Neue Therapieformen für Patientinnen mit SLE

Die vom Immunsystem angerichteten Schäden an inneren Organen, Haut, Bewegungsapparat und Nervensystem können beträchtlich und gefährlich sein. So unterschiedlich wie das Gefährdungsausmaß durch diese systemische Autoimmunerkrankung ist auch die Intensität der medikamentösen Behandlung beim jeweiligen individuellen Patienten.

Unterschiedliche Organmanifestationen – unterschiedliches Vorgehen

So werden zum Beispiel bei einer schweren proliferativen Lupusnephritis alle Experten übereinstimmen, dass eine intensive Immunsuppression im Sinne einer Induktionstherapie unbedingt notwendig ist, um immunmediierte Folgeschäden zu stoppen.1 In der Folge gilt es, die Toxizität der immununterdrückenden Medikamente zu bedenken und auf eine mildere Erhaltungstherapie zu reduzieren, um neuerliche Schübe und eine Zunahme der Organschäden zu verhindern. Schon in den sechziger Jahren wurde klar, dass mit Glukokortikoiden alleine sehr oft eine Progredienz, etwa zur Dialysepflichtigkeit, nicht zu verhindern ist. Mit Benützung von Cyclophosphamid, Azathioprin und später Mycophenolat verbesserte sich die Prognose der schweren Nephritisformen deutlich. 2–5Mit dem Ziel einer Minderung der kumulativen Toxizität konnte die verwendete Menge von Cyclophosphamid reduziert werden, und es wurde weitgehend aus der Erhaltungstherapie verdrängt, während Mycophenolat auch in die Riege der Induktionsstrategien aufstieg. Risikostratifizierende Strategien in der Wahl der Induktions- und Erhaltungstherapien sind zur Übereinkunft geworden und werden auch in der ACR-Leitlinie für die Lupusnephritis Platz finden. Sehr viel weniger klar als bei der Lupusnephritis sind die Daten zur unspezifischen immunsuppressiven Medikation bei anderen Organmanifestationen, wobei auch hier schwere Organ- oder Funktionsbedrohung (etwa bei Lupuspneumonitis oder schwerer ZNS-Beteiligung) schwerere Geschütze (wie Cyclophosphamid oder die auch nicht sehr spezifische Immunapherese) erfordert. Die Liste der Off-Label-Applikationen von immunmodulierenden Pharmaka bei SLE ist lang und wurde von einem europäischen Autorenteam um Martin Aringer in Dresden rezent zusammengefasst (Ann. Rheum. Dis. in press).

Die Langzeitbetreuung der Lupuspatientin bleibt jedenfalls eine der größten Herausforderungen für die Ärzte, insbesondere weil eine disziplinenübergreifende und auch ganzheitlich am Befinden der Patientin orientierte Medizin notwendig ist. Die rational größte Hürde in der Therapieauswahl bleibt aber unser bisher nur unvollkommenes Wissen um Ursache und Pathophysiologie der Lupuserkrankungen. Die „Gestalt“ der Autoimmunerkrankungen als pathophysiologisches Konzept hat in den letzten Jahren eine große neue Vielfalt an Facetten bekommen, von denen einige bereits ihr Potenzial als therapeutische Zielfunktionen zeigen.

