Nierenarterienstenose: Relevanz, Abklärung und Therapie

Vor Erwägung der Abklärung einer therapieresistenten Hypertonie in Richtung sekundärer Ursachen einschließlich der Nierenarterienstenose (NAST) sollten häufige Ursachen einer vermeintlichen „Therapieresistenz“ ausgeschlossen werden. Dazu zählen vor allem suboptimale Therapie (50–60%), fehlende Compliance (10–23%) und Weißkittelhypertonie (12–30%). Sekundäre Hypertonieformen sind ursächlich für 20–30% der therapieresistenten Hypertonie, die häufigste Form stellt der primäre Hyperaldosteronismus dar (11–41%). Weitere Ursachen sind die medikamenteninduzierte Hypertonie (häufig!), Volumenüberladung und Pseudohypertonie.

Abbildung 2 fasst das Vorgehen bei therapieresistenter Hypertonie zusammen. Einige dieser Empfehlungen sind wissenschaftlich nicht oder nur schwach abgesichert und basieren auf langjähriger klinischer Erfahrung. Sie sind im Gespräch mit hochkompetenten Fachkolleginnen und -kollegen entstanden. Die Entscheidung zur Suche nach einer NAST sollte nur bei zwingender klinischer Notwendigkeit und entsprechender therapeutischer Konsequenz nach reiflicher Überlegung gefällt werden.

 

 

 

 

Renovaskuläre Hypertonie

 

Einer aktuellen epidemiologischen Studie aus den USA (16 Mio. Menschen über 65 Jahre) zufolge liegt die Rate renovaskulärer Erkrankungen bei 3,09/1.000 Patientenjahre, Tendenz steigend. Bei bis zu 2% der Hypertoniker besteht eine Nierenarterienstenose (NAST), die zu einer Hypertonie führt bzw. dazu beiträgt.

Der Nierenarterienstenose (NAST) liegt entweder eine

• fibromuskuläre Dysplasie (FMD; meist jüngere Patienten, 80–90% Frauen) oder

• atherosklerotische Veränderungen (meist ältere Patienten) zugrunde (Abb. 1).

 

 

 

 

FMD-bedingte NAST

 

50% der Fälle einer renovaskuläre Hypertonie bei Kindern und Jugendlichen beiderlei Geschlechts sind auf eine FMD zurückzuführen. Das mittlere Alter der Patienten mit FMD-bedingter NAST bei Diagnosestellung liegt heute bei 60 Jahren. Zur Therapie werden RAS-Hemmer (ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorblocken – ARB) empfohlen. Serum-Kreatinin und Serum-Kalium sollten engmaschig kontrolliert werden.

Eine Intervention bzw. gefäßchirurgische Sanierung sollte erwogen werden bei:

• sehr jungen Patientinnen mit ausgeprägter Hypertonie (insbesondere bei Schwangerschaftswunsch)

• nichtkontrollierbarer Hypertonie trotz Mehrfachtherapie

• Unverträglichkeit der antihypertensiven Therapie und Non-Compliance

• einseitiger Abnahme der renalen Parenchymmasse (Sonographie) durch die ischämische Nephropathie

Derzeit wird eine Intervention (PTCA, ggf. Stent) bei kurzstreckigen und gut zugänglichen FMD-bedingten Stenosen einer gefäßchirurgischen Sanierung vorgezogen. Denn die Langzeitergebnisse sind vergleichbar, der gefäßchirurgische Eingriff aber invasiver, komplikationsreicher und teurer. Bei längerstreckigen bzw. komplexen Stenosen, multiplen Seitenaststenosen, Dissektionen und ausgeprägter Aneurysmabildung ist die Gefäßchirurgie jedoch weiterhin Methode der Wahl.

 

Atherosklerotische NAST

 

Hypertonie, Niereninsuffizienz und atherosklerotische Nierenarterienstenose sind häufig assoziiert. Der Nachweis einer Nierenarterienstenose bei einem Hypertoniepatienten ist nicht mit der Diagnose einer renovaskulären Hypertonie gleichzusetzen.

