Ein Update anhand 2018 und rezent publizierter Arbeiten: Neues zum CKD-MBD-Syndrom

Das letzte Jahrzehnt hatte zur Pathophysiologie des CKD-MBD-Syndroms (Chronic Kidney Disease-Mineral Bone Disorder) eine Reihe von Umwälzungen mit sich gebracht.

Phosphatonin FGF-23 in neuem Licht

Allen voran sind die Phosphatonine FGF-23 gemeinsam mit Klotho in das Zentrum des sekundären Hyperparathyreoidismus gerückt, um den Körper vor einer vermeintlichen Phosphatüberlastung zu schützen. PTH als sensitivstes Hormon einer beginnenden Niereninsuffizienz wurde nachgereiht, und aktives Vitamin D mit seiner neuen Rolle im CKD-MBD-Kontinuum wurde als möglicher Störfaktor neu interpretiert, der durch Hemmung seiner Aktivierung durch FGF-23 in Schach gehalten werden muss, um seine phosphatsteigernde Potenz nicht entfalten zu können. Gerade auf FGF-23 hat man sich in den letzten Jahren sehr konzentriert, da zum Einen dessen Menge im Serum von nierenkranken Menschen direkt mit erhöhter Mortalität korreliert, zudem wurden experimentelle Befunde erhoben, wonach FGF-23 eine potenziell kardiotoxische Wirkung besitzen könnte, v. a. durch Induktion einer Linksventrikelhypertrophie.
Innerhalb des letzten Jahres aber sind einige grundlegende Arbeiten zu FGF-23 erschienen, welche dieses von Osteoblasten produzierte Hormon wieder in ein neues, anderes Licht rücken.

Eher Hochrisikomarker als kausal kardiotoxischer Faktor: Zwar konnten Scialla et al. schon 2014 anhand der CRIC-Studienpatienten beschreiben, dass FGF-23 bei CKD-3-Patienten ohne Assoziation mit Linksventrikelhypertrophie, CKD-Stadium und anderen klassischen Risikofaktoren mit einer erhöhten Mortalität assoziiert ist, nun jedoch gelangen Marthi et al. in einer Metaanalyse zu FGF-23 und Mortalität zu einer neuen wegweisende Einsicht (JASN 2018). Es wurden 17, 9 und 8 prospektive Patientenkohorten (nierengesund, CKD-Stadien 2–3 und CKD 5d) auf kardiovaskuläre Endpunkte sowie Mortalität an Hand der FGF-23-Plasmaspiegel untersucht, wobei die Hypothese überprüft wurde, ob es eine Kausalität zwischen FGF-23-Exposition und kardiovaskulären Endpunkten gibt. Die sich durch alle Patientengruppen ziehende ähnliche Beziehung zwischen Ausmaß der FGF-23-Erhöhung und Endpunkten – also auch bei Nierengesunden – und die Absenz einer klaren Expositions-zu-Reaktions-Beziehung weist sehr stark auf eine nicht-kausale Rolle von FGF-23 für das erhöhte kardiovaskuläre Risiko hin. Die Ursache für diese Befunde wird eher einem sog. „Residual Confounding“ zugeordnet, welches entsteht, wenn unzureichende Informationen über potenzielle Störfaktoren in einer Studie vorhanden sind oder diese falsch kategorisiert oder missklassifiziert werden. Vielmehr muss man mit diesen und weiteren rezenten Daten über FGF-23 zum Schluss kommen, dass Patienten mit erhöhten FGF-23-Werten schlichtweg extreme Hochrisiko-Patienten sind, egal ob mit oder ohne Niereninsuffizienz. Zudem erscheint die Beziehung zwischen FGF-23 und kardiovaskulärem Risiko eine hochkomplexe zu sein, und FGF-23 scheint eher einer kardiovaskulären Hochrisiko-Konstellation zu folgen, als ein kardiovaskuläres Problem selbst zu induzieren.
Isakova et al. beobachteten bei CKD-Patienten der CRIC-Studie anhand serieller FGF-23-Bestimmungen, dass es eine kleine Gruppe von Patienten gibt, welche deutlich erhöhte FGF-23-Spiegel aufweisen und damit einhergehend ein 15-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko aufweisen (JASN 2018); interessanterweise wurde keine Assoziation mit CKD-Progression, arterieller Hypertonie oder erhöhten Phosphatspiegeln festgestellt, vielmehr kommen die Autoren ebenso zu dem Schluss, dass FGF-23 außerhalb des CKD-MBD-Rahmens einen prognostisch schlechter Indikator für Patienten darstellt (Zhou et al., JASN 2018).
Selbst bei Intensivpatienten mit akutem Nierenversagen, etwa im Rahmen eines Lungenversagens bei Intensivaufenthalt, zeigen erhöhte FGF-23-Spiegel eine deutlich schlechtere Prognose für betroffene Patienten an, was mit einer kausalen Rolle dieses Hormons im CKD-MBD-Syndrom vermutlich wenig oder gar nichts zu tun haben dürfte (Leaf D. et al., JASN 2018).
Auch hinsichtlich der vermeintlich kardiotoxischen Effekte von FGF-23 – es wurde etwa eine Myokardaktivierung über den FGF-4-Rezeptor postuliert – konnten rezente experimentelle Arbeiten diese Hypothese entscheidend schwächen. So demonstrierten Pastor-Arroyo et al. bei einer bestimmten Form der Rachitis, die durch das Fehlen des renalen Phosphattransporters charakterisiert ist, dass die damit einhergehende deutliche Erhöhung von FGF-23 nicht mit einer Linksventrikelhypertrophie oder arterieller Hypertonie einhergeht (Kidney Int 2018).
Ähnlich konnten Matsui et al. in einem experimentellen Setting darlegen, dass eine FGF-23-Erhöhung vielmehr die Folge als die Ursache einer Linksventrikelhypertrophie ist (Kidney Int 2018).