Abnormitäten der T-Lymphozyten

werden seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bei SLE beschrieben und als ursächlich für die Krankheitsentstehung vermutet. Nun werden Veränderungen der intrazellulären Signalverarbeitung nach der Aktivierung des T-Zell-Rezeptors beschrieben6, die potenzielle therapeutische Ziele darstellen, wie etwa die Inhibition der Calmodulin-abhängigen Kinasen, die Syk-Inhibition durch Fostamatinib oder die Calcineurin-Blo ckade nicht nur durch das bewährte alte Cyclosporin (als Triple-Therapie mit Mycophenolat und Prednisolon7) sondern auch durch das noch ältere Dipyridamol8. Neben den Irregularitäten der regulatorischen T Lymphozyten, deren Vermehrung oder Gabe bei SLE einen idealen Ansatz darstellen könnte, ist die Deregulation der Th17-Effektor- Zellen und die Erhöhung der Interleukin-17-Spiegel beim SLE hochrelevant. Dazu existieren therapeutische Ansätze, die vom MS-Therapeutikum Laquinimod bis zu den Rho-ROCK-Inhibitoren wie Fasudil reichen. Sehr futuristisch wäre ein direkter therapeutischer Eingriff in die epigenetisch regulierte9 Regulation der IL- 17-Regulation auf der Ebene der cAMP responsive elements. Zu den „bösen“ Zytokinen beim SLE wird auch das Interferon-alpha gezählt, zu dessen Neutralisierung bereits die ersten Studien mit Sifalimumab erschienen10. Vom Konzept her noch attraktiver ist eine aktive Impfung gegen körpereigenes IFN-alpha (in Form eines immunogenen „Kinoids“) mit einer polyklonalen Impfantwort bei SLE11. Von derartigen Zukunftskonzepten abgesehen existiert aber bereits eine zugelassene Spezialität mit hoher Spezifität für T-Lymphozyten: der Kostimulationsblocker Abatacept. Dieses bei rheumatoider Arthritis erfolgreiche Biologikum wurde (logischerweise) auch beim SLE probiert. Bei nicht lebensbedrohlichen Lupus-Manifestationen verbesserte sich im kontrollierten Trial zwar die subjektive Gesundheitseinschätzung, Müdigkeit und Schlafqualität, der primäre Endpunkt der Schubreduktion wurde aber nicht erreicht12. Ein ähnliches Schicksal wurde – bisher nur in Abstractform – für eine Lupusnephritis-Studie mit Abatacept beschrieben13. Weitere Entwicklungen werden den klinischen Stellenwert der T-Zell-Beruhigung mit dieser Strategie zeigen.

B-Lymphozyten

Im kakophonen Konzert der deregulierten Zusammenarbeit der immunkompetenten Zellen spielen seit einiger Zeit die B-Lymphozyten eine tragende, therapieträchtige Rolle. Von der Lymphombehandlung kommend, wurde das B-Zell-depletierende Rituximab zu einer erfolgreichen Therapiestrategie bei der rheumatoiden Arthritis14. Es ist wahrscheinlich das am meisten verwendete Off-Label-Biologikum bei Autoimmunerkrankungen und Systemvaskulitiden. Neben ungezählten Fallberichten und Kleinserien, die in einem interessanten Review zusammengefasst erschienen15, kommen laufend weitere individuelle Erfolgsmeldungen über die Erfolge von Rituximab bei SLE heraus, allerdings waren kontrollierte Studien negativ 16, 17, sodass die Substanz bei SLE für refraktäre Fälle vorrangig geeignet erscheint, aber nicht gezielt für SLE zugelassen ist. Ein anderer Oberflächenmarker von frühen B-Lymphoyzten ist CD22. Das Medikament Epratuzumab ist ein gegen CD22 gerichteter monoklonaler Antikörper. Bei SLE wurden nach Pilotstudien in zwei EULAR-Abstracts aus 2008 positive Ergebnisse berichtet, die weitere Entwicklung mit der Indikation SLE wäre attraktiv. Das erste für SLE zugelassene Biologikum ist Belimumab, ein Hemmstoff des B-Lymphozyten-Stimulators BLyS (auch als BAFF oder THANK bekannt). Dieser Stimulatorstoff ist bei SLE-Patienten in der Zirkulation vermehrt, durch die Inhibition mit dem monoklonalen Antikörper Belimumab wird die Reifung und Differenzierung der B-Lymphozyten gebremst. Zwei große Phase-III-Studien zeigten die Verbesserung der SLESymptomatik gemessen an einem komplizierten Score als Endpunkt und führten zur Zulassung in den USA und Europa. In der Verum-Gruppe sanken die Konzentrationen von Anti- DNA-Anti körpern. Da bei den Zulassungsstudien aktive Nephritis und aktive ZNS-Beteiligung Ausschlusskriterien waren, ist das Eignungsspektrum für Organmanifestationen des SLE noch nicht klar, obwohl sich die renale Aktivität bei Lupusnephritis verbesserte18. Die britische Kostenbehörde NICE hat trotz der nachgewiesenen Wirkung vorläufig die Bezahlung in der vom Hersteller geforderten Höhe abgelehnt. Als Zusatztherapie zum konventionellen Therapiemanagement für SLE besteht über 6 Jahre eine klinische Erfahrung mit guter Sicherheit und Reduktion von Krankheitsaktivität und Schubhäufigkeit über 1.500 Patientenjahre19. Weitere Daten werden den Stellenwert dieses monatlich infundierten Biologikums in der heterogenen Gruppe von Lupuspatientinnen im Alltag zeigen.

