Zukunft des Brustkrebsscreenings – Atemgasanalyse für eine zukünftige nicht-invasive Medizin

Unsere ausgeatmete Luft setzt sich neben Sauerstoff, Stickstoff, Wasserdampf und Kohlendioxid noch aus einer komplexen Mischung aus hunderten organischer Stoffe in sehr geringen Konzentrationen, den so genannten Spurengasen, zusammen. Während des Gasaustausches in den Lungenbläschen werden einerseits Stoffe in den Körper aufgenommen, der prominenteste Vertreter hierfür ist Sauerstoff, aber auch an das Atemgas abgegeben und auf diese Weise vom Körper abgeführt. Diese Stoffe können Stoffwechselprodukte wie das CO2 sein, das durch die Atmung effizient ausgeschieden wird.

Atemluft als diagnostisches Medium

Man kennt heute eine Vielzahl an niedermolekularen chemischen Verbindungen, die vom Körper in die ausgeatmete Luft, das Atemgas, abgegeben werden. Diese Stoffe folgen entsprechend der physikalisch-chemischen Gesetze dem Konzentrationsgefälle und streben den Gleichgewichtsdampfdruck im alveolaren Gas an. Durch die Messung dieser Stoffe im end-tidalen Anteil der ausgeatmeten Luft kann man auf die Konzentration im Blut zurückschließen, wie dies z. B. beim Alkotest im Rahmen einer Verkehrskontrolle geschieht.

Der Ursprung der organischen Spurenstoffe im Atemgas ist oft nicht eindeutig. Ist die eingeatmete Luft stark mit Chemikalien belastet, etwa am Arbeitsplatz oder durch Verhaltensweisen wie z. B. das Zigarettenrauchen, so werden diese Stoffe beim Atmen in den Körper aufgenommen. Sobald die Hintergrundbelastung sinkt, werden diese Stoffe wieder an das Atemgas abgegeben. Organische Moleküle können auch Zwischen- oder Endprodukte eines bestimmten Stoffwechselvorganges sein. Auch die Mikroorganismen des Verdauungstraktes produzieren eine Vielzahl von Chemikalien, die durch die Körpermembranen hindurch in den Blutkreislauf gelangen können, und in Folge in der Atemluft auftreten.1

Dass der Geruch der Atemluft durch Erkrankungen verändert wird, wissen wir seit langer Zeit. Der Geruchseindruck eines Kranken wird seit der Antike von Ärzten für ihre Beurteilung verwertet. Man spricht hier etwa vom Foetor hepaticus oder dem Urin-ähnlichen Geruch des Atems der Nierenkranken sowie dem fruchtig-aromatischen Geruch beim unbehandelten Diabetiker.2
Dieses „alte Wissen“ wurde in den letzten Jahrzehnten wieder aufgegriffen, um die Atemluft als potenzielles diagnostisches Medium unter die Lupe zu nehmen. Mit Hilfe von modernen analytischen Messmethoden versuchen dabei die Forscher, die genaue chemische Zusammensetzung der Atemluft zu bestimmen und Zusammenhänge zwischen einzelnen Chemikalien und physiologischen bzw. pathologischen Vorgängen herauszufiltern.
Dass der Geruchssinn von Hunden so empfindlich ist, dass sie verbotene Stoffe an Landesgrenzen und Flughäfen aufspüren können oder Vermisste nach Naturkatastrophen orten können, ist hinlänglich bekannt. In den vergangenen Jahren ließen Forscher damit aufhorchen, dass sie Spürhunde erfolgreich darin trainieren konnten, einen krebskranken Menschen anhand seiner Atemluft zu identifizieren. Dabei erreichen diese „biologischen Sensoren“ bereits relativ hohe Trefferquoten.3, 4

Welche Atemluftbestandteile es sind, die den trainierten Hund anschlagen lassen, kann man bis heute leider nicht nachvollziehen.

Einerseits könnten es Stoffe sein, die vom Tumorgewebe gebildet werden. Deshalb werden in vielen Forschungslabors direkt die organischen Emissionen von Tumorzellkulturen untersucht.5 Allerdings könnten diese Stoffe nur dann im Atemgas eines Patienten gefunden werden, wenn sie vom Tumor in den Blutkreislauf in ausreichenden Mengen abgegeben werden.
Eine andere Möglichkeit wäre, dass es sich um Stoffe handelt, die vom Körper als Antwort auf die Tumorerkrankung gebildet werden. Möglicherweise zirkulieren derartige Stoffe bereits in einem frühen Erkrankungsstadium im Blutkreislauf, so dass sie mit analytischen Messgeräten aufgespürt werden können.

Innsbrucker Pilotstudie

Basierend auf dieser These wurde an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in den vergangenen zwei Jahren eine Pilotstudie durchgeführt.
Dabei wurden erstmals Atemgasproben systematisch mit der hochempfindlichen Methode der Protonentauschreaktion-Flugzeit-Massenspektrometrie, einem der sensitivsten Geräte für die Messung organischer Spurengase, analysiert. Die Proben stammten von 65 Frauen (Durchschnittsalter 53 Jahre), die von einer Brustkrebserkrankung betroffen waren, und 137 Frauen (Durchschnittsalter 54 Jahre), bei denen Brustkrebs ausgeschlossen wurde (Kontrollgruppe).

