Hepatitis C: Risikopatienten erkennen und testen

Im vergangenen Jahrzehnt hat sich die Effektivität der verfügbaren Hepatitis-C-Therapien stetig verbessert, bei gleichzeitiger Reduktion der Nebenwirkungen, sodass heute eine sehr nebenwirkungsarme Behandlung mit nahezu 100-prozentiger Heilungschance zur Verfügung steht.1 Bleibt also nur noch, allen Betroffenen diese Therapie zukommen zu lassen. Da viele Infektionen klinisch stumm verlaufen, liegt genau darin die Herausforderung.
Haben Sie Piercings oder Tätowierungen? Üben Sie risikoreiche Sexualpraktiken aus? Konsumieren Sie Drogen? Das sind nur einige der unbequemen Fragen, die helfen, Risikopatienten zu identifizieren. Weitere Hinweise auf ein Hepatitis-C-Virus (HCV), die eine Testung veranlassen können, sind erhöhte Leberwerte (insbesondere Trans-aminasen), Status post Blut- oder Organtransplantationen vor 1991, Migrationshintergrund aus Gebieten mit erhöhter HCV-Infektionsrate (Asien, Afrika, Mittelmeerraum, Osteuropa, Südamerika) sowie das Zusammenleben von Personen mit bekannter Hepatitis-C-Infektion im selben Haushalt.2
Allgemeinmedizinern, die ihre Patienten und deren Familien oftmals über viele Jahre hinweg begleiten und gute Kenntnis über deren Lebensstil haben, fällt bei der Identifikation von Risikopatienten eine besondere Rolle zu. Laut Leitlinien sollen aber nicht nur Risikopatienten getestet werden, sondern auch jene mit unspezifischer Symptomatik; dazu zählen Fatigue, Gliederschmerzen, Übelkeit, Ikterus, dunkler Harn, heller Stuhl und Pruritus.2

Therapie für alle

Eine unbehandelte Hepatitis C kann durch die Schädigung der Leber zu Fibrose und Zirrhose bis hin zur Entstehung eines Leberzellkarzinoms führen.2 Prinzipiell besteht bei jeder chronischen Hepatitis C (definiert als 6 Monate oder länger) die Indikation zur antiviralen Therapie.2
In der neuen Leitlinie der European Association for the Study of the Liver (EASL) wird empfohlen, alle Personen mit akuter und chronischer Hepatitis C zu behandeln. Eine dringliche Behandlung ist unter anderem bei einem hohen Transmissionsrisiko wie i. v. Drogengebraucher und risikoreichen Sexpraktiken durchzuführen. Lediglich bei eingeschränkter Lebenserwartung sieht die EASL keine Indikation zur Therapie.3
Die aktuell zur Verfügung stehenden Medikamente werden täglich oral verabreicht, mit einer Behandlungsdauer von acht bis sechzehn Wochen.2


Literatur:

  1. Ferrante JM et al., Fam Med 2008; 40:345–51
  2. Sarrazin C et al., S3-Leitlinie „Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-C-Virus(HCV)-Infektion“. Z Gastroenterol 2018; 56:756–838
  3. www.hepatitisandmore.de/aktuell/2020-09/hepatitis-c.shtml

KOMMENTAR | Hepatitis C und Covid-19

Ao. Univ.-Prof. Dr. Petra Munda
Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien

Prinzipiell gelten Hepatitis-C-Patienten weder als Risikogruppe für eine SARS-CoV-2-Infektion noch für einen schwereren Verlauf der COVID-19-Erkrankung. Wenn allerdings eine Leberzirrhose (auch durch andere Ursachen) vorliegt, ist das Infektionsrisiko möglicherweise erhöht, und die Erkrankung kann schwerer verlaufen. Die Daten hierzu sind jedoch nicht sehr aussagekräftig.

Eine geplante Therapie der Hepatitis C sollte auch derzeit keinesfalls aufgeschoben werden, und eine bereits laufende Therapie sollte unbedingt zu Ende geführt werden. Da die Therapiedauer heutzutage sehr kurz ist und die Bewilligung der Medikamente elektronisch erfolgen kann, ist das auch in der Praxis relativ leicht durchzuführen.
Weiterhin gilt zudem, dass dem Allgemeinmediziner eine sehr wichtige Rolle bei der Identifikation von Patienten mit Hepatitis C zukommt. Die neu diagnostizierten und/oder unbehandelten Patienten sollen auch während der Pandemie an hepatologische Zentren überwiesen werden. Angesichts der zum Teil reduzierten Patientenzahl in den Spezialambulanzen kann es zwar zu längeren Wartezeiten kommen, es ist aber wichtig, dass der Patient einmal an das spezialisierte Zentrum zugewiesen und dort untersucht wird. Ob die Therapie dann innerhalb einer Woche oder erst in drei Monaten begonnen wird, ist angesichts des zumeist jahrzehntelangen Krankheitsverlaufes der Hepatitis C von untergeordneter Bedeutung.