Radiusfrakturen im Fokus

Die distale Radiusfraktur, im Volksmund als „Handgelenkbruch“ bezeichnet, zählt zu den häufigsten Frakturen bei Frauen über 50 Jahren. In diesem Alter steigt auch die Prävalenz der Osteoporose. Eine norwegische Fall-Kontrollstudie* be­stätigt den Zusammenhang. Während 18 % der 50- bis 59-jährigen Frauen mit Fraktur eine Osteoporose aufwiesen, waren es bei gleichaltrigen Frauen ohne Frakturen nur 5 %. Bei den 60- bis 69-Jährigen lag das Verhältnis bei 25 zu 7 %.
Die distale Radiusfraktur ist bei älteren Frauen wie auch bei älteren Männern ein wesentlicher Indikator für eine Osteoporose, wodurch Unfallchirurgen eine zentrale Rolle bei der Osteoporoseerkennung zukommt. Bei distalen Radiusfrakturen im fortgeschrittenen Alter sollte eine Knochendichtemessung durchgeführt und gegebenenfalls eine Osteoporosetherapie eingeleitet werden. Derzeit werden ältere Menschen nach Versorgung einer distalen Radiusfraktur noch zu oft ohne Abklärung einer Osteoporose entlassen.

Ursachen und Abklärung

Distale Radiusfrakturen entstehen bei älteren Menschen meist bei einem Stolpersturz auf das überstreckte Handgelenk, seltener auf das gebeugte Handgelenk. Die Stellung des Handgelenks beim Sturz sollte erfragt werden. In der Regel ist der gesamte Handgelenksbereich druckschmerzhaft und jede Bewegung schmerzt. Neben der Kontrolle der Beweglichkeit des Handgelenks und der Finger sowie der Unterarmdrehung werden die Durchblutung der Finger (Rekapillarisierungszeit am Nagelbett < 2 Sek.) und eventuelle sensorische Defizite (Zweipunktdiskriminierung im Bereich der Fingerkuppen < 6 mm, Seitenvergleich) überprüft. Typisch für einen verschobenen Bruch ist die Bajonettfehlstellung mit Krepitation.
Der Frakturtyp wird durch Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen bestimmt, eventuell ergänzt um eine Computertomografie. Bei Verdacht auf eine Beteiligung der Bandstrukturen werden zusätzliche kinematografische Untersuchungen an der Hand durchgeführt. Denn bei einem großen Teil der distalen Radiusfrakturen finden sich Begleitverletzungen im Bereich der Karpus, die auch das Bandsystem betreffen können. Ein wesentliches Kriterium für die Therapieplanung ist eine häufige Gelenkbeteiligung.

Konservative und chirurgische ­Versorgung

Die chirurgische Versorgung distaler Handgelenkfrakturen bei Patienten mit Osteoporose erfolgt analog zur Versorgung bei Patienten ohne Osteoporose. Konservative Therapie: Nicht dislozierte, einfache Frakturen können mit einem Gips für fünf Wochen ruhiggestellt werden. Geringfügig dislozierte, unkomplizierte Frakturen werden unter Lokalanästhesie eingerichtet und mit einem exakt angelegten Gipsverband ruhiggestellt. Wesentlich ist die korrekte Reposition der Fraktur, da Achsenfehlstellungen die Funktion des Handgelenks beeinträchtigen können. Der erste Gipswechsel sollte nach einer Woche durchgeführt werden. Der Arm ist dann stark abgeschwollen und der Gips wird locker.
Problematisch ist das erhöhte Risiko für sekundäre Dislokationen. Daher sind regelmäßige Röntgenuntersuchungen nötig. Stark dislozierte Frakturen mit Gelenkbeteiligung, Defektzonen und Instabilitätskriterien bedürfen einer operativen Versorgung.

Offene Plattenversorgung: Die Stabilisierung von Mehrfragmentfrakturen erfolgt mit palmar angelegten winkelstabilen Plattensystemen. Durch dieses Verfahren kann die sekundäre Redislokation verhindert werden. In den meisten Fällen kann eine frühfunktionelle Nachbehandlung mit abnehmbaren Kunststoffschienen erfolgen.

Seltene operative Verfahren: Eine Fixierung instabiler Frakturen kann mit Kirschner-Drähten erfolgen. Über kleine Hautinzisionen können die Knochenfragmente reponiert und ixiert werden. Danach ist aber immer eine Gipsixation für fünf Wochen erforderlich. Bei Defekt- oder Schlussbrüchen mit begleitenden schweren Weichteilverletzungen kann es notwendig sein, mit einem Fixateur, externen und zusätzlich eingebrachten Bohrdrähten, die Fraktur zu stabilisieren.

* Oven J. et al., J Bone Joint Surg Am. 2011 Feb 16;93(4):348-56