Welche Atemluft-Substanzen unterscheiden Krebskranke von Gesunden? Ziel der Studie war die qualitative und quantitative Beschreibung der chemischen Zusammensetzung der Atemgasproben. Die Messdaten wurden aufwändig aufbereitet, um eine möglichst sichere Zuordnung der gemessenen Signale zu chemischen Molekülen zu erreichen. Die Daten wurden in Untergruppen nach Tumorcharakteristika unterteilt, sofern die auftretenden Fallzahlen groß genug waren, und nach charakteristischen Merkmalen gesucht. Komorbiditäten wurden in der gegenständlichen ersten Auswertung nicht berücksichtigt.
Atemluftstoffe, die durch Zigarettenrauchen erhöht sein können, wurden bewusst ausgeschlossen.
Im gegenständlichen Datensatz wurde insgesamt zwischen 790 spektralen Signalen unterschieden. Davon wurden 6 Substanzen als potenzielle Unterscheidungsmerkmale zwischen Krebspatientinnen und Kontrollpersonen erkannt.

Charakteristisch erniedrigte Isopren-Konzentration: Eines dieser charakteristischen Merkmale der Brustkrebspatientinnenproben war eine statistisch signifikante Erniedrigung der Isopren-Konzentration in der ausgeatmeten Luft. Dieser Befund ist konsistent mit den Ergebnissen einer unabhängigen Atemgasstudie an 80 Lungenkrebspatientinnen (Untergruppe von insgesamt 200 Patienten) aus dem Jahr 20096, bei denen die mediane Konzentration von Krebspatientinnen um 30 % niedriger war als in der Kontrollgruppe. Dieselbe Forschergruppe wies 2012 zusätzlich einen inversen Zusammenhang zwischen der Atemgas-Isopren-Konzentration von Lungenkrebspatienten und Blutmarkern für die Aktivierung des Immunsystems (z. B. Neopterin) nach.7 Möglicherweise, so die Interpretation der Forscher, sind Änderungen im Fettstoffwechsel die Ursache für die Isopren-Konzentrationserniedrigung, weil auch ein Zusammenhang mit dem Gesamtcholesterin und den LDL-Konzentrationen auftrat. Isopren (2-Methyl-buta-1,3-dien) ist ein Kohlenwasserstoff, der in der Cholesterinbiosynthese eine noch nicht vollständig geklärte Rolle spielt.8
In einer weiteren unabhängigen Studie mit 53 Lungenkrebspatienten und 69 Kontrollpersonen fanden die Forscher ebenfalls eine statistisch signifikante Erniedrigung der Konzentrationen von Isopren, die beim Typ des Adenokarzinoms besonders ausgeprägt war.9
In der gegenständlichen Studie war die Isopren-Konzentration in der Gruppe der prämenopausalen Patientinnen (Mean 206 ± 115 ppb, Median 187 ppb) um 25 % niedriger als in der Kontrollgruppe (Mean 272 ± 110 ppb, Median 254 ppb; p-Wert = 0,003), wie in der Abbildung dargestellt ist.
Ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen zwei Werten lag dann vor, wenn mittels des Mann-Whitney-U-Tests der p-Wert < 0,05 gefunden wurde.

 

 

RESÜMEE: Atemgasproben von 65 Brustkrebspatientinnen und 137 Kontrollpersonen wurden mit modernster massenspektrometrischer Technik chemisch analysiert und die Daten nach charakteristischen Merkmalen untersucht. Dabei fand man bei den Brustkrebspatientinnen eine statistisch signifikant erniedrigte Isopren-Atemluftkonzentration. Dieses Ergebnis ist konsistent mit zwei unabhängigen Studien an Lungenkrebspatienten. Möglicherweise spiegelt die Abnahme im ausgeatmeten Isopren eine chronische Aktivierung des Immunsystems wider.

 

Darlegung von Interessenkonflikten: Dr. Ingrid Kohl, Jürgen Dunkl und Dr. Jens Herbig sind Angestellte der Firma Ionimed Analytik GmbH, die die durchgeführte Studie teilfinanzierte. Sie verwendeten für die Atemgasanalysen Messgeräte der Firma Ionimed Analytik GmbH und Ionicon Analytik GmbH, die die Mutterfirma der Ionimed ist.
Die Mitarbeiter der Universitätskliniken für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und für Radiologie der Medizinischen Universität unterstützten das Forschungsprojekt im Rahmen von Oncotyrol bei der Patientenrekrutierung, durch die Erhebung der klinischen Daten und bei der Ergebnisbewertung. Sie erhielten keine finanziellen Zuwendungen.
Die Studie wurde nach den geltenden Gesetzen und der Deklaration von Helsinki folgend durchgeführt. Finanzielle Unterstützung erhielt die Studie im Rahmen des westösterreichischen Kompetenzzentrum Oncotyrol vom Bundesministerium für Transport, Innovation und Technologie (BMVIT), dem Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ) und von den Ländern Tirol und Steiermark.

 

 

1 Beauchamp J., J Breath Res 2011; 5:037103.

2 Phillips M., Scientific American 1992; 267:74-79

3 McCulloch M. et al., Integr Cancer Ther 2006; 5:30-39

4 Ehmann R. et al., European Respiratory Journal 2012; 39:669-676

5 Hakim M. et al., Chemical Review 2012; 112:5949–5966

6 Bajtarevic A. et al., BMC Cancer 2009; 9:348-364

7 Fuchs D. et al., J Breath Res 2012; 6:027101

8 Stone B.G. et al., Lipids 1993; 28:705-708

9 Herbig J. et al., Contributions – 4th International Conference on Proton Transfer Reaction Mass Spectrometry and Its Applications, 2009, Innsbruck