Highlights aus 2018 und 2019: Nierenbeteiligung bei Systemerkrankungen

ANCA-assoziierte Vaskulitis

In den letzten Jahren hat sich das Konzept der ANCA-assoziierten Vaskulitis (AAV) geändert.

ANCA-Serologie – PR3- vs. MPO-ANCA: Die Klassifizierung der Patienten nach der klinischen Diagnose wie mikroskopische Polyangiitis (MPA) oder Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) ist in der Einschätzung der Prognose hilfreich, es gibt jedoch immer mehr Evidenz, dass die vorliegende ANCA-Serologie (PR3- oder MPO-ANCA) für das Ansprechen der Therapie, den Outcome und das Relapsrisiko der klinischen Diagnose (GPA oder MPA) überlegen ist. Dies wird auch durch den unterschiedlichen genetischen Hintergrund von PR3- und MPO-ANCA unterstützt. Patienten mit PR3-positiver Vaskulitis zeichnen sich durch einen anderen Phänotyp aus, haben ein höheres Relapsrisiko und weisen bei renaler Beteiligung auch häufig eine vergleichsweise höhere Aktivität in der Nierenhistologie auf. Im Unterschied dazu haben MPO-positive Patienten mit renal limitierter Vaskulitis ein relativ niedriges Relapsrisiko. Die Änderung dieser Sichtweise nimmt auch zunehmend Einfluss auf die Interpretation der Studien sowie auf die Therapiegestaltung.

Standard of Care der Behandlung der AAV ist eine Remissions­induktion bestehend aus hochdosierten Glukokortikoiden in Kombination mit entweder Cyclophosphamid (CYC) oder Rituximab (RIT). Ist eine Remission erreicht und gut dokumentiert, etwa nach 3–6 Monaten, so wird eine Erhaltungstherapie etabliert, um Rezidiven vorzubeugen. Die Langzeitprognose wird vor allem durch die Anzahl von Rezidiven und die damit verbundenen Schäden sowie durch die therapieassoziierte Komorbidität bestimmt.
In einer EUVAS-Studie (MYCYC, Jones R., Ann Rheum Dis 2019) konnte gezeigt werden, dass Mycophenolat-Mofetil (MMF) eine Alternative zu CYC in der Remissionsinduktion darstellt. Im Verlauf kam es jedoch im MMF-Arm zu einer höheren Relapsrate, welche in einer Post-hoc-Analyse auf eine Häufung der Relapse bei PR3-positiven Patienten zurückführen war, jedoch nicht bei MPO-positiven. MMF stellt daher eine Alternative für Patienten mit niedrigem Relapsrisiko, wie für MPO-positive Patienten, oder auch ältere Patienten mit einem niedrigen Ausgangsrisiko dar.

Rituximab (RIT) in der Therapie der AAV gehört zu den größten Veränderungen der letzten Jahre. RIT hat sich 2010 als Induktionstherapie der generalisierten AAV im Vergleich mit CYC als gleich wirksam erwiesen, in der Therapie von Rezidiven sogar als überlegen (RAVE), bei unveränderten schweren Nebenwirkungen (SAE).
Bei Patienten mit schwerster renaler Beteiligung war RIT in Kombination mit niedrig dosiertem CYC gleich effektiv wie die CYC-Standardtherapie. Generell braucht RIT eine gewisse Zeit, um seine volle Wirkung zu entfalten. Während ANCA meist relativ rasch abfallen, tritt der klinische Effekt häufig etwas später ein. Bei Vorliegen einer renalen Vaskulitis ist eine rasch einsetzende und effektive Therapie für die Prognose entscheidend. Dieses „gap“ kann einerseits durch hoch dosierte Steroide – welche wir im Hinblick auf Nebenwirkungen eher vermeiden wollen – oder durch die zusätzliche Gabe von CYC zu RIT geschlossen werden.
Mehrere retrospektive Studien zeigten mit einer Kombination von niedrig dosierten CYC/RIT-Protokollen sowohl einen Steroid-sparenden als auch einen sehr guten therapeutischen Effekt. Eine Gruppe aus Boston hat unter CYC p. o. für 8 Wochen in Kombination mit RIT 1 g/4 Monate und niedrig dosierten oralen Kortikosteroiden (OCS) eine ausgezeichnete Responserate von 91 % nach 6 Monaten beobachtet (Cortazar et al., KI 2018). Ähnliche Ergebnisse zeigte eine weitere retrospektive Analyse aus London bei 66 Patienten mit renaler AAV. Auch hier wurde mit Low-Dose-CYC/ RIT/Low-Dose-OCS nach 6 Monaten eine Remission in 94 % erzielt. Im Vergleich mit einer gematchten Kohorte aus den EUVAS-Trials zeigte sich mit der Low-Dose-CYC/RIT ein besseres Ergebnis betreffend Mortalität, Relapsrate und ESRD (McAdoo, NDT 2018). Generell wurden unter B-Zell-Depletion weniger Relapse bei anhaltend negativen ANCAs beobachtet.
In einem prospektiven Setting wurden OCS erfolgreich bereits nach 2 Wochen abgesetzt (Pepper R. et al, Rheumatology, 2018).
Neben steroidsparenden Protokollen sind Fragen zum optimalen Umgang mit RIT aktuell von Interesse. Dazu zählen die optimale RIT-Dosis, das Dosierungsintervall und die Therapiedauer zur Prävention von Rezidiven. In einer kleinen Studie war in der Remissionsinduktion zwischen 4 x und 2 x RIT 375 mg/m2/Woche kein Unterschied, wobei allerdings unter der halben Dosierung gleich viele SAE beobachtet wurden (Takakuwa, Clinical Rheumatol, 2018).
Die bis dato größte EUVAS-Studie wurde heuer im Rahmen der EDTA vorgestellt. Die PEXIVAS-Studie schloss 704 Patienten mit schwerer AAV (GFR < 50 ml/min und/oder Lungenblutungen) ein und untersuchte einerseits den Effekt der Plasmaseparation zur Standardtherapie (OCS + CYC oder RIT), andererseits ein deutlich reduziertes Kortisonschema im Verglich zu Standard-OCS. Überraschenderweise brachte die Plasmaseparation keine Verbesserung für die Mortalität oder die Vermeidung von ESRD. Niedrig dosierte Steroide erwiesen sich als gleich effektiv wie die Standarddosis, es wurden jedoch signifikant weniger Infektionen beobachtet. Entsprechende Subgruppenanalysen stehen noch aus (Walsh et al., EDTA 2018).