Neue Aspekte zum Energiestoffwechsel bei CKD

Eine völlig neue Sichtweise auf das CKD-MBD-Syndrom wurde durch zwei Arbeiten eingeleitet, welche eine Verknüpfung des sekundären Hyperparathyreoidismus mit dem Energiestoffwechsel hergestellt haben. So wurde zum Einen in vitro demonstriert, dass die Regulation der FGF-23-Produktion über den universellen zellulären Energiesensor, nämlich die AMP-Kinase (AMPK) erfolgt, welche die letztendliche ATP-Produktion – also Katabolismus vs. Anabolismus –- in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit von Nahrungssignalen und der Notwendigkeit der Energiebereitstellung verwaltet (Komaba H. et al., Kidney Int 2018). Bekanntermaßen leiden CKD-5d-Patienten an chronischer Inflammation und Sarkopenie bis hin zur Kachexie: Das Ausmaß dieser klinischen Marker steht bekanntermaßen auch klar mit der Überlebensprognose der Patienten in enger Beziehung. Kir S. et al. haben zwei experimentelle Modelle der Kachexie, ein 5/6-Nephrektomie-Modell als fortgeschrittenes CKD-Modell sowie ein Lungenkarzinom-Modell herangezogen, um den Einfluss einer PTH-Blockade zu untersuchen (Cell Metabolism 2018). Erstaunlicherweise waren PTH-Rezeptor-defiziente Mäuse vor Sarkopenie und Kachexie geschützt, es kam zu keinem „Browning“ des weißen Fettgewebes und das Muskelgewebe konnte trotz CKD oder Tumorlast erhalten bleiben, was im Übrigen hypothesengenerierend das „Obesity-Paradox“ von Dialyse-Patienten erklären könnte. Hinsichtlich der AMPK bei CKD wurden gerade rezent einige Hinweise geliefert, dass dieses zentrale Enzym des Energiestoffwechsels im Rahmen einer CKD dysreguliert ist und speziell am Beispiel der diabetischen Nierenerkrankung in den meisten Nierenzell-Kompartments AMPK eine zentrale Rolle als Effektor oder Mediator besitzt (Rajan R. et al. Curr Opinion Nephrol 2018).
Zusammenfassend können wir aus diesen Befunden eine fundamentale Rolle des Energiehaushaltes für das CKD-MBD-Syndrom erkennen, die über eine reine Kalzium-Phosphat-Gleichung mit konsekutiver Gefäßverkalkung hinausgeht.

CKD-MBD-Marker unter SGLT-2-Hemmer-Therapie

Dass unser Verständnis über die Rolle der einzelnen Moleküle des sekundären Hyperparathyreoidismus für dessen Gesamtbild unvollständig ist, zeigt eine interessante Studie von de Jong et al., welche den Einfluss des SGLT-2-Hemmers Dapagliflozin auf CKD-MBD-Marker untersucht haben (CJASN 2018). SGLT-2-Hemmer stellen derzeit die vielversprechendste therapeutische Möglichkeit zur renalen Progressionsverzögerung dar, dennoch löste Dapagliflozin bei diabetischen CKD-3-Patienten in dieser Studie eine Erhöhung von Serum-Phosphat, PTH, FGF-23 und eine Reduktion der Produktion von aktivem Vitamin D aus. Vermutlich dürfen solche Veränderungen nicht als prinzipiell schlecht oder für den Patienten riskant gesehen werden, vielmehr muss es sich um entsprechende adaptive Änderungen des Organismus nach SGLT-2-Hemmung handeln, da dieser ja stark antialbuminurisch und GFR-stabilisierend wirkt. Im Übrigen stellt die SGLT-2-Hemmung auch eine signifikanten Eingriff in den zumindest tubulären Energiestoffwechsel dar, ein – siehe oben – darüber mediierter Einfluss auf CKD-MBD-Marker durch Modulation des Energies
toffwechsels wäre eine interessante Hypothese.

