Beginn einer neuen Ära

Demenz ist ein Syndrom, das durch den fortschreitenden Verlust höherer Hirnleistungen gekennzeichnet ist. Neben der Gedächtnisleistung können Aufmerksamkeit, Sprache, Urteilsvermögen, Orientierung und soziale Kognition betroffen sein. Die häufigste Form ist die Alzheimer-Krankheit, gefolgt von vaskulärer Demenz, frontotemporaler Demenz und Lewy-Body-Demenz.

Diagnostik: Sorgfältige Abklärung ist zentral

Die Diagnose stützt sich auf Eigen- und Außenanamnese. Neuropsychologische Testverfahren objektivieren die kognitive Leistungsfähigkeit: Kurztests wie Six-Item-Screener oder Uhrentest erlauben eine erste Einschätzung, MMSE oder MoCA sind kurze Verfahren zur Evaluation der kognitiven Leistungsfähigkeit, Testbatterien wie CERAD dienen einer differenzierten Evaluierung. MRI und CT ermöglichen über das Erkennen spezifischer Atrophie-Muster eine ätiologische Zuordnung.

Der Nachweis eines Alzheimer-Biomarkerprofils (Amyloid-b, Tau-Proteine) im Liquor sichert die Diagnose. Die Biomarkerdiagnostik aus dem Blut ist noch nicht in der Routine etabliert, gute Ergebnisse liefert die Bestimmung des phosphorylierten Tau-Proteins 217. Die Korrelation mit Liquor-Biomarkern ist hoch. pTau217 hilft auch, zwischen verschiedenen Demenzformen zu diskriminieren. Nuklearmedizinische Verfahren erlauben das Erkennen von typischen Stoffwechselmustern (SPECT, PET) oder Amyloid-Ablagerungen (PET). Die Differenzialdiagnostik lässt behandelbare Ursachen wie Vitaminmangel, Schilddrüsenerkrankungen, Depression oder Normaldruckhydrozephalus erkennen.

Therapie: Symptomkontrolle und neue Hoffnung

Bei Alzheimer-Demenz werden in leicht- mittelschweren Stadien Acetylcholinesterase-Hemmer (Donepezil, Galantamin, Rivastigmin) zur Verbesserung von kognitiven Fähigkeiten und Alltagskompetenz eingesetzt. Für mittlere und schwere Stadien ist der NMDA-Antagonist Memantin zugelassen, der eine glutamatbedingte Neurotoxizität hemmt. Diese Substanzen verzögern das Fortschreiten um einige Monate. Unerwünschte Wirkungen wie gastrointestinale Beschwerden, Appetitlosigkeit, Schwindel und Bradykardie sind bei Acetylcholinesterase-Hemmern zu beachten, Memantin gilt als gut verträglich. Ginkgo biloba EGb 761 kann zur Behandlung der Kognition und Alltagsfunktionen bei leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz oder vaskulärer Demenz mit nichtpsychotischen Verhaltenssymptomen eingesetzt werden.

Verhaltenssymptome wie Unruhe, Aggressivität, Apathie, Angst, Depression oder Halluzinationen sind im Verlauf häufig und belasten Betroffene und Angehörige. Die Behandlung erfordert eine Abwägung von Nutzen und Risiko: Depressive Symptome werden bevorzugt mit SSRI (z. B. Sertralin, Citalopram) behandelt, Psychosen und Unruhe können niedrig dosierte atypische Neuroleptika (z. B. Risperidon, Quetiapin) erforderlich machen. Melatonin stellt eine risikoarme Option zur Behandlung von Schlafstörungen dar.

Zur Stabilisierung der Kognition und Verbesserung von Wohlbefinden und Lebensqualität tragen nichtmedikamentöse Verfahren bei:

  • kognitive Aktivierung: Gedächtnistraining, Biografiearbeit, Orientierungsübungen
  • Ergotherapie zur Förderung alltagspraktischer Fähigkeiten
  • Logopädie bei Sprach- oder Schluckstörungen
  • Physiotherapie zur Sturzprävention und Förderung der Mobilität
  • Kunst- und Musiktherapie zur emotionalen Stimulation
  • Validation (N. Feil) oder personenzentrierte Pflege (T. Kitwood) als Kommunikationstechniken zur Deeskalation und Förderung eines wertschätzenden Umgangs
  • Licht- und Bewegungstherapie zur Verbesserung des Schlaf-wach-Rhythmus
  • soziale Unterstützung: Tagespflege, Angehörigenberatung, Selbsthilfegruppen

Diese Maßnahmen sollten individuell angepasst, regelmäßig evaluiert und frühzeitig eingeleitet werden.

Neue Therapieoption: der monoklonale Antikörper Lecanemab

Ein Meilenstein in der Alzheimer-Therapie ist die EMA-Zulassung des monoklonalen Antikörpers Lecanemab (gegen Amyloid-b) mit April 2025. Diese Therapie zielt auf die Pathophysiologie der Erkrankung: Die Amyloid-Hypothese besagt, dass die Anhäufung von Amyloid-b im Gehirn bei der Alzheimer-Demenz der erste Schritt einer Kaskade ist, die zum Absterben von Nervenzellen und klinischen Symptomen führt. Lecanemab bindet an lösliche Amyloid-b-Oligomere und ermöglicht deren Abbau. Die Zulassungsstudie zeigte im Zeitraum von 18 Monaten eine signifikante Reduktion der Amyloid-Last im Gehirn und eine Verlangsamung des kognitiven Abbaus.

Wirksamkeit und Limitationen:

  • moderater Effekt bei früher Alzheimer-Demenz
  • keine Heilung, Verzögerung des Fortschreitens um ca. 6 Monate im Vergleich zu Placebo
  • potenzielle Nebenwirkungen: ARIA (Amyloid-related Imaging Abnormalities) treten in Form von Hirnödemen (ARIA-E, 12,6 %) oder Mikroblutungen (ARIA-H, 17,3 %) auf. Besonders gefährdet sind Patient:innen mit genetischer Prädisposition (APOE e4 homozygot)
  • aufwändiges Therapieregime: i. v. Gabe alle zwei Wochen, regelmäßige MRT-Kontrollen

Lecanemab markiert den Beginn einer krankheitsmodifizierenden Ära der Alzheimer-Therapie, allerdings nur für selektionierte Patient:innen in frühen Stadien. Die Aufklärung zur Früherkennung muss intensiviert werden, ein Ausbau der Versorgungsstrukturen ist erforderlich. Die „neue Ära“ ist ein vielversprechender Anfang – ein Durchbruch im Sinne einer Heilung ist allerdings nicht in Sicht.