Eisenmangel: Welche Therapie für welchen Patienten?

Warum wird die Eisenmangeltherapie, trotz zahlreicher Substitutionspräparate in der Praxis häufig zur Herausforderung?

Dr. Anke Gasche: Ein Eisenmangel kann grundsätzlich verschiedene Ursachen haben (Tab.). In der Regel handelt es sich dabei um ein Missverhältnis zwischen Eisenaufnahme und Eisenverlust beziehungsweise erhöhtem Eisenverbrauch – also einer negativen Eisenbilanz. Üblicherweise erfolgt die Therapie des leichten Eisenmangels mit oraler Substitution.
Der Vorteil einer oralen Eisensubstitutionstherapie bei Eisenmangel liegt sicherlich in der einfachen Verschreibung für Ärzte und der einfachen Einnahme für die Patienten. Ein Grundproblem der oralen Eisenpräparate ist aber ihre geringe Bioverfügbarkeit. In der Regel wird nämlich nur ein kleiner Prozentsatz – circa 10 Prozent – im Körper aufgenommen; der Rest verbleibt im Darmlumen und verlässt den Verdauungstrakt über den Stuhl. Das ist der Grund für die bekannten, unerwünschten gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Obstipation, Übelkeit, Bauchschmerzen, selten auch Diarrhö, um nur einige zu nennen.

 

 

Was empfehlen Sie, um Nebenwirkungen der oralen Therapie zu vermeiden oder möglichst gering zu halten?

Am österreichischen Markt stehen zahlreiche sogenannte Slow-Release-Eisenpräparate zur Verfügung. Objektiv mögen diese aufgrund der verzögerten Eisenfreisetzung magenschonend wirken, da sie aber aufgrund ihrer Galenik im unteren Dünndarm oder im Dickdarm aufgelöst werden, steht das therapeutische Eisen erst im Colon zur Verfügung. Dort findet jedoch keine Eisenaufnahme mehr statt, die Eisenresorption erfolgt überwiegend im Duodenum. Das bedeutet: Was im Magen nicht freigesetzt wird, kann im Duodenum auch nicht aufgenommen werden. Oft enthalten diese Slow-Release-Medikamente hohe Eisenmengen mit bis zu über 100 mg pro Tablette, wodurch die luminale Eisenbelastung noch weiter steigt und somit auch das gastrointestinale Nebenwirkungspotenzial. Aus meiner Sicht sind Slow-Release-Eisenpräparate daher abzulehnen.

Welche besseren Alternativen gibt es?

Eine positive Entwicklung der letzten Jahre sind Präparate mit hoher Bioverfügbarkeit, die bereits bei niedriger Dosierung effektiv sind. Einige dieser neuen Medikamente sind in der Zulassung und Verschreibbarkeit jedoch noch sehr eingeschränkt, zum Beispiel Eisen(III)-Maltol 30 mg). Neu auf den Markt finden sich auch einige Nahrungsergänzungsmittel, die bis zu 30 mg Eisen enthalten und von vielen Patienten gut toleriert werden (zum Beispiel sucrosomales Eisen).
Zu uns in die Ordination Loha for Life, dem Medizinischen Kompetenzzentrum für Eisenmangel und Gastroenterologie, kommen überwiegend Patienten mit teilweise jahrelanger Einnahme diverser oraler Eisenpräparate, Patienten, die unter laufender oraler Therapie keinen Anstieg ihrer Eisenwerte erreichen konnten oder solche, die aufgrund ihrer gastrointestinalen Beschwerden eine orale Einnahme nicht durchführen konnten.
Wir haben die interessante Beobachtung gemacht, dass jene Patienten, die uns aus Spitälern zugewiesen werden, oft Slow-Release-Eisenpräparate erhalten haben. Patienten, die aus dem niedergelassenen Bereich geschickt werden, wurden eher mit Substanzen aus der Gruppe der Nahrungsergänzungsmittel vorbehandelt.

Für welche Patienten ist die orale Substitutionstherapie nicht angezeigt?
Es ist verständlich, dass Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen nicht mit oralen Eisenpräparaten therapiert werden sollten, da das luminal verbleibende Eisen eine Verschlechterung der Entzündung triggern kann. Ebenfalls relevant ist die Verstärkung der Verdauungsbeschwerden bei Patienten mit Reizdarmsyndrom. Hier spielt die Interaktion des luminalen Eisenangebots mit der Darmmikrobiota eine entscheidende Rolle. Eisen ist nicht nur für uns Menschen essenziell, sondern auch für unsere Darmbakterien.

