Erfolgreiche Frauen an der Spitze der Pharmaindustrie

PHARMAustria: Frau Detrick, was hat Sie dazu bewogen, diesen Round Table zu initiieren?

Kirsten Detrick: Die Idee kam mir anlässlich des Weltfrauentages. Man trifft sich zwar regelmäßig bei Branchenevents, aber dort kommt es nie dazu, geschlechtsspezifische Fragen zu diskutieren. Deshalb wollte ich ein Treffen veranstalten, um zu besprechen, wie wir in unseren Unternehmen junge Frauen bei der Weiterentwicklung ihrer Karriere unterstützen können.

Welchen positiven Einfluss haben Frauen auf die Pharmaindustrie?

Victoria Williams: Das Fundament unserer Industrie ist die Empathie gegenüber Menschen, die krank sind und Hilfe benötigen. Frauen bringen genau diese empathische Seite in eine Branche mit ein, die oft nicht als die mitfühlendste aller Branchen angesehen wird. Sie stehen für ein transparentes und ethisch korrektes Verhalten ein.

Warum haben Sie sich für eine Karriere in einer Industrie entschieden, die traditionell männlich ist?

Sabine Radl: Für mich war die Pharmaindustrie ein attraktiver Arbeitsplatz, weil ich etwas Sinnvolles mit meinem Leben machen wollte. Ich denke nicht, dass die Pharmaindustrie grundsätzlich männlich ist. Das Bild verändert sich erst, wenn man sich die Führungsebene ansieht. Ich bin stolz, dass Sanofi Österreich hier eine Ausnahme darstellt: 62% unserer Arbeitskräfte sind weiblich und unter den Führungskräften ist das Verhältnis 49:51%.

Ana Kostova: Ich bin Medizinerin und habe einen alternativen Zugang gesucht, um Menschen helfen zu können. In Bulgarien gab es schon damals, als ich begonnen habe, auch auf Führungsebene eine Dominanz von Frauen. Daher sah ich den Unterschied erst, als ich in andere Länder, wie beispielsweise Belgien oder England, gezogen bin und dort oft die einzige Frau im Raum war. Die Situation hat sich mittlerweile aber gebessert. Ich bekam vor ein paar Jahren aufgrund meiner Qualifikation die Position als Geschäftsführerin hier in Österreich angeboten, obwohl ich im achten Monat schwanger war. Wie schwierig ist es, Beruf und Familie zu vereinbaren?

Elisabeth Keil: Ich würde sagen, in Österreich ist es vor allem auf dem Land schwierig, wo die Kindergärten früh zusperren. Man ist auf die Unterstützung des familiären Umfelds, z.B. auf die Großeltern, angewiesen. Dazu kommt noch der gesellschaftliche Druck. Die Menschen haben immer noch traditionelle Rollenverteilungen im Kopf. Männer bekommen normalerweise ein höheres Gehalt, deswegen entscheiden sich nur wenige für eine Karenz.

Williams: Österreich bietet gute Karenzmöglichkeiten, aber gleichzeitig wird auch erwartet, dass man diese maximal ausnützt. Frauen, die das nicht tun und sich dafür entscheiden, früher ins Berufsleben zurückzukehren, werden als schlechte Mütter angesehen. Aber das sind sie nicht.

Detrick: Ich erinnere mich daran, dass Leute zu mir sagten: Du wirst nicht da sein, wenn dein Kind die ersten Bissen macht. Bis ich realisiert habe, dass ich aufhören muss, mich schuldig zu fühlen.

Radl: Kindererziehung wird immer noch als reines Frauenthema angesehen. Aber am Ende möchte man doch Frauen und Männer gleichermaßen im Job vertreten haben. Denn der Mix bringt Kreativität und Diskussionen in Gang und führt zu den besten Lösungen.

Wie schätzen Sie die Anzahl weiblicher Führungskräfte im österreichischen Pharmageschäft ein?

Detrick: Bei Takeda haben wir ein Verhältnis von 50:50 im Vorstand und zwei Drittel Frauen in der Belegschaft.

Williams: Ich denke, wir übersehen hier einen wichtigen Punkt: Es geht nicht nur um die gleiche Anzahl von Frauen und Männern, sondern auch darum, ob beide die gleiche Stimme haben.

Was tut Ihr Unternehmen, um Plattformen für die berufliche Entwicklung von Frauen in dieser Branche bereitzustellen?

Radl: Wir haben ein weltweites Gender-Balance- Netzwerk. Führungskräfte können sich bereit erklären, weibliche Talente zu coachen. Und wenn wir auf der Suche nach neuem Personal sind, dann bestehen wir darauf, dass auf der Liste unserer Headhunter mindestens eine Frau zur Auswahl steht.

Williams: Ich bin sehr hartnäckig, was die Sprache angeht. Wenn beispielsweise jemand in Meetings sagt „Ok, Jungs“, dann wehre ich mich. Ich möchte nicht ,Mann‘ genannt werden. Wir als Führungskräfte haben die Verantwortung, darauf aufmerksam zu machen.

Kostova: Man muss sich der eigenen Vorbildfunktion bewusst sein. Was könnte getan werden, um weibliche Absolventen für eine Karriere in der Pharmaindustrie zu begeistern?

Detrick: Wir müssen Mädchen motivieren, sich für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technologie zu interessieren. Wenn wir es schaffen, mehr junge Frauen ins Boot zu holen, wird sich die Zukunft der pharmazeutischen Welt positiv verändern.

Williams: Ich würde gerne eine Zukunft sehen, in der Frauen sich nicht mehr hundertmal die Frage stellen, ob sie etwas wirklich schaffen können, sondern selbstbewusst Chancen ergreifen.