Ohrenschmerzen zuordnen und lindern

Schmerzen im Ohr sind vor allem Eltern ein Begriff: Otalgie tritt besonders bei Kindern häufig auf. Eine gängige Ursache für Ohrenschmerzen im Kindesalter ist die akute Otitis media, es kommen aber auch zahlreiche andere Auslöser infrage. Natürlich sind aber nicht nur Kinder davon betroffen: Auch alle anderen Altersgruppen können Schmerzen im Bereich der Ohren haben. Je nach Alter gibt es deutliche Unterschiede, welche Ursache am häufigsten auftritt. Bei Erwachsenen stehen beispielsweise Kiefergelenkreizungen an oberster Stelle, bei Jugendlichen die Otitis externa.1

Zahlreiche Ursachen

Es gibt eine Vielzahl an Krankheiten, die mit Ohrenschmerzen einhergehen. Oft sind Infektionen für die Schmerzen verantwortlich; diese können sowohl bakteriell als auch viral sein. Allgemein bekannt ist – wie schon oben erwähnt – die akute Mittelohrentzündung als eine der häufigsten Ursachen im Kindesalter. Durch aufsteigende Infektionen aus dem Nasenrachenraum entsteht eine Entzündung der Schleimhäute im Mittelohr, einhergehend mit plötzlichen starken Ohrenschmerzen, Hörstörungen, Fieber, Schwindel, Reizbarkeit und einem vorgewölbten Trommelfell. Buben sind etwas häufiger betroffen als Mädchen; die Erkrankung verläuft bei Kindern üblicherweise ohne Komplikationen.1

Als Folge einer akuten Otitis media, aber auch durch virale Infektionen des Respirationstraktes oder eine gestörte Tubenfunktion kann ein Paukenerguss auftreten. Dabei findet sich ein intaktes Trommelfell ohne Entzündungszeichen, hinter dem sich eine Ansammlung von nichteitriger Flüssigkeit befindet. Je nach Viskosität werden die Begriffe „Serotympanon“ bei dünnflüssiger und „Mukotympanon“ bei dickflüssiger Konsistenz verwendet. Häufig kommen Mischformen vor bzw. ist die Viskosität schwierig abzuschätzen, weshalb die Bezeichnung „Seromukotympanon“ üblich ist. Symptomatisch äußert sich der Paukenerguss vor allem durch Schwerhörigkeit, Druck- und Völlegefühl im Ohr (bei Erwachsenen). Bei Kleinkindern sticht ins Auge, dass sie nicht richtig auf Stimmen oder Geräusche reagieren. Auch sehr lautes Sprechen kann einen Hinweis darauf geben, dass die Hörfunktion vermindert ist. Schmerzen werden üblicherweise nicht beklagt – im Gegensatz zur akuten Mittelohrentzündung. Eine Ähnlichkeit besteht allerdings in der Epidemiologie: Beide treten gehäuft bei Kindern auf; bis zu 80 % erleiden bis zum Schulalter einen Paukenerguss. Auch Erwachsene können betroffen sein, jedoch deutlich seltener.2

Nach Schwimmbad besuchen auftretende Ohrenschmerzen können auf eine akute Otitis externa hinweisen. Dabei handelt es sich um eine meist durch Bakterien oder Pilze ausgelöste Entzündung der Kutis und Subkutis des äußeren Gehörganges. Kleine Verletzungen, beispielsweise durch Wattestäbchen, oder eine Kontaktallergie gegenüber Kosmetika, Nickel etc. können ebenfalls dazu führen. Charakteristisch treten starke Schmerzen bei Druck auf den Tragus und ein geröteter, geschuppter Gehörgang (klinisches Bild wie Schuppenflechte) auf.1 Der Tragus ist die Vorwölbung am Ohr, die sich vor dem Eingang des Gehörganges befindet.
Ist die Eustachi-Röhre verschlossen und dadurch die Paukenhöhle nicht ausreichend belüftet, können ebenfalls Ohrenschmerzen auftreten. Das kann bei Infekten der oberen Luftwege, aber auch bei schnellen Änderungen des Luftdrucks beim Fliegen passieren. Es entsteht ein Unterdruck in der Paukenhöhle, der zu einer Retraktion des Trommelfells führt. Neben den genannten infektiösen Ursachen gibt es eine Reihe weiterer Auslöser für Ohrenschmerzen, beispielsweise Neuralgien – bei Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus oder bei Trigeminusneuralgie – und Ohrverletzungen. Gerade bei Kindern werden Ohrenschmerzen oft durch Fremdkörper ausgelöst, die zu Irritationen der Kutis führen. Das können sowohl Spielzeug als auch Insekten oder – oft bei Erwachsenen – Wattereste sein. Auch das Trommelfell kann betroffen sein; hier kommen wieder Wattestäbchen infrage, aber auch ein Schlag auf das Ohr kann einer Verletzung des Trommelfells zugrunde liegen. Symptomatisch treten stechende Schmerzen und eine verminderte Hörfunktion auf. Differenzialdiagnostisch sind vor allem bei Erwachsenen Störungen oder Reizungen im Bereich des Kiefergelenks abzugrenzen. Häufig treten hier die Ohrenschmerzen einseitig auf, gemeinsam mit Tinnitus und Schwindel sowie Druckschmerzen über dem Kiefer und beim Kauen. Bei Kieferbewegungen kann außerdem ein Knacken zu hören sein.1
Kinder, vor allem kleine, sollten bei Ohrenschmerzen grundsätzlich zum Arzt geschickt werden – besonders dann, wenn die Körpertemperatur erhöht ist.3 Auf jeden Fall ärztlich abgeklärt werden müssen außerdem Ohrenschmerzen, bei denen kein Hinweis auf eine Ohrerkrankung vorliegt: Es müssen Karzinome im Nasenrachenraum ausgeschlossen werden.1

