Aktuelle Optionen und Checklisten für die Beratung – Notfallverhütung – wann doch ärztliche Konsultation?

Die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr liegt in der periovulatorischen Phase bei ca. 30 %. Indikationen für eine Notfallkontrazeption sind einerseits der Verzicht oder das Versagen konventioneller Verhütungsverfahren (z. B. Barrieremethoden), ungeplanter ungeschützter Verkehr, Anwendungsfehler bei der hormonellen Kontrazeption oder eine Vergewaltigung.

Historische Methoden

Mitte der 1960er-Jahre wurde die so genannte Östrogenmethode nach Hospels eingeführt, die jedoch aufgrund häufiger unerwünschter Wirkungen, wie Blutungen, Übelkeit oder Erbrechen inzwischen wieder verlassen wurde.
Bis vor kurzem war in Österreich die so genannte Östrogen-Gestagen- Methode nach Yuzpe in Anwendung. Dabei wurde ein Kombinationspräparat, bestehend aus Ethinylestradiol und Levonorgestrel eingesetzt. In Ermangelung eines registrierten Präparates wurde hierzu ein Ovulationshemmer (z. B. Neogynon®) verwendet. Die Yuzpe-Methode führt zu einer Störung der physiologischen Vorgänge rund um die Implantation, bei Einnahme vor der Ovulation kann es zu einer Verschiebung des Eisprungs und damit zu einer Verlängerung des Zyklus kommen. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen betrafen Übelkeit (54 %) und Erbrechen (16 %). Schwere unerwünschte Nebenwirkungen wie Thromboembolien wurden nicht berichtet. Die bei der oralen Kontrazeption üblichen Kontraindikationen können nicht auf diese kurzfristige Hormongabe übertragen werden. Die Versagerquote des Yuzpe-Regimes variierte zwischen 0,2 und 7,4 %. Entscheidend für die Wirksamkeit war der Abstand zwischen ungeschütztem Verkehr und der Einnahme des Östrogen- Gestagen-Präparats.

Aktuelle Optionen

Levonorgestrel (Vikela®, Postinor®): Seit Oktober 2001 steht in Österreich ein neues, registriertes Präparat für die postkoitale Kontrazeption zur Verfügung. Es handelt sich um ein reines Ges tagen-Präparat. Mit Bescheid des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen wurde die Levonorgestrelhältige „Pille danach“ per 17. Dezember 2009 rezeptfrei gestellt (Antragseingabe erfolgte nur für die Vikela®), sie ist seither als OTC-Medikament (Over-the-Counter-Medikament) erhältlich. Die Levonorgestrelpille verhindert den Eisprung durch Unterdrückung des LH-Peaks. In einer von der WHO durchgeführten, randomisierten Multicenterstudie wurde eine Schwangerschaftsrate von 1,1 % für das Levonorgestrel versus 3,2 % für das Yuzpe-Regime berichtet. Die Einnahme von Levonorgestrel innerhalb von 72 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr kann ungefähr 85 % der erwarteten Schwangerschaften verhindern. Der Anteil an unerwünschten Wirkungen war verglichen mit dem Yuzpe-Regime signifikant geringer.

Mifepriston (Mifegyne®): Eine ähnlich gute Wirksamkeit ohne signifikante unerwünschte Wirkungen zeigt Mifepriston (RU 486, Mifegyne®), das bereits in sehr niedriger Dosierung und bis zu 5 Tage nach ungeschütztem Verkehr den Eintritt einer Schwangerschaft verhindern kann. Derzeit gibt es allerdings keine Bestrebungen, eine Zulassung von Mifepriston für diese Indikation zu erreichen.

Im Einlegen eines Intrauterinpessars bis zu 5 Tage nach dem ungeschützten Verkehr besteht eine nicht-hormonelle Option der Notfallkontrazeption. Es verhindert die Nidation und ist kein Abortivum. Die Schwangerschaftsrate für dieses Verfahren beträgt 0,1 % und liegt deutlich niedriger als für die hormonellen Maßnahmen. Zusätzlich kann das gelegte Intrauterinpessar für die weiterführende Kontrazeption intrauterin belassen werden. Allerdings sind Intrauterinpessare aufgrund der möglichen unerwünschten Nebenwirkungen wie Schmerzen, Blutungen und Entzündungen nicht für alle Frauen geeignet.