Gefäßverkalkung bei Dialysepatienten

Eine beschleunigte Gefäßverkalkung bei Dialysepatienten ist bekannt, rezente Entwicklungen versuchen das individuelle Verkalkungspotenzial mittels T50-Assay ex vivo zu bestimmen. In einer interessanten Dialysestudie wurden 59 Patienten über 28 Tage mit der doppelt so hohen Dialysat-Magnesium-Konzentration behandelt und danach wurde das Verkalkungsrisiko mittels T50-Assay analysiert (Bressendorf I. et al., JASN 2018). Tatsächlich wurde selbst nach einer so kurzen Zeit ein signifikanter Effekt auf den T50-Assay beobachtet, die Autoren wiesen klarerweise darauf hin, dass solide Endpunktstudien notwendig sind, um eine Empfehlung für eine erhöhte intradialytische Magnesiumzufuhr machen zu können. Zu bedenken ist, dass ein solches Therapieprinzip auch einfach in der klinischen Praxis umzusetzen wäre.

Risiken durch PPIs

Hinsichtlich Protonenpumpen-Inhibitoren (PPIs), die in der letzten Zeit immer mehr in den Fokus der Kritik in der Nephrologie gekommen sind, v. a. durch ihr Potenzial, eine interstitielle Nephritis in nicht unbeträchtlicher Zahl auslösen zu können, wurden von Vangala et al. Daten bei Dialysepatienten präsentiert, die klar zeigen können, dass diese einen signifikanten Risikofaktor für Hüftfrakturen darstellen (CJASN 2018). Die klare klinische Konsequenz ist daher die gleiche wie für den Einsatz dieser Substanzklasse bei allen, auch nierengesunden Patienten: Nur dann PPI verabreichen, wenn diese klinisch indiziert sind, und diese auch nur so lange wie unbedingt notwendig verordnen.

Bisphosphonate zur Frakturprävention bei CKD

Valide Daten zur Frakturprävention bei CKD-Patienten sind kaum existent, umso weniger bei NTX-Patienten. Eine prospektive Studie zu Zoledronat bei NTX-Lebendspendern wurde von Merquez et al. publiziert, die innerhalb eines Jahres neben einer DEXA auch ein HR-pQCT sowie eine Knochenbiopsie bei den Empfängern nach einmaliger Bisphosphonat-Infusion durchgeführt haben (JASN 2018). Interessanterweise war bei den Placebopatienten kaum eine Reduktion der Knochendichte zu beobachten, das Immunsuppressionsprotokoll war angelehnt an das ELITE-SYMPHONY-Protokoll und steht damit im Widerspruch zu einer Vielzahl von älteren Publikationen. Darüber hinaus war kaum ein Unterschied zwischen beiden Gruppen in der Knochenbiopsie zu beobachten, bei beiden zeigte sich eine Abnahme der trabekulären Konnektivität. Eine prophylaktische Bisphosphonatgabe zum Zeitpunkt der Transplantation scheint damit nicht sinnvoll, Bisphosphonate sollten daher nur speziellen Hochrisikopatienten vorbehalten sein, obgleich ein Frakturschutz durch Bisphosphonate in Zukunft aufgrund der benötigten Fallzahl bei NTX-Patienten wohl niemals solide nachgewiesen werden wird.

