Chronischer oder akuter Husten – eine Zeitfrage

Wann geht akut in chronisch über?

Aus einem harmlosen Erkältungshusten kann tatsächlich eine chronische Erkrankung werden. Schuld daran sind die langwierige Entzündung der Schleimhäute und die daraus resultierende humorale Immunreaktion. Die dabei freigesetzten Proteasen zerstören ihrerseits Epithelzellen, fibrinolytische Veränderungen an der Bronchialwand engen außerdem die Atemwege zunehmend ein. Diese morphologischen Veränderungen bedingen Husten und Auswurf, aber auch starke Atemnot.

Rechtzeitige Behandlung verhindert Chronifizierung

Um diesen befürchteten Abwärtstrend zu verhindern, reichen im Normalfall die richtige Behandlung zur richtigen Zeit sowie der Verzicht auf Zigaretten. Wesentlich dabei ist, das produzierte Bronchialsekret möglichst immer im Fluss zu halten. Dass Mukolytika einen Beitrag zur Elimination des Sekrets leisten und sich positiv auf die entzündlichen Prozesse auswirken, gilt nicht nur für die akute Bronchitis, sondern steht sogar in den internationalen Leitlinien zur COPD-Therapie. In einem Cochrane Review aus dem Jahr 2010 wurden 28 Studien mit über 7.000 COPD-Patienten ausgewertet. Das Ergebnis hat gezeigt, dass Sekretolytika wie Ambroxol und Acetylcystein sowie pflanzliche Arzneimittel in der Lage sind, akute Exazerbationen um bis zu 25 % zu reduzieren. Ambroxol hemmt beispielsweise die Phospholipase A2, das Schlüsselenzym des Arachidonsäurezyklus, und wirkt daher auch antientzündlich über eine Verringerung der Freisetzung von proinflammatorischen Leukotrienen. Gleichzeitig scheint Ambroxol Mediatoren wie Lipoxin A4, das als entzündungsbeendender Botenstoff gilt, zu stimulieren. Durch dieses Multi-Target-Wirkprinzip wird auch der Einsatz bei chronischer Bronchitis gerechtfertigt.

Behandlung: symptomatisch oder kausal?

Während ein akuter Erkältungshusten immer symptomatisch behandelt wird, wobei eben an erster Stelle Mukolytika stehen, sollte ein chronischer Husten immer kausal behandelt werden. Nur wenn dies nicht möglich ist oder es bis zur Linderung der Symptomatik zu lange dauert, ist eine antitussive Therapie gerechtfertigt. Dabei sind – im Gegensatz zum akuten Erkältungshusten – zentral wirksame Antitussiva eine gute Wahl. Interessanterweise konnte nämlich nachgewiesen werden, dass der vom Kunden so geschätzte Einsatz von Codein bei banalen Virusinfektionen keine bessere Hustendämpfung als ein Placebo erzielen konnte.1

Trockener Husten – Symptom mit vielen Ursachen

Beim trockenen Reizhusten ist die Unterscheidung zwischen akut und chronisch besonders schwierig. Hier wird die genannte 2-Wochen-Zeitschiene auch relativ leicht überschritten. Auf der chronischen Ursachenliste stehen neben Asthma bronchiale, gastroösophagealer Refluxkrankheit und Postnasal-Drip-Syndrom auch der medikamentenbedingte, v. a. durch ACE-Hemmer ausgelöste Husten. Demgegenüber stehen jedoch auch viral bedingte akute Auslöser wie Pharyngitis und Laryngitis. Gerade die Kehlkopfwand ist eine der Hauptreflexstellen für Reizhusten. Kunden, die über trockenen Reizhusten klagen, sollten daher nicht nur mit Hustensäften versorgt werden, sondern auch mit entzündungshemmenden NSAR. 
Jede Entzündung hinterlässt nämlich Spuren an der Schleimhaut; das Epithel wird abgeschilfert und permeabler. Hustenrezeptoren, Nervenendigungen der C-Fasern, werden freigelegt und damit leichter reizbar. Entzündungsmediatoren wie Prostaglandin E2 und F2α, Leukotriene oder Bradykinin haben dann leichtes Spiel. Pflanzliche Wirkstoffe können hier nicht nur die Entzündung im Hals-Rachen-Raum lindern, sondern auch die Selbstheilungskräfte des Körpers anregen.

Postnasal Drip (PND)

Während in den USA der PND als eine der wichtigsten Ursachen des akuten und chronischen Hustens gilt, wird dieses Symptom bei uns noch gerne übersehen. Das Herabfließen von Sekreten aus der Nase und den Nebenhöhlen entlang der Rachenhinterwand scheint allerdings zu einer chemischen Reizung der Schleimhaut durch die im Schleim enthaltenen Entzündungsmediatoren zu führen. Der trockene Husten kann daher seinen Ursprung nicht nur in den Bronchien, sondern auch, bedingt durch Schnupfen oder Sinusitis, auch im Rachenbereich haben. Dies macht klar, warum gerade bei unproduktivem Reizhusten auch Pflanzenkombinationen, die den Sekretabflusses erleichtern, eine gute Empfehlung sind.

Gabapentin bei chronischem Husten

Einen neuen Therapieansatz bei chronischem Husten könnte das Antiepileptikum Gabapentin bieten. In einer Studie wurde chronischer, therapierefraktärer Husten, der nicht durch einen Infekt verursacht wurde und nicht medikamentös bedingt war, mit Gabapentin behandelt. Da ja auch bei Patienten mit neuropathischen Schmerzen der Neuromodulator Gabapentin mit Erfolg eingesetzt wird, vermutet man, dass der Wirkstoff die zentrale Sensibilisierung als Ursache für den chronischen Husten, beseitigen könnte.2

 

Dieses Buch ist im österreichischen Buchhandel
erhältlich.
ISBN: 978-3-950-14464-2

 

 

Literatur:
1 Dicpinigaitis PV, British J of Pharmacology, 163:116–124, 2011
2 Ryan NM et al., The Lancet, 380:1540–1541, 2012