Diabetes smart behandeln

Insulinpumpen zur kontinuierlichen Insulinabgabe und Sensoren zur Glukosemessung haben sich sowohl im pädiatrischen Bereich als auch in der Betreuung von Erwachsenen im Vergleich zur Basis-Bolus-Therapie mittels Insulinpens und kapillären Blutzuckermessungen als zielführend und effektiv erwiesen.

Gamechanger CGM

Ein Meilenstein in der Diabetestechnologie war die Entwicklung der kontinuierlichen Glukosemessung (Continuous Glucose Monitoring; CGM). Darunter versteht man die Messung der Glukose im Subkutangewebe alle 1–15 min mittels eines trans- oder subkutanen Sensors. Die Zeitverzögerung zum Blutzucker (Echtzeitglukose) beträgt je nach Messsystem ca. 10–20 min, wird aber durch die aktuelle Sensor-Messtechnologie nahezu ausgeglichen, sodass Sensormessungen direkt herangezogen werden können, um Therapieentscheidungen zu treffen. Dabei kommt der Interpretation der Daten, die sich aus dem Upload der medizinisch-technischen Geräte ergibt, eine immer größere Bedeutung zu. Die Umsetzung eines Therapiekonzeptes ist ohne die systematische Aufbereitung der Daten nicht nachvollziehbar und eine Anpassung nahezu unmöglich. Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass eine wissenschaftliche Grundlage (ATTD Consensus) geschaffen wurde, welche die Beurteilung der glykämischen Parameter auf Basis der neuesten Studiendaten strukturiert zulässt. Die Anbieter medizinischer Geräte haben in der Gestaltung der Berichte, generiert aus den Uploads, bereits erfreulicherweise darauf reagiert.

Mit der weiten Verbreitung von CGM-Systemen stehen heute deutlich mehr Glukosedaten zur Verfügung als bei der konventionellen Blutzuckermessung. Der Parameter Time in Range (TIR), also der Anteil der Zeit mit Glukosewerten zwischen 70 mg/dl und 180 mg/dl, hat daher als ergänzende Messgröße neben dem HbA1c an Bedeutung gewonnen (Abb.).

Abb.: Glykämische Variabilität in den CGM-Messungen und Zeit im Zielbereich bei verschiedenen Personen mit Diabetes mellitus und einem HbA1c-Wert von 7 %.

Auch Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 können mit CGM-Daten effektiv betreut werden. Sie eignen sich für Diagnostik, Therapiekontrolle oder Erweiterung. Der wissenschaftliche Beweis dafür ist im Fluss, die Datenlage hat sich in den letzten Jahren bereits deutlich verbessert.

Datenaufbereitung und Interpretation

Die standardisierte Dateninterpretation trägt dazu bei, Änderungen der Glukosekontrolle zu erkennen, daraus Schlüsse für notwendige Therapieanpassungen zu ziehen und eine vergleichbare Dokumentation zu schaffen. So können Therapieerfolge belegt und notwendige Therapieerweiterungen begründet werden.

Zur Beurteilung der glykämischen Kontrolle wird das standardisierte 24-h-Glukosesensorprofil (= Ambulatory Glucose Profile; AGP) herangezogen. Um die Daten aus dem AGP suffizient beurteilen zu können, müssen folgende Voraussetzungen geprüft werden:

  • Anzahl der Tage, an denen CGM verwendet wurde (Empfehlung: 14 Tage)
  • Zeit in Prozent, in der CGM aktiv verwendet wurde (Empfehlung: 70 % verfügbare Daten innerhalb von 14 Tagen)

Das AGP eignet sich hervorragend zur Einschätzung der glykämischen Kontrolle, ermöglicht eine standardisierte Dokumentation und zeigt Probleme auf, die im Detail verfolgt werden können.

FIT: funktionelle Insulintherapie mit Smartpen-Systemen

Die funktionelle Insulintherapie bei Menschen mit Typ-1-Diabetes steht als Therapieform außer Diskussion. Neue Smartpen-Systeme erleichtern den Alltag unter anderem durch Bolus-Rechner, aber auch durch die exakte Dokumentation, die sowohl den Anwender:innen wie auch den Behandler:innen die Anpassung besser ermöglichen.

Closed Loop ist Realität geworden

Mittlerweile stehen uns sogenannte Automated-Insulin-Delivery-(AID-)Systeme zur Verfügung. Diese Systeme verbinden derzeit die am weitesten fortgeschrittene Technologie. Bei komplexeren automatisierten Insulinpumpen/CGM-Systemen, auch als „künstliche Bauchspeicheldrüse“, „Automated-Insulin Delivery-(AID-)Systeme“, „Hybrid-Closed-Loop-(HCL-)Systeme“ bezeichnet, reguliert ein Algorithmus alle paar Minuten automatisch die Insulinzufuhr über die Pumpe unter Berücksichtigung der aktuellen und vergangenen sensorgenerierten Glukoseverläufe. Im Vergleich zur Standardtherapie (Pumpe/Pen mit CGM) ist der Einsatz von AID-Systemen verbunden mit einer erhöhten TIR sowie reduzierter Hyperglykämie- und Hypoglykämiehäufigkeit bei gleichzeitig moderater Reduktion der HbA1c-Werte. National und international wird der Einsatz von AID-Systemen bei Menschen mit Typ-1-Diabetes von Beginn an mit dem höchsten Evidenzgrad empfohlen. Klar bleibt, dass individuelle Spielräume im Sinne einer personalisierten Therapie gegeben sein müssen.

Praxismemo

  1. Messungen von CGM-Systemen können direkt zu Therapieentscheidungen herangezogen werden.
  2. Das Ambulatory Glucose Profile eignet sich hervorragend zur Einschätzung der glykämischen Kontrolle.
  3. AID-Systeme sind die fortschrittlichste Technologie und bei Typ-1-Diabetes von Beginn an empfohlen.