Lösungen in Sicht

Strengere Vorschriften der EU führen dazu, dass mehr Hersteller für ihre Medizinprodukte als bisher einen Zulassungsprozess durchlaufen müssen. Gleichzeitig stehen weniger Stellen dafür zur Verfügung, denn einige können oder wollen die ebenfalls höher gewordenen Anforderungen nicht erfüllen. Es braucht kein großes politisches Gesamtverständnis, um eine einfache Rechnung anzustellen, dass sich das nicht ausgehen kann. Längere Wartezeiten sind vorprogrammiert – das wird zulasten der Patienten gehen, die nicht rechtzeitig mit den Medizinprodukten versorgt werden können.

Erfreulich ist, dass das im Dezember 2018 neu gegründete Unternehmen QMD Services im September 2019 den Antrag auf Benennung als Konformitätsbewertungsstelle nach der Medizinprodukteverordnung MDR (Verordnung (EU) 2017/745) sowie In-vitro-Diagnostika-Verordnung IVDR (Verordnung (EU) 2017/746) bei der österreichischen Behörde eingebracht hat. Eine Einreichung nach IVDR ist in Vorbereitung. Was nun folgt, ist ein langwieriger Zulassungsprozess unter Mitwirkung der EU-Kommission. Dr. Anni Koubek, Geschäftsführerin QMD Services, gibt Einblick in die Herausforderungen, die damit verbunden sind.

Welches Unternehmen steckt hinter QMD Services?

QMD Services wurde im Dezember 2018 als Tochterunternehmen der Quality Austria – Trainings-, Zertifizierungs- und Begutachtungs GmbH mit Sitz in Wien und Linz gegründet. Das neue Unternehmen plant, Konformitätsbewertungstätigkeiten im Bereich Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika durchführen.

Wie ist der aktuelle Stand der Bewerbung?

Im September 2019 wurde ein Antrag auf Benennung als Konformitätsbewertungsstelle nach der Medizinprodukteverordnung (Verordnung (EU) 2017/745) und im Oktober In-vitro-Diagnostika-Verordnung (Verordnung (EU) 2017/746) beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz eingebracht. Das bringt sehr viele Feedback-Zyklen mit sich und wir wissen, dass es rund 18 Monate dauern wird, bis vonseiten der Kommission überhaupt ein Zuschlag möglich ist. Der Weg ist lang, wir stehen erst am Anfang.

Wird das für österreichische Firmen dann nicht knapp?

Realistischerweise muss man sagen, dass wir bis zum Ende der Übergangsfrist MDR im Mai 2020 keine Kunden in Sachen Zertifizierung betreuen werden. Zusätzlich dauert ein Zertifizierungsprozess, den wir erst nach einer Akkreditierung starten können, auch noch einige Monate. Wenn allerdings ein Unternehmen eine aufrechte Zulassung für ein Produkt hat, an dem nichts geändert wird, so gibt es dafür Übergangsfristen. Unserer Einschätzung nach sind es nur wenige Unternehmen, die bis Mai 2020 in einen Zertifizierungsprozess eintreten. Für die heißt es allerdings, dass sie sich Unterstützung im Ausland suchen müssen.

Welche Produktgruppen werden Sie abdecken und wird das Angebot für den heimischen Markt reichen?

Wir haben ein breites Spektrum an sogenannten „Scopes“ – also Geltungsbereichen – eingereicht, jedoch können wir noch nicht sagen, welche davon für uns freigegeben werden.

Warum gibt es in Österreich derzeit keinen „Mitbewerb“ um eine Benannte Stelle?

Ein Punkt ist sicher das aufwendige Verfahren, um sich als Benannte Stelle zu qualifizieren. Die Vorbereitungszeit hat rund ein Jahr Vorarbeit erfordert, für die viel Know-how und Prozesswissen erforderlich ist. Dann dauert das Bewerbungsverfahren noch einmal so lange. Insgesamt ist das eine Phase intensiver Arbeit, der aber keine Einnahmen gegenüberstehen. Diese Leistungen vorzufinanzieren, können sich vermutlich nicht viele dafür infrage kommende Unternehmen in Österreich leisten. Das schreckt natürlich ab.

