (Ostitis) mit konsekutiver bindegewebiger Versteifung des betroffenen Gewebes voraus. Diese bindegewebigen und radiografisch sichtbaren ossären Versteifungen führen einerseits durch die Dysbalance des Muskel-Sehnen-Apparates zu Tendomyosen und andererseits durch die knöcherne Ankylosierung zur mechanischen Fehl- und Minderbelastung des Knochens mit erhöhter Frakturneigung.

Entzündlich oder nichtentzündlich: Der Schmerz eines Patienten mit AS kann somit entzündlicher und/oder nichtentzündlicher Natur sein und ein unterschiedliches schmerztherapeutisches Vorgehen erforderlich machen. Am Beginn der Schmerzbehandlung sollte deshalb eine exakte diagnostische Abklärung der Schmerzursache stehen (Tab., Abb.).

 

 

 

Therapie der entzündlichen Schmerzphasen

Der entzündliche Schmerz von Patienten mit AS ist vorwiegend durch das schmerzbedingte nächtliche Erwachen, durch eine Besserung der Schmerzen bei Bewegung (aber nicht in Ruhe) und durch eine Morgensteifigkeit von mehr als 30 Minuten charakterisiert.
Bei Vorliegen eines entzündlichen Schmerzes sollte eine antiphlogistische Therapie mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) begonnen werden.

Wirbelsäulenschmerzen: NSAR sind bei entzündlichen Wirbelsäulenschmerzen sehr gut wirksam. So betrug der Behandlungseffekt von Etoricoxib („effect size“, ES) auf den Wirbelsäulenschmerz 1,44 und reduzierte den Schmerz im Mittel um etwa 40 %, wobei man bei einer ES > 0,8 von einem deutlichen therapeutischen Effekt ausgehen kann. Auch unter der Einnahme von Diclofenac oder von Celecoxib sank die durchschnittliche Schmerzintensität bei den Patienten um 31 % beziehungsweise 30 % mit einer ES von 1,84 beziehungsweise 1,79 deutlich ab. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass NSAR in der Lage sein könnten, die radiologische Progression und damit zunehmende knöcherne Ankylosierung der Wirbelsäule zu verzögern.

Additiv Heilgymnastik: Additiv sollten AS-Patienten bei Vorliegen entzündlicher Schmerzen dazu angehalten werden, eine gezielte Heilgymnastik (Bechterew-Gymnastik) durchzuführen. Mehrere Studien konnten zeigen, dass es durch eine Heilgymnastik in der Gruppe und besser noch unter stationären Bedingungen zu einer signifikanten Reduktion des Schmerzes mit einer ES von 0,48 bis 0,76 und der Steifigkeit als Ausdruck der Entzündung kommt. Für eine Heilgymnastik unter häuslichen Bedingungen konnte jedoch keine ausreichende Wirksamkeit nachgewiesen werden.

Periphere Gelenke: Wenn sich die entzündliche Aktivität der AS vorwiegend an peripheren Gelenken manifestiert, ist im Falle einer ungenügenden Wirksamkeit der NSAR auch ein Therapieversuch mit Sulfasalazin möglich. In einer Dosis von 3 g Sulfasalazin pro Tag wurde auch eine Reduktion der Wirbelsäulenschmerzen um 20 mm auf einer Visual Analog Skala (VAS) von 0–100 mm mit einer ES von 0,95 erzielt.

TNF-Blocker bei NSAR-Therapieversagen: Sollte eine Therapie mit zwei verschiedenen NSAR über je mindestens zwei Wochen zu keiner ausreichenden Reduktion des entzündlichen Schmerzes führen, ist eine Therapie mit TNF-Blockern indiziert. Alle in Österreich zugelassenen TNF-Blocker (Adalimumab, Etanercept, Golimumab und Infliximab) waren in klinischen Studien auch bei ungenügender Wirksamkeit einer NSAR-Therapie noch ausgezeichnet entzündungshemmend wirksam und reduzierten den für die Entzündung typischen Nachtschmerz auf einer visuellen Analogskala (VAS) von 0–100 mm im Mittel um 27 bis 38 mm. Auch ansonsten therapierefraktäre Enthesitiden sprachen auf eine Therapie mit TNF-Blockern an. TNF-Blocker waren zudem in der Lage, das Ausmaß des in der MRT-Untersuchung für eine Entzündung typischen Knochenmarködems signifikant zu reduzieren.

Therapie der nichtentzündlichen Schmerzphasen

Bei Patienten mit bekannter AS kann es neben den entzündlichen auch zu nichtentzündlichen Schmerzen durch Tendinosen, Tendomyosen und Myogelosen sowie Wirbelkörperfrakturen kommen. In diesem Fall ist eine antiphlogistische Therapie nicht indiziert. Vielmehr sollte durch physikalische und medikamentös analgetische Therapieansätze versucht werden, eine Schmerzlinderung zu erzielen.

Physikalische Maßnahmen: Weichteilrheumatische Beschwerden in Form von Tendinosen und Myosen sprechen gut auf entsprechende Lagerung, eine lokale Wärmeapplikation, auf detonisierende Muskelmassagen und auf eine kontrollierte Bewegungstherapie an.

Analgetika: Zudem kann eine analgetische Therapie mit peripheren Analgetika wie Paracetamol und Metamizol sowie Tramadol versucht werden. Allerdings fehlen für die genannten Analgetika klinische Studien, die eine Wirksamkeit bei nichtentzündlichen Schmerzen im Rahmen einer AS belegen würden. Kurzzeitig eingesetzte Myotonolytika und eine Neuraltherapie mit Lokalanästhetika sind bei weichteilrheumatischen Schmerzen ebenfalls klinisch wirksam; es fehlt jedoch auch für diese Substanzen die Evidenz aus klinischen Studien. Bei ungenügender Wirksamkeit der genannten nicht-pharmakologischen und pharmakologischen analgetischen Maßnahmen können ersatzweise oder additiv NSAR versucht werden; der Einsatz von TNF-Blockern ist in dieser Situation kontraindiziert.

Zusammenfassung

Bei AS sind Schmerzen das Hauptsymptom der Erkrankung. Da die Schmerzen entzündlicher als auch nichtentzündlicher Natur sein können, sollte vor jeder therapeutischen Intervention versucht werden, die vorhandenen Schmerzen zu kategorisieren. Liegt ein entzündlicher Schmerz vor, ist eine antiphlogistische Therapie mit NSAR, begleitet von heilgymnastischen Übungen (Bechterew-Gymnas­tik), indiziert. Sind beide Maßnahmen – auch nach einem Wechsel des NSAR – nicht ausreichend wirksam und liegen weiterhin unakzeptabel intensive entzündliche Schmerzen vor, besteht die Indikation einer antiphlogistischen Therapie mit TNF-Blockern.
Liegt hingegen bei AS-Patienten ein nichtentzündlicher Schmerz vor, sollten NSAR erst nach der Anwendung von physikalischen Maßnahmen und der Applikation von reinen Analgetika in ausreichender Dosierung zum Einsatz kommen.