Ausblick

Ob Biologika oder niedermolekulare Medikamente (wie etwa Kinaseinhibitoren oder kleine Peptide) letztlich den Standard der Lupustherapie darstellen werden, wird abzuwarten sein, die Begeisterung über die neuen Erkenntnisse der translationalen Immunbiologie und Pathophysiologie machen berechtigte Hoffnung, dass eines Tages eine maßgeschneiderte und hochgezielte Behandlung die Lebensqualität unserer LupuspatientInnen auf Dauer sichern wird.

1 Flanc R, Roberts M, Treatment for lupus nephritis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2004; 1.

2 Grootscholten C, Ligtenberg G, Hagen EC, van den Wall Bake AW, de Glas-Vos JW, Bijl M et al., Azathioprine/methylprednisolone versus cyclophosphamide in proliferative lupus nephritis. A randomized controlled trial. Kidney Int 2006; 70:732–42.

3 Hahn BH, Kantor OS, Osterland CK, Azathioprine plus prednisone compared with prednisone alone in the treatment of systemic lupus erythematosus. Report of a prospective controlled trial in 24 patients. Ann Intern Med 1975; 83:597–605.

4 Houssiau FA, Vasconcelos C, D’Cruz D, Sebastiani GD, de Ramon GE, Danieli MG et al., The 10-year follow-up data of the Euro-Lupus Nephritis Trial comparing low-dose and high-dose intravenous cyclophosphamide. Ann Rheum Dis 2010; 69:61–4.

5 Houssiau FA, D’Cruz D, Sangle S, Remy P, Vasconcelos C, Petrovic R et al., Azathioprine versus mycophenolate mofetil for long-term immunosuppression in lupus nephritis: results from the MAINTAIN Nephritis Trial. Ann Rheum Dis 2010; 69:2083–9.

6 Kyttaris VC, Zhang Z, Kampagianni O, Tsokos GC, Calcium signaling in systemic lupus erythematosus T cells: a treatment target. Arthritis Rheum 2011; 63:2058–66.

7 Pons-Estel GJ, Serrano R, Plasin MA, Espinosa G, Cervera R, Epidemiology and management of refractory lupus nephritis. Autoimmun Rev 2011; 10:655–63.

8 Lo MS, Tsokos GC, T cells in systemic lupus erythematosus. The Rheumatologist 2011; 8:22–7.

9 Rauen T, Hedrich CM, Juang YT, Tenbrock K, Tsokos GC, cAMP responsive element modulator (CREM){alpha} induces IL-17A expression and mediates epigenetic alterations at the IL17A locus in patients with systemic lupus erythematosus. J Biol Chem 2011.

10 Merrill JT, Wallace DJ, Petri M, Kirou KA, Yao Y, White WI et al., Safety profile and clinical activity of sifalimumab, a fully human anti-interferon {alpha} monoclonal antibody, in systemic lupus erythematosus: a phase I, multicentre, double- blind randomised study. Ann Rheum Dis 2011; 70:1905-13.

11 Houssiau, ACR Abstract 2479, 2011

12 Merrill JT, Burgos-Vargas R, Westhovens R, Chalmers A, D’Cruz D, Wallace DJ et al., The efficacy and safety of abatacept in patients with non-life-threatening manifestations of systemic lupus erythematosus: results of a twelve-month, multicenter, exploratory, phase IIb, randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Arthritis Rheum 2010; 62:3077-87.

13 Furie, ACR Abstract 2469, 2011

14 Sanz I, Lee FE, B cells as therapeutic targets in SLE. Nat Rev Rheumatol 2010; 6:326–37.

15 Ramos-Casals M, Soto MJ, Cuadrado MJ, Khamashta MA, Rituximab in systemic lupus erythematosus: A systematic review of off-label use in 188 cases. Lupus 2009; 18:767–76.

16 Furie RA, Efficacy and safety of rituximab in proliferative lupus nephritis: the LUNAR study. Ann Rheum Dis 2010; 69.

17 Merrill JT, Neuwelt CM, Wallace DJ, Efficacy and safety of rituximab in SLE. Arthritis Rheum 2010; 62:222–33.

18 Dooley ACR Abstract 2472, 2011

19 Merrill, ACR Abstract 584, 2011