Ulipristalacetat (ellaOne®): Seit Jänner 2010 ist nun eine neue, rezeptpflichtige „Pille danach“ erhältlich. Dieses Präparat enthält den Wirkstoff Ulipristalacetat (CDP-2914), einen selektiven Progesteronrezeptormodulator (SPRM), der dosisabhängig die Ovulation unterdrückt bzw. hinausschiebt. Im Unterschied zu Levonorgestrel ist Ulipristalacetat im Sinne der Schwangerschaftsverhütung auch noch nach bereits eingetretenem LH-Peak wirksam. Auch besitzt diese neue Form der „Pille danach“ ein größeres Zeitfenster als die bisherigen Präparate, sie ist während eines Zeitraumes von 5 Tagen nach ungeschütztem Verkehr in gleichbleibender Weise wirksam.
In einer Doppelblind-Studie war Ulipristalacetat in der Verhütung von Schwangerschaften nach ungeschütztem Verkehr bei Einnahme innerhalb von 72 Stunden gleich effektiv wie Levonorgestrel. Während jedoch bei Levonorgestrel-Medikation die Wahrscheinlichkeit der Verhinderung einer Schwangerschaft in Abhängigkeit von der Dauer zwischen ungeschütztem Verkehr und dem Zeitpunkt der Einnahme der Tablette rapid absinkt (die Effektivität beträgt 95 % innerhalb der ersten 24 Stunden, über 85 % zwischen der 24. und 48. Stunde, nur mehr 58 % nach der 48. bis 72. Stunde, ist für Ulipristalacetat von einer gleichbleibenden kontrazeptiven Wirkung bis zu 120 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr auszugehen.
Im Rahmen einer anderen großen Studie wurden die Schwangerschaftsraten unter Ulipristalacetat mit jenen ohne Notfallkontrazeption verglichen. Folgende Daten wurden erhoben: Bei 1.241 Frauen wurden nach Ulipristalacetat 46 Schwangerschaften beobachtet, die Schwangerschaftsrate betrug demnach 2,1 %, wohingegen ohne „Pille danach“ eine Schwangerschaftsrate von 5,5 % (= 69 Schwangerschaften) zu erwarten gewesen wäre. Gesamt gesehen wurde bei Medikation innerhalb von 5 Tagen nach ungeschütztem Verkehr 62,3 % der Schwangerschaften verhindert, wobei die Effektivität innerhalb dieses Zeitfensters nicht abnahm. Die Studie zeigte also, dass die Medikation mit 30 mg Ulipristalacetat zum Zwecke der Notfallkontrazeption bis zu 5 Tage nach ungeschütztem Verkehr effektiv ist. Dieser Umstand ist durchaus von Bedeutung, da laut Daten der WHO eine von 10 Frauen das Medikament erst nach einem Zeitfenster von mehr als 3 Tagen nach ungeschütztem Verkehr einnimmt. Auch in der vorliegenden Studie war dies bei fast 50 % der Probandinnen der Fall.
Während also für Frauen mehr als 72 Stunden nach ungeschütztem Verkehr das Einsetzen einer Spirale („Spirale danach“) bislang die einzige Möglichkeit für die postkoitale Kontrazeption war, wurde mit Ulipristalacetat eine neue medikamentöse und gut verträgliche Option eröffnet.
Veränderungen des Menstruationszyklus:
Unter Ulipristalacetat nahm die Zykluslänge um knapp 3 Tage zu, die Blutungsdauer war gering verlängert, und knapp 10 % der Frauen (8,7 %) berichtete über Blutungen während des Zyklus.

Checklisten zur Notfallkontrazeption

Wann soll man zum Thema Notfallkontrazeption die Fachärztin/ den Facharzt kontaktieren?

  • wenn das Zeitfenster zum Verkehr zu groß ist, also mehr als 72 h seit dem ungeschütztem Verkehr
  • generell bei bestehenden Vorerkrankungen, Fragen zu Nebenwirkungen, Fragen zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, Wunsch nach mechanischer Notfallverhütung („Notfallspirale“) 

Welche Patientengruppen sollen keine „Pille danach“ erhalten?

