In 5 Minuten: genaue Differenzierung von Handgelenkschmerzen

Vor jeder körperlichen Untersuchung sollte eine ausführliche Anamnese durchgeführt werden. In Bezug auf das Handgelenk sind vor allem vorangegangene Traumata, internistische Begleiterkrankungen (Stoffwechselerkrankungen, Autoimmunerkrankungen usw.) oder auch mögliche Überbelastungen wichtig. Auch die Frage nach Schmerzen an anderen Stellen des Bewegungsapparates ist oft hilfreich. Sollten Bildgebung oder Behandlung bereits zuvor durchgeführt worden sein, kann dies weitere Hinweise auf die Schmerzursache bieten. Bei der klinischen Untersuchung spielt vor allem die Palpation eine große Rolle. Durch eine der Untersuchung des Handgelenkes vorangehende Palpation von Unterarmmuskulatur, Ellbogen, Schulter und Wirbelsäule können ausstrahlende Pathologien zumeist ausgeschlossen werden.

Standardisierte Untersuchung: die wichtigsten Pathologien in 5 Minuten

Anamnese:

  • Traumata
  • internistische Erkrankung
  • Überbelastung
  • Schmerzen an anderen Stellen des Bewegungsapparats

Klinische Untersuchung:

  • Palpation
  • Provokationstests
  • funktionelle Tests

Untersuchungsrundgang am Handgelenk

Es wird hier empfohlen, die Untersuchung immer gleich von radial über dorsal nach ulnar und palmar durchzuführen, um die Reproduzierbarkeit zu gewährleisten. Zum Vergleich sollten die Tests jeweils auch auf der Gegenseite durchgeführt werden.

Zu Beginn der Untersuchung sollte das Bewegungsausmaß des Handgelenkes im Seitenvergleich getestet werden (dorsal-volar und radial-ulnar). Auch eine Instabilität kann hier durch ein gegeneinander Verschieben von Carpus und Radius dorsal-volar erkannt werden. Beginnend im radialen Handgelenk gibt die Palpation des Processus styloideus radii Hinweise auf eine Styloiditis (Abb. 1, Punkt 1).

Sehr oft tritt diese zusammen mit einer Tendovaginitis de Quervain auf. Typisch sind hier der Schmerz im Bereich des ersten Strecksehnenfaches sowie der positive Finkelstein-Test (Ulnarduktion und Flexion des Daumens führt zu Schmerzen radial im Sehnenverlauf, Abb. 2). Weiters treten Sehnenscheidenhygrome oder Ganglien radiodorsal gehäuft auf.

Etwas distal radiodorsal kommt es bei STT-Arthrosen (Arthrose im Übergang von Kahnbein zu großem und kleinem Vieleckbein) zu typischen Schmerzen bei Palpation. Auch im radial-dorsalen Gelenkbereich kann neben dem Tuberculum listeri das 3. Strecksehnenfach ertastet werden (Abb. 1, Punkt 2). Hier kann eine Stenose der Sehne des Extensor pollicis longus vorliegen, die sogar zu Rupturen selbiger führen kann (nach Radiusfrakturen gehäuft). Auch weiter ulnar lassen sich Tendovaginitiden der Extensorensehnen ertasten, und ein Schmerz kann durch Dehnung in Flexionsstellung ausgelöst werden. Oft ist dies durch ein „carpal bossing“ verursacht – hier liegt ein knöcherner Höcker im Bereich des Os capitatum vor, der die Strecksehnen überlastet/reizt.

Schmerzen bei Dorsalflexion können ein Hinweis auf ein Radiusdach-Impingement oder auf eine radiokarpale Arthrose sein (Abb. 1, Punkt 4). Schmerzen im Bereich des skapholunären Bandes (SL-Band) zeigen sich bei frischen oder chronischen Rupturen desselben und haben eine hohe klinische Bedeutung (Abb. 1, Punkt 3). Gerade bei frischen Rupturen sollte hier gegebenenfalls eine sehr zeitnahe chirurgische Behandlung erfolgen. Der Watson-Test kann eine Instabilität des SL-Bandes aufzeigen. Dabei wird mit dem Daumen auf das distal-palmar gelegene Tuberkel des Kahnbeines gedrückt und gleichzeitig das Handgelenk passiv von radial nach ulnar geführt. Bei einem höhergradigen Schaden des SL-Bandes kommt es zu einem fühlbaren „Schnappen“ des proximalen Kahnbeinpoles (Subluxation) während der Radialduktion.

Im ulnaren Gelenkbereich kann bei Palpation des ulnokarpalen Gelenkspaltes eine Arthrose vorliegen und mit dem Stabilitätstest (Verschieben von Radius und Ulna gegeneinander dorsal-volar) eine Gelenkinstabilität vor allem im Seitenvergleich erkannt werden (Abb. 1, Punkt 5; Abb. 4). Vor allem bei ulnar-dorsaler Bewegung des Handgelenkes (Triangulärer-fibrokartilaginärer-Komplex-[TFCC-]Provokationstest) kann es bei einer TFCC-Läsion zu Schmerzen kommen (Abb. 1, Punkt 6).

An der Handinnenseite: Weiter nach volar ziehend kann eine Schmerzhaftigkeit des Os pisiforme bei dorsalem Anpressen Hinweis auf eine Arthrose zwischen Os pisiforme und ­Os triquetrum sein (Abb. 4). Zieht der Schmerz der Sehne des Musculus flexor carpi nach proximal entlang, ist eine Tendovaginitis selbiger Sehne wahrscheinlich. Schmerzhaftigkeit im Bereich des Karpaltunnels sowie ein positives Phalen-Zeichen (Flexion Handgelenk und vermehrte sensible Defizite der radialen drei Finger) können ein Hinweis auf ein Karpaltunnelsyndrom sein. Ein etwas distal gelegener Schmerzpunkt direkt über dem Mondbein kann auf eine Lunatummalazie (Morbus Kienböck) hinweisen. Schmerzen der Flexorensehnen (Tendovaginitis der Flexorensehnen, vor allem bei Extension) oder auch Arthroseschmerzen im Gelenkspalt können von volar bei Palpation ausgelöst werden. Im Bereich des radialen volaren Handgelenkes sind eine Tendinopathie der Sehne des M. opponens sowie auch ausstrahlende Schmerzen des Daumensattelgelenkes (Grind-Test: mahlende Bewegung unter Kompression selbigen Gelenkes) häufig. Etwas proximal-radial davon befindet sich eine typische Lokalisation bei Handgelenkganglien – sehr häufig in enger Lagebeziehung zur Arteria radialis (pulsierendes Ganglion).

Wissenswertes für die Praxis
  • Die Konsequenz der diagnostizierten Pathologie ist oft sehr weitreichend.
  • Die Optionen reichen von Vermeidung der Überlastungen über orale antiphlogistische Behandlung bis hin zu zeitnah notwendigen Operationen, um weitere Schädigungen zu vermeiden (z. B. Operationen bei SL-Band-Instabilität, Lunatummalazie, EPL-Sehnenstenose usw.).
  • In kurzer Zeit und in nur wenigen diagnostischen Schritten kann Klarheit über die Schmerzursache erlangt werden.