Schwangerschaftsthrombose: Risikopatientinnen rechtzeitig erkennen

Schwangerschaft und venöse Thromboembolien

Sowohl Schwangerschaft als auch die darauf folgende Wochenbettphase gelten bei Frauen als unabhängige Risikofaktoren für die Entstehung venöser und arterieller Thromboembolien. Während die blutungsbedingte maternale Mortalität in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen hat, sind in den westlichen Industrieländern Thromboembolien noch immer die häufigste Todesursache von Frauen während und in den ersten Wochen nach einer Schwangerschaft (SS). Eine adäquate Therapie von Thromboembolien, das frühzeitige Identifizieren von Risikopatientinnen sowie die Einleitung einer möglichen Prophylaxe haben daher obersten Stellenwert.

VTE in der Schwangerschaft: Etwa 80 % der schwangerschaftsassoziierten Thromboembolien treten im venösen Gefäßsystem im Sinne einer tiefen Beinvenenthrombose (TVT) oder Lungenembolie (PAE) auf. Während der SS ist das Risiko einer venösen Thromboembolie (VTE) etwa 4- bis 5-fach, in der Puerperalphase sogar bis zu 20-fach erhöht. In der Vergangenheit wurde angenommen, dass dafür primär anatomische Veränderungen, wie eine durch die Größenzunahme des Uterus bedingte venöse Kompression mit nachfolgender Stase in den Bein- und Beckenvenen, eine hormonell bedingte venöse Dilatation, vermehrte Immobilisation während der SS und Postpartalphase sowie ein durch die Geburt bedingtes Gewebstrauma mit Ausschüttung prokoagulatorischer Faktoren verantwortlich sind. Da diese Veränderungen jedoch erst mit zunehmender Schwangerschaftsdauer relevant werden, konnte dadurch nicht erklärt werden, dass das Risiko einer VTE während allen Trimena annähernd gleich hoch ist und insbesondere postpartal deutlich ansteigt. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass die Entstehung venöser Thrombosen während und nach der Schwangerschaft in erster Linie durch eine mit der Konzeption einsetzende Hyperkoagulabilität des Blutes begünstigt wird. Ziel des physiologischen prokoagulatorischen Zustandes, der durch eine Zunahme der Gerinnungsfaktoren VII, VIII und X, einen Anstieg von Fibrinogen, eine Abnahme von Protein S sowie eine Hemmung der Fibrinolyse durch Aktivierung des Plasminogen-Aktivator-Inhibitors 1 und 2 entsteht, ist es, Blutverluste unter der Geburt sowie im Falle einer Fehlgeburt möglichst gering zu halten.

Risikofaktoren

Der wichtigste Risikofaktor für eine VTE während und nach der SS ist eine positive Eigenanamnese, insbesondere von idiopathischen oder schwangerschafts- bzw. östrogen­assoziierten venösen Thrombosen. Eine hereditäre Thrombophilie kann das Risiko einer VTE ebenfalls deutlich erhöhen, wobei insbesondere die homozygote Form einer Faktor-V-Leiden-Mutation oder Prothrombin-Mutation sowie ein genetischer Kombinationsdefekt (Faktor-V-Leiden- und Prothrombin-Mutation in heterozygoter Form) thrombophil wirken. Auch höheres Alter und Komorbiditäten der werdenden Mutter wie vorbestehende Herzerkrankungen, ein systemischer Lupus erythematodes, Anämie, Adipositas oder Diabetes mellitus sowie schwangerschafts- und geburtsassoziierte Komplikationen wie Geminigravidität, Hyperemesis, Sectio caesarea, postpartale Infektionen oder die Notwendigkeit von Bluttrans­fusionen gehen mit einem gesteigerten VTE-Risiko einher.

Frühzeitige Diagnose: oft schwierig, aber entscheidend

Die Diagnose einer VTE während der Schwangerschaft und Postpartalphase gestaltet sich oft schwierig. Symptome einer TVT wie Schwellung oder Schmerzen der Beine sowie Dyspnoe bei PAE sind sehr unspezifisch und bei vielen schwangeren Frauen unabhängig von einer VTE vorhanden. Zudem besteht während der Schwangerschaft ein physiologisch erhöhter D-Dimer-Spiegel. Auch bildgebende Verfahren, die normalerweise zum Ausschluss einer PAE durchgeführt werden, können bei schwangeren oder stillenden Frauen aufgrund der Strahlenbelastung und Notwendigkeit einer Kontrastmittelapplikation nur eingeschränkt angewandt werden. Der Goldstandard in der Diagnostik der Beinvenenthrombose während und nach der SS ist weiterhin der Kompressionsultraschall (CUS), wobei zusätzlich immer eine Beurteilung der Atemmodulation der Vena femoralis communis im Seitenvergleich erfolgen sollte, da diese einen Hinweis auf eine Obstruktion der Beckenvenen liefern kann und insbesondere während der SS eine isolierte Beckenvenenthrombose nicht selten ist. Fällt ein CUS negativ aus, kann bei hoher klinischer Vortestwahrscheinlichkeit und fehlender Möglichkeit einer alternativen Bildgebung erwogen werden, die Sonografie nach einigen Tagen zu wiederholen.

