Die grauen Zellen in Schwung halten

Wer im Erwachsenenalter seine geistigen Fähigkeiten in Schwung halten will, braucht nicht nur die tägliche Anforderung selbst. Vor allem neue Herausforderungen für die grauen Zellen bewähren sich Wissenschaftern zu Folge. Das Kreuzworträtsel am Sonntag mag somit eine nette Freizeitbeschäftigung sein. Für den Erhalt der kognitiven Leistungsfähigkeit jedoch reicht es nicht aus – vor allem deshalb, weil nur bereits bestehendes Wissen abgefragt wird. Neue Herausforderungen können in Form des Lernens einer Sprache bestehen, im Erlernen eines Musikinstruments und ganz besonders durch räumliche Orientierungsaufgaben, wie gezeigt werden konnte. Diese halten Sinneswahrnehmung, Aufmerksamkeit und Gedächtnis zugleich fit und wirken dem altersbedingten Abbau des Gehirns entgegen. Auf der nächsten Städtereise (wann auch immer diese möglich sein wird) also auf die digitale Navigation verzichten und stattdessen den Stadtplan auszupacken ist somit Gehirntraining. Psychologen fanden dies vor einigen Jahren in der SPACE-Studie heraus. Probanden mussten dabei auf ein Laufband steigen, und neben der körperlichen Bewegung galt es für die eine Hälfte der Studienteilnehmer, durch eine virtuelle Landschaft im Tiergarten zu navigieren. Dabei mussten einzelne Gehege in fixer Reihenfolge aufgesucht werden, und das auf möglichst effizientem Wege. Nach Ende der Studie wurde der Effekt auf Hirnareale durch Magnetresonanztomografie untersucht. Bereits vor Beginn der Trainings war eine entsprechende Untersuchung durchgeführt worden. Ein Vergleich zeigte vor allem Effekte auf den Hippocampus, einen evolutionsgeschichtlich alten Teil des Gehirns, der mit fortschreitendem Alter schrumpft. Teilnehmer, die nur auf dem Laufband waren und keine räumliche Aufgabe zu lösen hatten, verzeichneten eine Abnahme des Hippocampus-Volumens. Jene Probanden, die navigieren mussten, zeigten eine solche Abnahme nicht – auch nicht die älteren Probanden. In einer weiteren Arbeit, der COGITO-Studie, mussten Teilnehmer Aufgaben am Computer lösen, darunter waren schnelle Vergleiche von Zahlengruppen, das Merken von Wortlisten und Bildpositionen. Damit wurde ein breites Leistungsvermögen gemessen (Arbeitsgedächtnis, Reaktionsgeschwindigkeit, logisches Denken). Nach einem halben Jahr konnte man bei jüngeren Teilnehmern Effekte auf Arbeitsgedächtnis, episodisches Gedächtnis und Denkfähigkeit feststellen. Bei älteren Probanden kam es zu Verbesserungen im Arbeitsgedächtnis.1 Da bereits im dritten Lebensjahrzehnt erste (noch nicht merkbare) Rückgänge kognitiver Funktionen stattfinden, zeigt sich, wie wichtig die regelmäßige Herausforderung durch neue Denkaufgaben für eine gute Kognition bis ins hohe Alter ist.

Beeinträchtigung von Konzentration und Gedächtnis können jedoch noch zahlreiche andere Ursachen als fehlende Herausforderungen haben. Reizüberflutung spielt dabei ebenso eine Rolle wie überbordender Stress, Nährstoffmängel, Dehydration und psychische Erkrankungen wie Depressionen. Gerade die kognitiven Beeinträchtigungen, die im Rahmen von depressiven Episoden auftreten können, finden vielfach zu wenig Beachtung. Beklagt werden Störungen der Konzentration, des Gedächtnisses, der Entscheidungsfähigkeit und auch der Orientierung. In einzelnen Fällen sind Defizite so stark ausgeprägt, dass Patienten selbst oder ihre soziale Umgebung Angst vor demenziellem Abbau äußern. Dieses Syndrom wird als Pseudodemenz bezeichnet und kann sich durch gute Therapie wieder zurückbilden.2