Validität einer Hautbiopsie zur Kalziphylaxie-Diagnostik

Die Frage nach der Sinnhaftigkeit oder Validität einer Hautbiopsie bei Verdacht auf eine Kalziphylaxie wird immer noch kontrovers diskutiert, zumal diese auch potenziell gefährlich sein kann.
In einer Biopsie-Studie mit Dialysepatienten und Verdacht auf Kalziphylaxie versus Biopsien von Patienten nach Unterschenkelamputationen ohne Kalziphylaxie-Verdacht wurde gezeigt, dass die oft als pathognomisch gesehenen Arteriolen-Kalzifikationen in beiden Patientengruppen häufig vorkommen, wie die meisten anderen pathologischen Veränderungen, es sich damit also um weitgehend unspezifische Befunde handelt. Erst die Kombination distinkter Veränderungen wie Arteriolen-Kalzifikation gemeinsam mit Thrombosen und klinischem Verdacht erhöht schließlich die Aussagekraft einer Hautbiopsie (C. Ellis & C. O’Neill, Kidney Int 2018). Eigentlich handelt es sich mit dieser Arbeit um ein Lehrstück des Medical Decision Making, wonach es eine A-priori-Einschätzung des Klinikers geben muss, damit ein Test optimal funktioniert, dieser also die Vortest-Wahrscheinlichkeit letztlich erhöht.
Eine weitere Conclusio ist aber auch, dass eine Hautbiopsie im Rahmen einer Kalziphylaxie kein Goldstandard sein kann, also anders als z. B. die Nierenbiopsie bei diversen Eigennierenerkrankungen oder die Koronarangiografie bei KHK etc., weshalb die richtige Diagnosestellung einer Kalziphylaxie profunde klinische Erfahrung benötigt, eine Biopsie kann, aber muss nicht zur Diagnosesicherung erfolgen.

Neues Kalzimimetikum Evocalcet

Kalzimimetika sind derzeit die potentesten Substanzen zur Senkung einer signifikant erhöhten PTH-Produktion, jedoch weisen diese auch in nicht unbeträchtlichem Maße Nebenwirkungen auf, insbesondere gastrointestinale wie Nausea oder Erbrechen. In einer Studie mit dem neuen Kalzimimetikum Evocalcet wurde eine Substanz bei Dialysepatienten getestet, die experimentell so konzipiert wurde, dass seine Affinität zum Calcium-sensing-Rezeptor erhöht und gleichzeitig seine CYP2D6-Hemmung, welche den gastrointestinalen Nebenwirkungen zugrunde liegen soll, reduziert wurde. Im Rahmen der japanischen Studie wurden die Effekte auf sämtliche CKD-MBD Marker (PTH, Ca++, Phosphat) in ähnlichem Maße wie durch Cinacalcet festgestellt. Erstaunlicherweise waren die gastrointestinalen Nebenwirkungen von Evocalcet mit 15 % deutlich geringer als unter Cinacalcet mit 31,4 %, Daten, die in künftigen Studien erst bestätigt oder verworfen werden müssen, insbesondere, da die Studie und auch das Manuskript durch die entsprechende Firma, welche Evocalcet vertreibt, verantwortet wurden (Fukagawa M. et al., Kidney Int 2018).

Nephrotoxisches Oxalat

Oxalat ist nicht nur häufiger Bestandteil von Nierensteinen, sondern auch ein unterschätztes Nephrotoxin, welches z. B. im experimentellen Modell eine Niereninsuffizienz durch tubuläre Entzündung, Atrophie und Fibrose auslösen kann. Diskutiert wird auch eine primär proinflammatorische Wirkung von Oxalat über Aktivierung des Inflammasoms, welche der nierenschädigenden Wirkung zugrunde liegen soll. Oxalat wir primär renal ausgeschieden, seine nephrotoxische Wirkung ist im Rahmen der primären, aber auch der enterischen Hyperoxalurie sowie nach Einnahme größerer Mengen seiner Vorstufen wie dem Ethylenglykol weithin bekannt. Die renale Oxalatexposition wird primär durch die Nahrung reguliert, aber auch durch endogen hepatische Metabolisierung von Serin, Glycin, Hydroxyprolin und bestimmten Kohlehydraten. Waikar et al. stellten die wichtige Hypothese auf, dass das Ausmaß der Oxalat-Ausscheidung mit einer CKD-Progression korrelieren könnte (JAMA 2019), indem der 24-h-Harn der Teilnehmer der CRIC-Studie entsprechend auf Oxalurie getestet wurde. Und in der Tat konnte gezeigt werden, dass die Oxalat-Ausscheidung mit dem Ausmaß der CKD-Progression der Studienteilnehmer klar korrelierte.
Als Faktoren, welche mit einer erhöhten Oxalat-Ausscheidung und damit einer CKD-Progression korrelierten, sind Angiotensin-Blocker, Thiazid-Diuretika, eine verminderte Kalzium-Ausscheidung, Diabetes mellitus und männliches Geschlecht zu nennen. Sollten diese Daten bestätigt werden, so wären Nahrungsmodifikationen mit reduzierter Oxalat-Zufuhr oder auch pharmakologische Ansätze zur Verminderung der Oxalat-Ausscheidung bei CKD-Patienten ein attraktives Therapieziel.