Nicht jammern, sondern aktiv werden!

Die Wirtschaftskammer Österreich hat daher fünf Handlungsfelder identifiziert, in denen sie Betriebe unterstützt, selbst aktiv nach Lösungen zu suchen. Ein Schlüsselfaktor in der Fachkräftesicherung liegt in der Aus- und Weiterbildung im Rahmen der betrieblichen Personalentwicklung. Darüber hinaus hat die WKO ein Fachkräfte-Radar entwickelt, das umfassende Daten und Fakten liefert, etwa die Frage nach der Entwicklung der Zahl der Lehrlinge oder der Arbeitslosenquote in einer Region. So können Betriebe rascher reagieren und vorausschauend bei der Personalsuche agieren.

  1. Unter dem Stichwort „Qualifizierung“ liegt es in der Hand der Unternehmen, für den eigenen Nachwuchs zu sorgen und Talente im Betrieb zu halten.
  2. Die Personalsuche in unmittelbarer Umgebung ist oft nicht zielführend. Wer seine Suche ausweitet – auch ins Ausland –, hat gute Chancen, rascher qualifizierte Mitarbeiter zu finden.
  3. Besonders jüngere Beschäftigte äußern den Wunsch, ihr Familien- und Berufsleben besser in Einklang bringen zu können. Wer hier attraktive Angebote bieten kann, hat die Nase im Run auf die besten Köpfe vorne.
  4. Die Zuwanderung bietet Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten und Chancen, die genutzt werden können.
  5. Unter dem Motto „Gesundheit & Arbeitsfähigkeit erhalten“ sind Betriebe gefordert, ihre Mitarbeiter länger im Arbeitsleben gesund zu halten oder nach längerer Krankheit wieder in den Betrieb eingliedern zu können.

Darüber hinaus hat die WKO ein Fachkräfte-Radar entwickelt, das umfassende Daten und Fakten liefert, etwa die Frage nach der Entwicklung der Zahl der Lehrlinge oder der Arbeitslosenquote in einer Region. So können Betriebe rascher reagieren und vorausschauend bei der Personalsuche agieren.

 

Faktencheck: Fachkräfteportal

Unter wko.at/fachkraefte finden Sie interaktive Karten, die einen Überblick über die Fachkräftesituation in einer Region geben. Zudem gibt es umfassende Informationen und Tipps zu Themen wie rasch wirkende Maßnahmen gegen akuten Fachkräftemangel, neue Bewerber-Zielgruppen, flexible Arbeitszeitgestaltung oder Mitarbeitergesundheit.

 

 

Nachgefragt bei Mag. Dr. Rolf Gleißner, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit, Wirtschaftskammer Österreich

Wie stellt sich der Fachkräftemangel in der Medizinprodukte-Branche dar?

Gleißner: Wir haben im Rahmen des Gesundheitssatellitenkontos in Zusammenarbeit mit dem Institut für Höhere Studien eine Sonderauswertung für Medizinprodukte gemacht. Da es sich um eine sehr innovative und auch personalintensive Branche mit über 750.000 unterschiedlichen Medizinprodukten handelt, ist gerade hier der Fachkräftebedarf groß. Von den befragten Unternehmen, die in der Herstellung von elektronischen und elektrischen Geräten inklusive Medizintechnik tätig sind, haben zu 71,4 Prozent den Fachkräftemangel als sehr stark bewertet.

Was ist mit Fachkräften genau gemeint – umfasst das vom Medizinproduktekaufmann-Lehrling bis zum Mediziner alle Ausbildungsniveaus gleich? Wo gibt es besondere Lücken?

Die Unternehmen sehen einen besonders großen Bedarf bei qualifiziertem Personal, das kann auch eine Person mit Lehrlingsausbildung sein. Diese ist beim Begriff Fachkraft auf jeden Fall inkludiert. Gerade im Zusammenhang mit der Digitalisierung sehen viele Unternehmen eine wesentliche Herausforderung darin, ausreichend geeignetes Fachpersonal zu haben.