Mikronährstoffe, Fettsäuren und Pflanzliches

Gerade in Zeiten hoher Anforderungen ist die Zufuhr von Mikronährstoffen für das Gehirn wichtig. Vermutlich ist bei Stress und in Zeiten, in denen man kognitiv viel leistet, der Bedarf an einzelnen Vitaminen erhöht. Besonders auf die Zufuhr der Gruppe der B-Vitamine ist zu achten. ­Daher können Vitamin B1, B2, Niacin, B6, Biotin, Folsäure und Vitamin B12 supplementiert werden. Unter den Mineralstoffen ragt die Bedeutung von Magnesium, Eisen und Zink hervor. Magnesium gilt als Antistressmineral, der Bedarf ist in belastenden Zeiten erhöht, was eine erhöhte Zufuhr erfordert. Zink und Eisen sind wichtig für den Erhalt kognitiver Funktionen. Bei Personen mit Konzentrationsstörungen wurden in Studien Zusammenhänge mit niedrigen Ferritin- und Zinkspiegeln entdeckt. Auch die Versorgung mit Kupfer und Selen ist wichtig.3

Docosahexaensäure (DHA) spielt eine wichtige Rolle für neurologische Funktionen und die Leistungsfähigkeit des Gehirns. Studien zeigen, dass ein Abfall des Plasma-Spiegels mit kognitiven Beeinträchtigungen einhergeht. Die Zufuhr über die Nahrung oder Supplemente führt bei den Betroffenen zu deutlichen Leistungssteigerungen. Besonders ab 55 sollte auf eine ausreichende Versorgung besonders Bedacht gelegt werden.4 Sowohl DHA als auch der anderen bedeutenden Omega-3-Fettsäure Eicosapentaensäure (EPA) werden insgesamt positive Effekte auf die Hirnfunktion zugeschrieben.

Eine gute Empfehlung für die Denkleistung ist auch Spermidin, eine Substanz, die sich in Weizenkeimen, Vollkornprodukten, Äpfeln, Pilzen und Keimgemüse in reichlichen Mengen findet. Spermidin fördert die Autophagie der Zellen. Ein Effekt davon könnte sein, dass damit auch der neuronalen Seneszenz entgegengewirkt wird.5 In der SMARTAGE-Studie wird zurzeit der mögliche Einfluss von Spermidin auf die Gedächtnisleistung, die Lernfähigkeit und auf neuropsychologische Funktionen am Menschen untersucht. Der Interventionszeitraum beträgt zwölf Monate.6

Auch Pflanzen können helfen. Ginkgo biloba verbessert die Durchblutung der kleinen Gefäße und damit auch jene des Gehirns. Ginseng ist nicht nur ein körperliches, sondern auch ein geistiges Tonikum. Lecithin unterstützt die Gehirnfunktionen und hat sich auch bei zunehmender Vergesslichkeit bewährt. Die Substanz hat die besondere physiologische Bedeutung durch die Cholin-Komponente. Cholin ist Bestandteil des Neurotransmitters Acetylcholin und damit für das Merkvermögen von großer Bedeutung.7 Safran gilt nicht nur aufgrund seiner antidepressiven Effekte als wichtige Pflanze für das Gehirn. In vitro und in vivo (Tierstudien) zeigten sich durch die Gabe von Safranextrakten Effekte gegen den Abbau der Gehirnfunktion und eine Erhöhung des Spiegels von Dopamin, einem wichtigen Neurotransmitter für die Kognition.8


Literatur:

  1. Max-Planck-Gesellschaft, 28. 3. 2014: Anatomie des Lernens. Auf: https://www.mpg.de/7073427/anatomie-des-lernens
  2. Nowotny M, Kern D, Breyer E et al., Depressionsbericht Österreich. Eine interdisziplinäre und multiperspektivische Bestandsaufnahme. Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz. Wien, 2019
  3. Robberecht H, Verlaet AAJ, Breynaert H et al., Magnesium, Iron, Zinc, Copper and Selenium Status in Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder (ADHD). Molecules. 2020 Sep 27; 25(19):4440
  4. Yurko-Mauro K, Mc Carthy D, Rom D et al., Alzheimers Dement. 2010 Nov; 6(6):456–64,DOI: 10.1016/j.jalz.2010.01.013
  5. Garcia-Prat L, Martinez-Vicente M, Perdiguero E et al., Autophagy maintains stemness by preventing senescence. Nature. 2016 Jan 7; 529(7584):37–42
  6. Wirth M, Schwarz C, Benson G et al., Effects of spermidine supplementation on cognition and biomarkers in older adults with subjective cognitive decline (SmartAge) – study protocol for a randomized controlled trial. Alzheimer Res Ther. 2019; 11:36
  7. Hahn A, Wolters M, Hülsmann O, Nahrungsergänzungsmittel und ergänzende ilanzierte Diäten. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2006
  8. Khazdair MR, Boskabady MH, Hosseini M et al., The effects of Crocus sativus (saffron) and its constituents on nervous system: A review. Avicenna J Phytomed. 2015 Sep–Oct; 5(5):376–391