Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung. Die Prävalenz steigt mit dem Lebensalter an, insbesondere ab dem 70.Lebensjahr.1 Damit verbunden ist ein steigendes Risiko für Schlaganfälle durch thromboembolische Ereignisse, aber auch für periphere Embolien. Daher ist bei VHF und einem entsprechenden Risiko für systemische Thromboembolien eine adäquate orale Antikoagulation (OAK) indiziert.2, 3 Im Gegenzug ist aber mit der Thromboembolieprophylaxe auch ein Risiko für Blutungen verbunden, das ebenso altersabhängig zunimmt.
Das Alter ist aber nicht der einzige Faktor im Hinblick auf die möglichen Komplikationen einer gerinnungshemmenden Therapie. Die Population der älteren Patient:innen ist sehr heterogen. Wir sehen robuste und fitte Personen sowie jene mit Gebrechlichkeit, Mobilitätsstörungen und erhöhtem Sturzrisiko oder auch multimorbide Patient:innen unter Polypharmazie. Hinzu kommen altersbedingte Abnahmen der Organfunktionen, insbesondere von Herz, Leber und Nieren, wodurch sich auch die Pharmakokinetik vieler Medikamente verändert und das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen steigt.
Mit den nicht-Vitamin-K-antagonistischen oralen Antikoagulanzien (NOAK) stehen seit einigen Jahren neue Präparate zur Verfügung, die sich hinsichtlich des Blutungsrisikos günstiger als Vitamin-K-Antagonisten (VKA) erwiesen, was sich in den Zulassungsstudien gegenüber Warfarin deutlich gezeigt hat. Ein Unterschied zu Phenprocoumon, das in Österreich und Deutschland am häufigsten verwendet wird, kann noch nicht endgültig bewertet werden.4–7 Dennoch besteht nach wie vor gerade bei älteren gebrechlichen Patient:innen mit VHF eine große Zurückhaltung dabei, eine adäquate OAK zu etablieren oder fortzuführen.8, 9 Die gegenwärtigen Guidelines empfehlen klar, NOAK gegenüber VKA zu bevorzugen.10 Auch wenn in den Zulassungsstudien dieses ältere vulnerable Kollektiv an Patient:innen unterrepräsentiert war, zeigten Subgruppenanalysen sowie Auswertungen aus Registerdatenbanken gerade für die neuen Substanzen im Vergleich zu VKA weniger schwerwiegende Blutungen und eine niedrigere Sterblichkeit.11, 12 Zur Minimierung des Blutungsrisikos wird in diesen Patientengruppen auch immer wieder die Möglichkeit der Dosisreduktion der NOAK diskutiert.13, 14 Die unterschiedliche Pharmakokinetik der verschiedenen Substanzen, insbesondere das unterschiedliche Ausmaß der renalen Elimination, dürfte auch dazu beitragen, dass Apixaban und Edoxaban bei älteren Menschen ein günstigeres Sicherheitsprofil als Dabigatran oder Rivaroxaban aufweisen und auch immer wieder für diese Gruppe von Patient:innen bevorzugt empfohlen werden.15, 16 Vor dem Hintergrund der Polypharmazie, wie sie bei älteren Patient:innen häufig besteht, ist auf Interaktionen mit anderen Medikamenten zu achten.
Die 2024 aktualisierten ESC-Leitlinien zur Behandlung von Vorhofflimmern rücken die Bedeutung einer patientenzentrierten und risikoadaptierten Antikoagulation in den Fokus. Sie unterstreichen die Vorteile von NOAK in der Schlaganfallprävention bei VHF und empfehlen deren bevorzugten Einsatz, betonen aber die Bedeutung einer individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung und die Einbindung der Patient:innen in die Therapieentscheidung.17
Eine völlig neue Perspektive in die Diskussion bringt jedoch die FRAIL-AF-Studie18, bei der ältere Patient:innen (über 75 Jahre) mit VHF und Gebrechlichkeit unter einer OAK mit einem VKA in zwei Gruppen randomisiert wurden. Entweder erfolgte (unverblindet) eine Umstellung auf ein NOAK, oder die Thromboembolieprophylaxe wurde mit dem VKA fortgesetzt. Nach einer Zwischenanalyse wurde die Studie vorzeitig abgebrochen, da die Umstellung auf ein NOAK keinen Vorteil hinsichtlich thromboembolischer Ereignisse brachte, jedoch mit einem erhöhten Blutungsrisiko verbunden war. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch ein weniger dramatisches Bild dar: Die Wahl des NOAK in der FRAIL-AF-Studie war weder individualisiert noch randomisiert. Der Unterschied bei den schweren Blutungen ergab sich ausschließlich aus jenen im Gastrointestinaltrakt. Knapp über 50 % der auf NOAK umgestellten Patient:innen erhielten Rivaroxaban, 8,6 % Dabigatran; diese beiden Substanzen dürften aber gerade hinsichtlich der gastrointestinalen Blutungen ein etwas höheres Risiko aufweisen.19 Es gab keine Unterschiede in der Zahl der Hirnblutungen, auch die Gesamtmortalität (6,7 % unter NOAK vs. 7,0%unter VKA) war vergleichbar.
Die Schlussfolgerung, die jedenfalls berechtigt erscheint, ist, dass ältere Patient:innen nach Umstellung auf ein NOAK ein höheres gastrointestinales Blutungsrisiko aufweisen können.20 Bei einem Wechsel ist dies zu berücksichtigen (Aufklärung; Shared Decision-Making) und zu beobachten (adäquates Monitoring; Kontrollen wie in der Tab. dargestellt).
Die wichtigste Erkenntnis bleibt aber, dass gebrechliche ältere Patient:innen mit Vorhofflimmern und einem hohen Schlaganfallrisiko eine Langzeitantikoagulation benötigen.