Die WKO bietet mit dem Fachkräfte-Radar konkrete Unterstützung an. Wie sieht das aus?

Im WKO Fachkräfte-Radar können Unternehmen in jedem einzelnen gesuchten Beruf ganz genau sehen, wie viele gemeldete Arbeitslose es hier im eigenen Bezirk oder Bundesland gibt. Konkret wird die Stellenandrangziffer angezeigt, das ist die Zahl der Arbeitslosen pro offene Stelle. Und ist diese im eigenen Bezirk gering, dann kann ich gezielt im Nachbarbezirk oder auch etwas weiter weg nach Fachkräften suchen.
Darüber hinaus setzt das Bundesgremium Medizinproduktehandel eine Reihe von Maßnahmen, um die Branche für Berufseinsteiger oder auch -umsteiger besonders attraktiv zu machen. Dazu zählt die Einführung des neuen Lehrberufs Medizinproduktekaufmann.
Auch wird derzeit die Befähigungsprüfungsordnung Medizinproduktehandel entsprechend den neuen EU-Verordnungen aktualisiert.

Auf der WKO Webseite ist zu lesen: „Um den Bedarf an Fachkräften zu sichern, setzt sich die WKO aktiv für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen ein und unterstützt die Betriebe mit gezieltem Service.“ Welche Leistungen sind das konkret?

Wir bieten mit der WKO Fachkräfteoffensive ein umfassendes Serviceangebot für Betriebe an, das auf dem Portal www.wko.at/fachkraefte zusammengefasst ist. Neben der bereits erwähnten interaktiven Karte, die den Stellenandrang für sämtliche mögliche Berufe ausweist, finden sich dort verschiedene Online-Ratgeber sowie eine neunteilige Webinarserie zur Fachkräftesicherung. Dabei werden verschiedene Themen behandelt, die von überregionaler Personalsuche über Aufbau eines Bewerbertools bis hin zu Tipps zur Mitarbeiterbindung reichen. Auch haben wir ganz neu einen KMU-Recruiting-Leitfaden. Dieser richtet sich speziell an Klein- und Mittelbetriebe und gibt einerseits einen kurzen Überblick über die wichtigsten To-Dos bei der Personalsuche. Andererseits sind vertiefende Infos zu einzelnen Themen verlinkt und es finden sich dort auch hilfreiche Checklisten und Musterschreiben.

Der Fachkräftemangel wird sich in den nächsten drei Jahren verstärken – warum helfen all diese Aktivitäten nicht?

Der Fachkräftemangel in Österreich hat sich seit dem Jahr 2015 in fast allen Berufsgruppen und Wirtschaftssektoren verstärkt. Das liegt nicht nur an der guten konjunkturellen Entwicklung vor allem in den Jahren 2017 und 2018, sondern hat auch sehr viel mit der demografischen Entwicklung zu tun. Aus diesem Grund ist auch bei einer Abflachung der Konjunktur in Sachen Fachkräftemangel keine Entwarnung in Sicht. Erst kürzlich hat die Statistik Austria ihre aktuelle Bevölkerungs- und Erwerbsprognose veröffentlicht. Darin zeigt sich deutlich, dass wir es einerseits mit einer alternden Bevölkerung zu tun haben und zugleich die Zahl der Berufseinsteigerinnen sinkt, auch weil die jungen Leute immer länger in Ausbildung sind. Das Problem ist nicht die Alterung – die Lebenserwartung steigt seit 150 Jahren um zwei bis drei Monate pro Jahr, sondern dass es in den 60er-Jahren viele Geburten und seitdem viel zu wenige gab und gibt. Die WKO fordert daher eine Fachkräfteoffensive von der nächsten Bundesregierung, die an verschiedenen Hebeln ansetzt – von der Aus- und Weiterbildung über den Ausbau der überregionalen Vermittlung bis hin zur qualifizierten Zuwanderung, denn auch diese werden wir brauchen.