Der stille Knochenverlust

Diagnose

Eine Anamnese und Basisdiagnostik sollten bei postmenopausalen Frauen und bei Männern ab 50 Jahren bei Vorliegen eines relevanten Risikofaktors (u. a. positive Familienanamnese, Immobilisierung, BMI < 20 kg/m2, Rauchen, Alkohol) erfolgen. Besonders zeitnah sollten sie nach einer Fragilitätsfraktur stattfinden. Mit diesen Risikofaktoren und der Frage nach Erkrankungen, die eine sekundäre Osteoporose bewirken können, wie unter anderem Diabetes mellitus Typ 1 und 2, sollte noch vor Durchführung einer Knochenmineraldichtemessung die 10-Jahres-Frakturwahrscheinlichkeit, der sogenannte FRAX®-Score, berechnet werden. Ergibt sich dabei ein mittleres Risiko, ist eine Knochenmineraldichte-(KMD-)Messung notwendig, um das Risiko zu präzisieren (Abb.).

Abb.: Alter 50+ und Vorliegen eines klinischen Risikofaktors – Screening mit FRAX® ohne DXA

Anschließend wird der FRAX®-Score erneut unter Einbezug der KMD-Messung berechnet. Andere diagnostische Mittel sind das Wirbelsäulenröntgen bei Verdacht auf Wirbelkörperbrüche aufgrund einer Abnahme der Körpergröße oder des sogenannten „Tannenbaumphänomens“ sowie Koordinationstests und eine Überprüfung der Muskelkraft sowohl bei Patient:innen über 70 Jahre als auch bei sturzgefährdeten Personen. Außerdem sollte ein Basislabor durchgeführt werden, um die primäre Osteoporose von sekundären Formen zu unterscheiden.

Der WHO nach liegt bei einem T-Score ≤ –2,5 eine Osteoporose vor. Jedoch kann eine Osteoporose mit hohem Knochenbruchrisiko auch bei einer normalen oder nur leicht eingeschränkten KMD in Kombination mit einer Fragilitätsfraktur bestehen. Der angegebene Wert von ≤ –2,5 sollte daher nicht als therapeutischer Schwellenwert dienen. Viel besser eignet sich dafür der FRAX®-Score (mit oder ohne KMD), der einige wichtige (aber bei weitem nicht alle!) klinische Risikofaktoren miteinbezieht. Zusätzlich ist das Alter für die Risikoklassifizierung und damit Therapieentscheidung sehr wichtig.

Lebensstilberatung

Bei niedrigem Risiko ist vor allem die Lebensstilberatung mit dem Ziel der Prävention von Bedeutung. Dazu zählt neben Bewegung und Sport, Gewichtsmanagement und Beschränkung des Alkoholkonsums eine ausreichende Zufuhr von Kalzium, Vitamin D und auch Eiweiß. Bei Letzterem liegt der allgemeine Referenzwert bei mindestens 0,8g/kg ideales Körpergewicht (KG)/Tag und jener für Personen über 65 Jahre bei zumindest 1 g/kg KG/Tag. Die European Society for Parenteral and Enteral Nutrition (ESPEN) empfiehlt sogar 1–1,5 g/kg KG/Tag. Während die Wichtigkeit von Kalzium und Vitamin D bereits weitbekannt ist, werden Proteine noch oft vernachlässigt. Gerade bei Frauen besteht häufig eine unzureichende Eiweißzufuhr, dabei sind 50 % des Knochenvolumens und ein Drittel der Knochenmasse Proteine, insbesondere in der Form von Kollagen. Trotzdem erreicht fast die Hälfte der über 55-Jährigen in Europa den Zielwert von 1 g/kg KG/Tag nicht.

Medikamentöse Therapie

Bei der medikamentösen Therapie wird zwischen antiresorptiv und osteoanabol wirkenden Medikamenten unterschieden. Unter Ersteren sind vor allem die Bisphosphonate und Denosumab effiziente Präparate. Zudem stellen die menopausale Hormontherapie, vor allem innerhalb der ersten 10 Jahre nach Beginn der Menopause bzw. bis 60 Jahre, und Raloxifen gute Alternativen dar. Bei Denosumab ist zu bedenken, dass es eine dauerhafte 6-monatliche Therapie darstellt und ungeplantes Absetzen zu einem erhöhten Risiko für Wirbelbrüche führen kann, weshalb bei Absetzen eine Alternativtherapie in Betracht gezogen werden sollte. Die osteoanabole Therapie wird vor allem bei sehr hohem Frakturrisiko eingesetzt. Dabei werden vorrangig die Substanzen Teriparatid, Abaloparatid und Romosozumab eingesetzt. Nach der zugelassenen Behandlungsdauer soll eine antiresorptive Therapie fortgesetzt werden. Romosozumab nimmt hierbei eine Sonderstellung ein, da es dual – antiresorptiv und osteoanabol – wirksam ist. Zugelassen ist die Substanz für postmenopausale Frauen mit schwerer Osteoporose und sehr hohem Frakturrisiko. Bei Männern ab 50 mit sehr hohem Frakturrisiko ist Teriparatid das Medikament der ersten Wahl.