In welchen Situationen ist die intravenöse der oralen Therapie vorzuziehen?
Sollte die orale Substitutionstherapie aufgrund gastrointestinaler Beschwerden, des Vorliegens einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, eines Nichtansteigens der Eisenwerte über zwei bis drei Monate, eines erhöhten Eisenverbrauchs, des Vorliegens einer Eisenaufnahmestörung oder einer chronisch entzündlichen Erkrankung nicht möglich beziehungsweise nicht zielführend sein, empfehlen wir einen Umstieg zur intravenösen Eisentherapie. Diese ist eine sehr gute und sichere Möglichkeit, in kurzer Zeit und nebenwirkungsarm den Eisenmangel oder seine Komplikation, die Eisenmangelanämie, zu beheben und damit die Lebensqualität der Patienten in kurzer Zeit zu steigern. Da der Verdauungstrakt durch eine Infusion umgangen wird, gelangt das Eisen direkt dorthin, wo es wirksam werden soll, nämlich in die Zirkulation und somit in alle Organsysteme.

Worauf empfehlen Sie zu achten, wenn die intravenöse Eisentherapie beim niedergelassenen Arzt durchgeführt wird?

Vor jeder intravenösen Eisentherapie muss ein ärztliches Gespräch erfolgen. Der behandelnde Arzt bekommt so einen guten Überblick über das Vorliegen möglicher Erkrankungen, die zum Auftreten eines Eisenmangels oder auch einer Eisenmangelanämie geführt haben, sowie über die bereits erfolgte orale Eisensubstitution und ihrer Verträglichkeit. Gemeinsam mit dem Patienten wird anhand der Befunde die Ursache des Eisenmangels beziehungsweise der Eisenmangelanämie besprochen sowie deren Therapieoptionen. Da verschiedene intravenöse Eisenpräparate in Österreich am Markt sind, wie Eisen-Saccharose, Eisen-Carboxymaltose, Eisen-Isomaltosid, gilt es das optimale Medikament für den Patienten zu identifizieren. Eine Aufklärung über die individuelle intravenöse Eisentherapie, ihre Dosierung in Abhängigkeit von Labor und Körpergewicht sowie mögliche Nebenwirkungen ist selbstverständlich. Weiterführende nichtinvasive Diagnostik zur Abklärung einer möglichen Eisenresorptionsstörung oder eines versteckten gastrointestinalen Blutverlustes ist bei uns ebenfalls Teil des Erstgesprächs. Wichtig ist für Patienten zu wissen, dass der Eisenmangel in vielen Fällen ein wiederkehrendes Problem ist, beispielsweise bei stark menstruierenden Frauen. Während der intravenösen Eisengabe werden die Patienten in unserer Ordination von einer Diplomierten Krankenschwester überwacht, um im Fall einer seltenen Nebenwirkung rasch eingreifen zu können. Auch eine Nachbeobachtung nach erfolgter intravenöser Eisengabe wird durchgeführt.

Aus Ihrer Erfahrung: Hinter welchen klinischen Zeichen kann auch ein Eisenmangel stecken?

Eisenmangelsymptome sind leider oft unspezifisch. Hellhörig sollte man bei Müdigkeit und Abgeschlagenheit werden. Aber auch Beschwerden wie das Restless-Legs-Syndrom, Schwindel, Kopfschmerz, Kurzatmigkeit lassen aufhorchen und an einen Eisenmangel oder an seine Komplikation, die Eisenmangelanämie, denken. Wichtig zu wissen ist, dass ein Eisenmangel allein bereits neurologische Beschwerden machen kann, dazu braucht es die Anämie nicht. Die alte medizinische Mär, die besagt, dass ein Eisenmangel ohne Anämie keine Symptome hervorrufen kann, wurde mittlerweile in mehreren Studien, zum Beispiel der PREFER-Studie, widerlegt.

Welche Laborwerte neben Ferritin und Transferrin sollten bei der diagnostischen Abklärung bestimmt werden?

Eine einfache Laboruntersuchung mit komplettem Blutbild, Ferritin, Transferrinsättigung, Transferrin und CRP ist für die Basisdiagnose eines Eisenmangels unerlässlich. Ein hohes CRP kann fälschlich einen hohen Ferritinwert verursachen. Ebenso bedeutet ein hoher CRP-Wert, dass Eisen oral schlecht resorbiert wird. Weiterführende Labordiagnostik beinhaltet den Ausschluss von Resorptionsstörungen (Zöliakie, A-Gastritis), aber auch Stuhltests auf okkultes Blut und Helicobacter pylori können zielführend sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Wissenswertes für die Praxis
  • Eisenmangel bedeutet negative Eisenbilanz.
  • Keine Slow-Release-Eisenpräparate verwenden!
  • Umstieg auf intravenöse Eisentherapie bei oraler Unverträglichkeit, Eisenresorptionsstörung, CED, Reizdarm oder hohem Eisenverlust
  • Mit einer intravenösen Eisentherapie nicht abwarten, bis eine Eisenmangelanämie vorliegt, sondern bereits bei symptomatischem Eisenmangel ohne Anämie substituieren.