  • bei Frauen mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion nicht empfohlen
  • bei schweren Leberfunktionsstörungen ist eine Anwendung einer lang wirksamen EC nicht empfohlen
  • Frauen mit bestehender Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile
  • Frauen mit bestehender Schwangerschaft 

Wechselwirkungen mit Ulipristalacetat:

  • Eine Verstärkung der Wirksamkeit kann durch CYP3A4- Inhibitoren (z. B. Ketoconazol) hervorgerufen werden – die klinische Relevanz ist nicht bekannt.
  • Eine Abnahme der Wirksamkeit durch: CYP3A4-Induktoren (z. B. Rifampicin, Carbamazepin, Johanniskraut etc.) und Arzneimittel, die den pH-Wert im Magen erhöhen (z. B. Protonenpumpenhemmer [PPI], Antazida, H2-Rezeptorantagonisten). Eine gleichzeitige Anwendung wird nicht empfohlen! 
  • Die kontrazeptive Wirkung von Progesteron wird durch die „neue“ „Pille danach“ reduziert!
  • Die gleichzeitige Anwendung einer „Pille danach“ mit Levonorgestrel als Wirkstoff wird nicht empfohlen.
  • ellaOne® kann die Wirksamkeit einer „normalen Pille“ beeinträchtigen. Deshalb: Anwendung einer zuverlässigen Barrieremethode bei jedem weiteren Geschlechtsverkehr bis zum Beginn der nächsten Menses. 

Folgende Fragen im Kundengespräch der ApothekerInnen oder im Beratungsgespräch mit der Ärztin sollten gestellt werden:

  • Wurden bisher Verhütungsmethoden angewendet, wenn ja, welche? Einnahmefehler mit der Pille und unsichere Verhütungsmethoden sind bei jungen Mädchen häufig und sollten auf ihre Relevanz bewertet werden. Im Zweifel ist die Notfallkontrazeption die beste Lösung.
  • Wann hat der Verkehr stattgefunden? Je unsicherer die Angabe des Zeitpunktes ist, umso fraglicher fällt die erhoffte Wirkung aus. Das Medikament selbst (Vikela® bzw. Postinor ®) kann zu jedem Zykluszeitpunkt innerhalb von 72 h (optimal 24 h) zur Anwendung kommen. Bis zum 5. Tag nach Verkehr sollte Ulipristalacetat rezeptiert werden.
  • Wurde schon einmal die „Pille danach“ verwendet? Von einer Wiederholung im gleichen Zyklus wird abgeraten. Die postkoitale Notfallkontrazeption soll nicht als Ersatz für die Pille dienen.
  • Ist die Kundin/Patientin gesund? Bei Malabsorption (Morbus Crohn) und Antiepileptika-Gebrauch (Leberenzyminduktion) kann die Wirksamkeit der „Pille danach“ eingeschränkt sein. Bis auf Überempfindlichkeitsreaktionen auf Wirk- und Hilfsstoffe existieren übrigens keine berücksichtigungswürdigen Kontraindikationen.
  • Wann war die letzte Regel? Die Frage erlaubt es, eine Schwangerschaft auszuschließen, wobei Levonorgestrel nicht zum Einsatz kommen soll. Im Zweifelsfall kann nichts passieren, weil Vikela®/Postinor® keine abortiven und teratogenen Eigenschaften besitzen. Eine gynäkologische Untersuchung ist nicht erforderlich. Im Krankenhaus sollte aus forensischen Gründen ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden.
  • Kein Schutz für den Rest des Zyklus! Um keine falschen Meinungen aufkommen zu lassen, sollte darauf hingewiesen werden, dass nach der Einnahme der „Pille danach“ für den Rest des Zyklus kein Empfängnisschutz besteht. 

ZUSAMMENFASSEND stellt die Postkoitalpille eine wichtige Option bei Versagen oder Nichtanwendung anderer Kontrazeptionsmaßnahmen dar. Aufgrund der Wirksamkeit und des Nebenwirkungsprofils sollte die in Österreich zugelassene Levonorgestrel- Applikation (Vikela®, Postinor®) innerhalb von 24 Stunden Therapie der ersten Wahl sein. Darüber hinaus bis zum 5 Tag nach Verkehr empfiehlt es sich, den selektiven Progesteronrezeptormodulator zu rezeptieren oder die Möglichkeit einer mechanischen Methode in Form einer Kupferspirale anzusprechen, wenn eine darauffolgende Langzeitverhütung gewünscht wird.

Literatur bei der Verfasserin