Appendizitis in der Schwangerschaft 


Die Appendizitis stellt die häufigste nicht-geburtshilfliche Indikation für einen chirurgischen Eingriff in der Schwangerschaft dar (etwa 25 %), dennoch ist sie ein seltenes Ereignis und kompliziert nur 1:1.400 bis 1:6.600 Schwangerschaften. Sie tritt am häufigsten, nämlich in etwa 50 % der Fälle, im 2. Trimenon auf. Der Anteil an perforierten Appendizitiden ist größer als bei nicht-schwangeren Frauen und liegt bei bis zu 25 %. Ursachen sind die erschwerte Diagnostik und die abwartendere Haltung gegenüber chirurgischen Eingriffen.
Die Gefährdung der Mutter ist heutzutage gering, die maternale Mortalität wird mit maximal 1 % angegeben. Im Vergleich dazu bleibt die Appendizitis aber ein Risiko für die fetale Gesundheit: Die Rate an intrauterinem Fruchttod beträgt etwa 2 % im Falle einer unrupturierten Appendizitis, jedoch ca. 8 % bei perforiertem Geschehen in rezenten Studien, während ältere Arbeiten von bis zu 35 % sprechen.

Diagnostik in der Schwangerschaft

Die Symptome einer Appendizitis in der Schwangerschaft umfassen Fieber, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen sowie vor allem rechtsseitige Unterbauchschmerzen. Dabei gilt zu bedenken, dass die Symptome Übelkeit und Erbrechen auch während einer normalen Schwangerschaft oder aber aufgrund anderer schwangerschaftsassoziierter Erkrankungen auftreten können. Fieber > 38,0 °C ist ein Hinweiszeichen für Perforation. 

Die Differenzialdiagnostik der Unterbauchschmerzen ist weitläufig und beinhaltet vorzeitige Wehentätigkeit, vorzeitige Plazentalösung, intrauterine Infektionen (Chorioamnionitis), stielgedrehte Adnexe und andere geburtshilfliche Komplikationen sowie nicht-geburtshilfliche Erkrankungen wie die Pyelonephritis, die Cholezystitis oder obs­truktive Darmerkrankungen. Dadurch kann die Diagnose der Appendizitis in der Schwangerschaft erschwert und vor allem verzögert werden. Nichtsdestotrotz ist der rechtsseitige Unterbauchschmerz das häufigste Symptom der Appendizitis in der Schwangerschaft, obwohl der Schmerz nach dem 5. Schwangerschaftsmonat, verursacht durch eine kraniale Verschiebung der Appendix durch das Größenwachstum des Uterus, weniger lokalisiert auftreten kann. Dabei gilt als Faustregel, dass die Appendix in der 20. Schwangerschaftswoche etwa auf Höhe des Nabels liegt.

Bei der Interpretation der Laborbefunde ergibt sich eine weitere Herausforderung in der Diagnosestellung. Im Rahmen einer Schwangerschaft kommt es häufig physiologischerweise zu einer Leukozytose, sodass erhöhte Leukozytenwerte mit Vorsicht zu interpretieren sind. Umgekehrt macht eine Leukozytenzahl < 10.000/mm3 eine Appendizitis jedoch sehr unwahrscheinlich. Auch das C-reaktive Protein scheint in der Schwangerschaft weniger verlässlich zu sein bei der Diagnosestellung, da nur ca. 2/3 der betroffenen Patientinnen erhöhte Werte aufweisen.


Bildgebung: Eine aktuelle evidenzbasierte Guideline des American College of Radiology („ACR Appropriateness Criteria“) aus dem Jahr 2007 erachtet den Abdominalultraschall und die Magnetresonanztomografie als passende bildgebende Verfahren bei rechtsseitigen Abdominalschmerzen in der Schwangerschaft. Bei suspizierter Appendizitis ist aus Sicherheitsgründen, also zur Vermeidung ionisierender Strahlung, der Ultraschall das Verfahren der ersten Wahl. Ein hochgradiger Verdacht wird bei Auffinden einer nicht-komprimierbaren, tubulären, blind endenden Struktur mit einer Dicke von über 6 mm mit oder ohne Vorliegen von Zeichen einer umgebenden Inflammation gestellt. Bei schwangeren Frauen gilt die Sonografie als akkurates diagnostisches Verfahren im 1. und 2. Trimester, im 3. Trimenon aufgrund der Größe des Uterus und der verschiedenen Lagemöglichkeiten der Appendix jedoch als technisch sehr herausfordernd und dadurch unzuverlässiger. Unsicherheit besteht stets, wenn die Appendix nicht eingesehen werden kann.

Als nächster Schritt kann die Magnetresonanztomografie eingesetzt werden. Ihre Stärke liegt vor allem in der hohen Spezifität und dem hohen negativen Vorhersagewert. Kommt eine normale Appendix zur Darstellung, kann eine Appendizitis praktisch ausgeschlossen werden. Dadurch können unnötige computertomografische Untersuchungen bzw. Laparotomien vermieden werden.
Eine Computertomografie sollte in der Schwangerschaft vor allem jenen Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Verdachtsdia­gnose einer Appendizitis mit klinischen Methoden, Ultraschall und Magnetresonanztomografie nicht ausreichend falsifiziert oder verifiziert werden kann. Eine normale Computertomografie (nicht Spiral-CT) ist allerdings ab der Schwangerschaftswoche 13+0 bei korrekter Indikationsstellung prinzipiell erlaubt.

Therapie – konservativ oder chirurgisch?