Weiters ist es erforderlich, für jeden eingereichten Geltungsbereich ein vollständiges Team an kompetenten Mitarbeitern aufzuweisen. Auch das ist nicht ganz einfach, denn dazu muss die klinische und technischen Expertise in vielen Spezialgebieten vorliegen und es muss jemanden geben, der sich gut mit Managementsystemen auskennt. Wir haben in Österreich viele Klein- und Mittelbetriebe mit einem hochspezialisierten Produktsortiment. Das heißt, wir benötigen sehr viele Spezialisten, die noch dazu die Normenwelt perfekt beherrschen, um diese Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen.

Die Anforderungen an Zahl und Qualifikation des Personals ist hoch. Wie werden Sie das erfüllen?

Wir haben in Österreich diese hochspezialisierten und hochkompetenten Persönlichkeiten. Hier gilt es, ein Netzwerk aufzubauen und zu pflegen. Das sind teilweise Hersteller, aber auch herstellerunabhängige Forschungseinrichtungen oder Universitäten. Hier können wir auf Top-Personal zurückgreifen. Dennoch befreit uns das nicht vor der Verpflichtung, einen Grundstock an Schüsselpersonal fix anzustellen, das ist sicher eine große Herausforderung.

Wird es so etwas wie Aus- und Weiterbildungen geben, wo sich Mitarbeiter Benannter Stellen auch noch weiter qualifizieren können? Was brauchen Mitarbeiter, die sich jetzt bewerben möchten?

Ein wichtiger Eckpfeiler ist die Unparteilichkeit, daher werden wir keine Aus- und Weiterbildungen für externe Interessenten anbieten. Das heißt aber nicht, dass unser internes Personal nicht ständig in Sachen EU-Legislative und Managementsystem top informiert sein muss. Das ist auch abhängig von der Funktion. Wer in einem bestimmten Scope als technischer Experte tätig ist, muss sich natürlich in diesem Thema dann sehr gut auskennen. Für alle Mitarbeiter gilt der gemeinsame Nenner: Es braucht ein tiefes Verständnis der EU-Regulative!

 

 

Faktencheck: Was ist eine Benannte Stelle?

Benannte Stellen sind staatlich akkreditierte Unternehmen, die hoheitliche A­ufgaben übernehmen, wie etwa die Konformitätsbewertungsverfahren für Medizinprodukte. Die Stellen werden gemäß § 36 (1) des Medizinprodukte­gesetzes mit spezifischen Aufgaben betraut. Sie sind im europäischen Verzeichnis NANDO mit einer Kennnummer aufgelistet.

 

Stand ● Punkt

Die AUSTROMED unterstützt das Ziel der EU-Verordnungen, noch mehr Patientensicherheit zu schaffen. Die Unternehmen sind bereit, das Regulierungssystem ist es aber nicht. Es ist davon auszugehen, dass eine Zertifizierung gemäß der MDR knapp ein Jahr dauert. Zehntausende Medizinprodukte in ganz Europa müssen diesen Prozess noch vor dem 26. Mai 2020 durchlaufen. Die Branche ist bereit, die entsprechende Dokumentation einzureichen, aber die Ansprechpartner dafür fehlen. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass nicht mehr als zwölf Benannte Stellen bis zum Ende des Jahres, fünf Monate vor Ablauf der Frist, benannt werden. Die Europäische Kommission ist dringend aufgefordert, den Rahmen für eine beschleunigte Benennung der Benannten Stellen zu schaffen. Die AUSTROMED fordert die Entscheidungsträger in Wirtschafts- und Gesundheitsministerium auf, sich mit der Europäischen Kommission in Verbindung zu setzen, um umgehend eine Lösung im Sinne der Versorgungssicherheit für die Patienten in Österreich und ganz Europa zu finden. Nicht zuletzt hemmt ein Stau bei den Zulassungen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der gesamten Branche.