Erhaltungstherapie: Die Französische Gruppe hat nun die Langzeitergebnisse der MAINRITSAN-Studie publiziert, welche nach einer Induktion mit CYC eine Erhaltung mit Azathioprin (AZA) oder RIT 500 mg/6 Monate verglich. Nach 28 Monaten zeigte sich eine Major-Relapse-Rate von nur 5 % mit RIT vs. 29 % mit AZA. Im 60-Monate-Follow-up kam es nach Absetzen der Therapie zu einem Anstieg im AZA-Arm, nach einer Verzögerung von etwa 12 Monaten allerdings auch im RIT-Arm, speziell bei PR3-positiven Patienten. Interessanterweise war die Präsenz von B-Zellen ein Jahr nach der letzten RIT-Gabe prädiktiv für einen Relaps (Terrier B. et al., Ann Rheum Dis 2018).
Eine weitere französische Studie verglich ein fixes RIT-Schema (500 mg alle 6 Mo.) mit einem auf Biomarkern (B-Zellen, ANCA) basierenden RIT-Schema. Es fand sich kein eindeutiger Unterschied das rezidivfreie Überleben betreffend. Numerisch traten jedoch mehr Rezidive in der Biomarker-gesteuerten Gruppe auf, der RIT-Verbrauch war höher unter einer fixen Dosierung (Charles, Ann Rheum Dis 2018).

Lupus-Nephritis

In den letzten Jahren haben einige Studien einen guten Effekt von Calcineurin-Inhibitoren in der Behandlung der Lupus-Nephritis (LN) gezeigt, dies insbesondere in Form einer Multitarget-Therapie in Kombination mit MMF und OCS als Remissionsinduktion. Die meisten Studien kamen aus dem asiatischen Raum. Voclosporin ist ein Derivat von Cyclosporin A und hat den ­Vorteil, dass es auf Grund seines pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Profils fix dosiert werden kann. In der AURA-LN-Studie wurden 265 Patienten mit LN III, LN IV +/– LN V oder LN V in 3 Arme randomisiert: Placebo, niedrig dosiert Voclosporin (23,7 mg 2 x/d) oder hoch dosiert Voclosporin (39,5 mg 2 x/d), alle in Kombination mit MMF und einem steroidsparenden Steroidregime (Rovin, KI 2018). Die Studie hat ihren primären Endpunkt mit einer CR nach 24 Wochen erreicht, wobei die höchste Remissionsrate in der niedrig dosierten Voclosporin-Gruppe erzielt wurde. Es kann jedoch unter Voclosporin zu signifikant mehr SAE und Todesfällen, sodass zur definitiven Beurteilung noch weitere Studien erforderlich sind.

ZUSAMMENFASSUNG: Die ANCA-Serologie (PR3, MPO) gewinnt im Vergleich zur klinischen Diagnose in Bezug auf den Outcome und das Relapsrisiko immer mehr an Bedeutung. Neue RIT-basierende Strategien haben das Ziel, eine Remission noch rascher zu erreichen und Steroide zu sparen. Die Kombination von Low-Dose-CYC/RIT hat sich auch bei schwerer renaler Beteiligung als effektiv erwiesen. Erste Ergebnisse der PEXIVAS-Studie zeigen bei Patienten mit einer renalen Vaskuliti
s und einer GFR < 50 ml/min keinen Benefit einer zusätzlichen Plasmaseparation zu SOC betreffend Mortalität oder ESRD, Subgruppen­analysen werden erwartet. Darüber hinaus erwies sich ein niedrig dosiertes Steroidregime als gleich wirksam wie Standarddosen, bei weniger Infektionen. RIT ist sehr effektiv in der Prävention von Rezidiven, Relapse nach Absetzen von RIT werden jedoch nicht verhindert.