Eine atherosklerotische NAST ist häufig ein Nebenbefund einer invasiven Diagnostik z. B. im Rahmen einer KHK. Die Bedeutung einer zufällig entdeckten NAST ist umstritten. Es ist trotz moderner Diagnosemöglichkeiten unmöglich festzustellen, ob die NAST Ursache der Hypertonie ist oder nur Folge von Risikofaktoren der Atherosklerose einschließlich einer (essenziellen) Hypertonie. Oft lässt sich der Nachweis erst durch eine Intervention (PTCA/Stent) anhand der Reaktion des Blutdrucks erbringen. Eine Intervention ist bei atherosklerotischen NAST wenig zielführend, da nur selten eine Blutdrucksenkung erzielt werden kann und diese meist nicht sehr ausgeprägt ist.

 

Wann an eine NAST denken?

 

Eine renovaskuläre Hypertonie ist klinisch nicht immer eindeutig nachweisbar, häufig überschneiden sich essenzielle und sekundäre Hypertonieursachen. Prinzipiell kann aber jede therapieresistente Hypertonie renovaskulär bedingt sein. Hinweise darauf liefern folgende Kriterien:

• Hypertonie bei Patienten < 30 Jahren mit negativer Familienanamnese ohne Risikofaktoren

• Neu aufgetretene Hypertonie Grad 2 (> 160/100 mmHg) bei Patienten > 65 Jahren

• Akute und deutliche Verschlechterung einer „stabilen“ Hypertonie

• Therapieresistente Hypertonie:

– Blutdruck > 140/90 mmHg trotz einer ausdosierten Dreifachkombinationstherapie inklusive Diuretikum

– Ausschluss anderer Ursachen

– Gesicherte Compliance -Maligne Hypertonie

– Kreatinin-Anstieg (GFR-Abfall) von ≥30% nach Beginn einer ACE-Hemmer/ARB-Therapie – Hypertonie bei Schrumpfniere, Seitendifferenz > 1,5 cm LD – Flash pulmonary edema (plötzlich auftretendes Lungenödem )/unerklärte (akute) Herzinsuffizienz

– Stenosegeräusch bei der Auskultation (wenig sensitiv)

Das plötzliche auftretende Lungenödem ist ein akut einsetzendes (Prä-)Lungenödem aufgrund einer akuten Linksherz-Belastung (hypertensive Notfälle, akuter Myokardinfarkt, Vitien, acute-on-chronic Herzinsuffizienz und kardiorenale Syndrom. Gehäuft tritt das akute Lungenödem bei (v.a. bilateraler) Nierenarterienstenose auf, es ist aber kein sicherer Hinweis auf NAST.

 

Intervention bei NAST: “Cui bono”?

 

Die AHA empfiehlt in ihren Guidelines 2006 bei Hochrisikopatienten im Rahmen einer Koronarangiographie auch noch die Durchführung einer Arteriographie der Nierenarterien. Aufgrund der neuen Studiendaten ist diese Empfehlung lediglich mit IIIA zu klassifizieren und wegen des zusätzlichen Risikos heute nicht mehr haltbar.

Die aktuellen Empfehlungen der ESH 2007 sind für den täglichen Alltag zu allgemein gehalten und werden der Studienlage ebenfalls nicht gerecht.

Die Notwendigkeit, Sinnhaftigkeit und Art der Diagnostik einer Nierenarterienstenose gehören zu den umstrittensten Aspekten der Hypertensiologie. Die Datenlage zeigt, dass die Intervention (PTCA ohne und mit Stent) bei atherosklerotischer NAST keinen Benefit bringt (Einsparung von maximal 0,6 Antihypertensiva pro Tag, keine Verbesserung der Nierenfunktion). Gleichzeitig ist sie mit einer signifikanten interventionsassoziierten Mortalität und Morbidität verbunden.

 

Therapieoptionen

 

Es bestehen prinzipiell drei Therapieoptionen: medikamentöse Therapie (Antihypertensiva, Risikofaktorreduktion), perkutane Angioplastie mit oder ohne Stent-Implantation, gefäßchirurgische Sanierung.