Es muss zuallererst festgehalten werden, dass es keine randomisierten Studien über das Management nicht-geburtshilflicher Chirurgie in der Schwangerschaft gibt. Eine rezente Metaanalyse bei nicht-schwangeren PatientInnen konnte zeigen, dass eine primäre antibiotische Therapie sowohl ebenso effizient als auch sicher im Vergleich zur Appendektomie bei unkomplizierter akuter Appendizitis ist. Bei schwangeren Frauen ist ein solches Vorgehen nicht allgemein anerkannt. Einige Experten sehen darin eine Gefährdung der Schwangeren vor allem im Hinblick auf septische Komplikationen bei bereits verzögerter Diagnostik und atypischem Verlauf. Für sie bleibt die Operation die Therapie der ersten Wahl. Daher erachten manche Autoren die Appendektomie sogar als großzügiger zu indizieren als bei Nichtschwangeren, um die Perforation und die damit einhergehende Komplikationsgefahr zu vermeiden. Nichtsdestotrotz hat die Operation in der Schwangerschaft unter adäquater antibiotischer Abschirmung zu erfolgen. Die Gabe von Penicillinen, Cephalosporinen, Clindamycin und Makroliden ist unabhängig vom Schwangerschaftsalter bei passender Indikation immer möglich.

Es gibt vielerlei Bedenken gegenüber einem chirurgischen Eingriff während der Schwangerschaft: Einer möglichen Teratogenität der Narkotika, das Risiko einer verhaltenen Fehlgeburt/eines intrauterinen Fruchttodes, das Risiko, durch den Eingriff vorzeitige Wehentätigkeit auszulösen und damit eine Fehlgeburt oder eine Frühgeburt zu bedingen, ein eventueller stärkerer Blutverlust während der Operation mit konsekutiver Minderversorgung des Feten und die Möglichkeit einer postoperativen Infektion im Sinne einer Peritonitis im Extremfall sind hier unter anderem zu nennen. Es ist allgemein anerkannt, dass Patientinnen rund um chirurgische Eingriffe in der Schwangerschaft immer interdisziplinär betreut werden sollten. Das umfasst die Bereich der Chirurgie, Anästhesie, Geburtshilfe und Neonatologie. Dringliche Eingriffe wie eine Appendektomie können und sollen unabhängig vom Gestationsalter durchgeführt werden. 


Einfluss des Schwangerschaftsalters auf die Therapieentscheidung: Die oben in der Einleitung genannten Risiken bei operativen Eingriffen sind abhängig vom Schwangerschaftsalter. 

Im ersten Trimenon (embryonale Phase, SSW 4–13) findet die Organogenese statt, welche mit der 13. Schwangerschaftswoche abgeschlossen ist. Keines der routinemäßig verwendeten Anästhetika bzw. perioperativen Medikamente gilt als teratogen. In diesem Sinne ist die Fehlbildungsrate bei Operationen in der Schwangerschaft nicht erhöht. Ein chirurgischer Eingriff im ersten Trimenon ist aber mit einer etwa 10%igen Rate an spontanen Aborten vergesellschaftet. Daher ist eine strenge Indikationsstellung geboten.
Im zweiten Trimenon (SSW 14–28) beginnt die (theoretische) Lebensfähigkeit des Feten mit der Möglichkeit zur neonatologischen Behandlung inklusive Reanimation ab der Schwangerschaftswoche 23+0.
Im dritten Trimenon (SSW 29–40) muss die Frühgeburtlichkeit erwogen werden, wobei ab der Schwangerschaftswoche 28+0 im Allgemeinen von einer guten kindlichen Prognose ausgegangen werden kann, ab der Schwangerschaftswoche 34+0 von 100%igem schadensfreiem kindlichem Überleben. Obwohl die Evidenz nur schwach ist, sollte für 48 Stunden rund um die Operation eine Tokolyse zur Vermeidung vorzeitiger Wehentätigkeit durchgeführt werden: Beta-Sympathomimetika bis zur Schwangerschaftswoche 23+0 (eventuell in Kombination mit Gestagentherapie), danach Atosiban. In Kombination sollte im Hinblick auf das erhöhte Frühgeburtsrisiko ab Lebensfähigkeit des Kindes eine Lungenreifung durchgeführt werden.

Die Appendektomie selbst sollte in 15°-Links-Seitenlage zur Vermeidung eines Vena-cava-Kompressions-Syndroms in höheren Schwangerschaftswochen erfolgen. Ein fetales Monitoring ist unmittelbar prä- und postoperativ obligat. Da die Laparoskopie in der Schwangerschaft mit einer erhöhten Gefahr eines verhaltenen Fehlgeburt eines intrauterinen Fruchttodes einhergeht, sollte eine offene Appendektomie durchgeführt werden. Bei perforierter Appendizitis und fortgeschrittener Schwangerschaft sollte wegen der Gefahr eines intrauterinen Fruchttods eine gleichzeitige Sectio erwogen werden. 


Forensische Aspekte

Die Gefahren durch Unterlassen von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sind als weitaus größer einzustufen als jene durch ein solches Handeln. Mit Ausnahme der Spiral-Computertomografie besteht keine Einschränkung diagnostischer Techniken ab der Schwangerschaftswoche 13+0. Die Appendizitis und ihre möglichen Komplikationen, insbesondere die Perforation mit konsekutiver Peritonitis, sind in allen Gestationsaltern gefährlicher als die Allgemeinnarkose und jegliche chirurgische Techniken. Es soll hier noch einmal auf die Empfehlung zu einem interdisziplinären Vorgehen hingewiesen werden: Chirurgie, Anästhesie, Geburtshilfe und Neonatologie sollten zusammenarbeiten.

Weiterführende Literatur:
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