Therapie der schwangerschaftsassoziierten VTE

Im Falle einer diagnostizierten VTE ist die Therapie der Wahl eine Antikoagulation mit gewichtsadaptiertem niedermolekularen Heparin (NMH), welches die Plazentaschranke nicht passiert. NMH hat gegenüber unfraktioniertem Heparin (UFH) die Vorteile einer geringeren HIT-Rate sowie eines niedrigeren Blutungs- und Osteoporoserisikos. Wenn möglich, sollte während der SS aufgrund der Zunahme des mütterlichen Körpergewichts und Blutvolumens sowie der vermehrten renalen Heparinclearance durch Steigerung der glomerulären Filtrationsrate in regelmäßigen Abständen ein Monitoring der Antikoagulation über Messung des Anti-Faktor-Xa-Spiegels erfolgen. Die NMH-Therapie sollte laut aktuellen Empfehlungen bis mindestens 6 Wochen postpartal und insgesamt über mindestens 3 Monate erfolgen. Vitamin-K-Antagonisten (VKA) sollten während der SS nicht gegeben werden, da diese die Plazenta passieren und mit kongenitalen Anomalien, insbesondere während des ersten Trimenons, und einem erhöhten Risiko für fetale Blutungen und Fehlgeburten assoziiert sind. Daher ist wichtig, dass Frauen unter Langzeitantikoagulation mit einem VKA auf eine konsequente Kontrazeption achten. Im Falle eines Kinderwunsches sollte der VKA drei Monate vor der geplanten Konzeption abgesetzt und durch eine Antikoagulation mit NMH ersetzt werden. Neue orale Antikoagulantien sollten während einer SS und bei stillenden Frauen ebenfalls nicht verabreicht werden, da diesbezüglich Studiendaten fehlen.

Die Planung einer Geburt bei laufender Antikoagulation sollte immer interdisziplinär in Zusammenarbeit von betreuendem Internisten, Gynäkologen und Anästhesisten erfolgen. Grundsätzlich ist aufgrund der besseren Steuerbarkeit der Antikoagulation eine geplante Sectio oder Einleitung der Geburt einer vaginalen Spontangeburt vorzuziehen. Die letzte Applikation von NMH sollte laut den aktuellen ACCP-Guidelines dabei etwa 24 Stunden vor der Geburt erfolgen. Bei einem hohen peripartalen VTE-Rezidivrisiko sollte eine Umstellung der Antikoagulation auf UFH, welches wiederum 4 bis 6 Stunden präpartal pausiert werden sollte, in Erwägung gezogen werden. Postpartal sollte die Antikoagulation etwa 12 Stunden nach vaginaler Geburt und 24 Stunden nach Sectio wieder begonnen werden.

Prophylaxe: Wann bei welcher Patientin?

Da das Risiko einer VTE bereits im ersten Trimenon stark ansteigt, sollten Risikopatientinnen möglichst früh identifiziert und wenn notwendig, eine Thromboembolieprophylaxe so bald wie möglich begonnen werden. Eine medikamentöse VTE-Prophylaxe während der 6-wöchigen Puerperalphase ist laut den aktuellen ACCP-Guidelines bei allen Frauen nach Kaiserschnitt mit zusätzlichen VTE-Risikofaktoren sowie bei allen Frauen mit VTE-Ereignis in der Anamnese indiziert. Eine prophylaktische Antikoagulation mit NMH während der gesamten SS ist grundsätzlich bei Frauen mit erhöhtem VTE-Risiko (z. B. stattgehabte idiopathische, schwangerschafts- bzw. östrogenassoziierte oder rezidivierende VTE-Ereignisse in der Anamnese, bekanntes Antiphospholipidantikörpersyndrom etc.) indiziert und sollte auch bei bestimmten Formen einer hereditären Thrombophilie mit positiver Eigen- oder Familienanamnese in Erwägung gezogen werden.

Studien am Tiermodell haben gezeigt, dass eine prophylaktische Antikoagulation mit NMH nicht nur das Risiko einer schwangerschaftsassoziierten VTE vermindert, sondern durch Beeinflussung der Trophoblastendifferenzierung und der frühen Plazentation auch einen positiven Effekt auf den Ausgang einer Schwangerschaft haben kann. In jedem Fall sollte die Entscheidung hinsichtlich einer möglichen VTE-Prophylaxe und der dabei eingesetzten NMH-Dosierung unter Berücksichtigung der Eigen- und Familienanamnese sowie eventuell bestehender VTE-Risikofaktoren und einer vorbekannten hereditären Thrombophilie individuell und optimalerweise von einem Zentrum getroffen werden.