Die medikamentöse Therapie ist bei allen Patienten mit einseitiger Nierenarterienstenose indiziert und sinnvoll. ACE-Hemmer und ARB haben einen besonders hohen Stellenwert, bei unzureichendem Therapieerfolg sollte mit Thiaziddiuretika, lang wirksamen Kalziumkanalblockern und Betablockern der neueren Generation kombiniert werden.

Ein Fortschreiten der NAST (bei einseitiger Nierenarterienstenose seltener als bei beidseitiger) darf nicht übersehen werden, um einen ischämischen Schaden der Niere zu verhindern. Zu beachten ist ein mögliches Nierenversagen unter ACE-Hemmern oder ARB. Besondere Vorsicht bei der Gabe von ACEHemmern bzw. ARB ist bei älteren Patienten mit einer GFR < 50 ml/min geboten (häufiger deutliche Verschlechterung der Nierenfunktion).

Ein potenzielles Risiko einer langjährigen Nierenarterienstenose ist die Schrumpfung der Niere durch die chronische Hypofiltration und Minderperfusion mit Tubulusatrophie, intestitieller Fibrose und Glomerulosklerose (deutlich erhöhtes Risiko bei beidseitiger Nierenarterienstenose).

 

Intervention bei NAST: Wann doch?

 

Idealerweise erfolgt eine Intervention bei einer NAST bei

• hochgradiger Stenosierung der Nierenarterie und

• hämodynamischer Wirksamkeit der Stenose. Die Intervention führt im Idealfall theoretisch zu einer

• Blutdrucksenkung nach Beseitigung der Stenose und einer

• Verbesserung der Nierenfunktion nach Beseitigung der Stenose.

Der angiographisch nachweisbare Schweregrad einer Stenosierung korreliert ausgesprochen schlecht mit der hämodynamischen Wirksamkeit und muss daher durch invasive Messung des Druckgradienten nachgewiesen werden. Erst ab einer Pd/Pa- Ratio von deutlich unter 0,9 kam steigt der Plasmareninspiegel an (Maximum bei Werten von < 0,5). Dies entspricht einem absoluten Druckgradienten von mindestens 25 mmHg.

Günstige prognostische Faktoren für einen Therapieerfolg sind:

• Keine anderen Ursachen der Hypertonie

• Duplexsonographie– direkte Darstellung der Stenose: Vmax > 1,8 m/s, Ratio der Vmax Stenose/Aorta > 3,5, Aliasing (= turbulenter Fluss, „Bart-Phänomen“) in der Stenose, RI-Differenz (linke-rechte Niere)

• Duplexsonographie – indirekte Messungen intrarenal: RI (Resistance Index) < 0,8, deutliche Reduktion der intrarenalen Flussgeschwindigkeit, ggf. Differenzen zwischen den Segmentarterien

• Signifikante invasiv gemessene Druck-Ratio vor der Intervention (deutlich < 0,9)

Tatsächlich zeigen diverse Studien jedoch leider, dass bei einem Großteil der Patienten die Intervention bei einer NAST keinen Vorteil bringt, es wird bestenfalls 1 Antihypertensivum eingespart. Gleichzeitig besteht ein nicht unbeträchtliches Risiko für Komplikationen und Todesfälle durch den Eingriff. Nach mehreren Jahren sind weder Blutdruck noch Nierenfunktion gegenüber einer optimalen medikamentösen Therapie besser als ohne Intervention.

 

 

NEPHRO Spot

Die Abklärung einer signifikanten Nierenarterienstenose sollte u. a. erfolgen bei hypertensiven Notfälle, akutem Lungenödem und einer plötzlichen Verschlechterung der Nierenfunktion um mehr als 30% (v. a. nach Beginn einer Therapie mit einem ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten). Eine invasive Diagnostik und eine Intervention (PTCA/Stent) ist nur unter strengen Voraussetzungen indiziert, da in mehreren kontrollierten Studien bis zu 5 Jahre nach Intervention kein Benefit für die Nierenfunktion und nur eine minimale Einsparung an Antihypertensiva erreicht wurde und das Komplikationsrisiko nicht unerheblich ist. Voraussetzung für eine Intervention ist ein relativer Druckgradient (Pd/Pa) deutlich unter 0,9.