Behandlungsoptionen

Zur Schmerzlinderung können Analgetika wie Paracetamol oder Ibuprofen (oft günstig aufgrund der zusätzlichen Entzündungshemmung) verabreicht werden.1 In der Naturheilkunde ist die Anwendung von warmen Zwiebelwickeln gut bekannt und kann angenehm wirken, wenngleich die Studienlage dazu bislang noch unzureichend ist. Antibiotika sollten nicht sofort allen Betroffenen mit akuter Otitis media verschrieben werden. Wenn keine Risikofaktoren wie Erbrechen, hohes Fieber, Grunderkrankungen etc. vorliegen und es sich um eine unkomplizierte Mittelohrentzündung handelt, sollte zu Beginn keine Antibiotikagabe erfolgen. Erst wenn nach 24–48 Stunden keine Besserung oder sogar eine Verschlechterung der Symptome eintritt, sollten Antibiotika eingesetzt werden. Im Grunde ist die akute Mittelohrentzündung eine selbstlimitierende Erkrankung und heilt oft innerhalb einiger Tage spontan aus. Allgemeine Maßnahmen wie zur Behandlung von grippalen Infekten sollten ebenfalls zur Anwendung kommen. Das bedeutet: schonen, ausruhen und ausreichend trinken. Lokale Analgetika sollten nicht empfohlen werden, da sie möglicherweise die Beurteilung des Trommelfells erschweren. Bei gleichzeitiger Rhinitis können kurzzeitig abschwellende Nasentropfen angenehm lindernd wirken, sodass das betroffene Kind auch nachts besser zur Ruhe kommt.1
Bei Kindern mit Paukenerguss lautet die Leitlinien-Empfehlung, drei Monate abzuwarten, sofern keine anderen Risikofaktoren vorliegen. Anschließend kann eine operative Behandlung in Betracht gezogen werden. Steroide, Antibiotika und Antihistaminika werden nicht empfohlen, es sei denn, es treten zusätzliche Begleitsymptome auf.2
Bei einer Otitis externa wird zunächst der äußere Gehörgang ärztlich gereinigt. Anschließend wird lokal mit Antibiotika oder Kortikosteroiden behandelt. Eine systemische Antibiotikagabe sollte nur bei bestehenden Allgemeinsymptomen zum ­Einsatz kommen. Liegt eine Trommelfellverletzung vor, sollte die Heilung regelmäßig ärztlich überwacht werden – bei großen Rissen könnten sich die Ränder einrollen. Ohrentropfen oder -spülungen dürfen nicht verwendet werden, da sie möglicherweise Keime in das Mittelohr einschleppen. Fremdkörper im Gehörgang müssen in der Arztpraxis entfernt werden. Zerumen kann ebenfalls zu Ohrenschmerzen oder Hörbeeinträchtigungen führen und in diesem Fall otoskopisch abgesaugt oder – wenn es weniger akut ist – mit bestimmten Ohrentropfen erweicht werden.1


Literatur:

  1. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. (DEGAM): S2k-Leitlinie Ohrenschmerzen (in Überarbeitung). AMWF-Registernummer 053-009. Auf: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/053-009.html
  2. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie: S2k-Leitlinie Seromukotympanum. AWMF-Registernummer 017-004. Auf: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/017-004.html
  3. Ohrenschmerzen in der Praxis, Paediatr Paedolog 2020; 55:230–231