Trends der Arbeitswelt von morgen

Für Gabriele Gradnitzer, Managing Partner und Head of Life Sciences and Healthcare Practice bei Amrop, zeichnet sich aktuell bezüglich Arbeitszeit und Arbeitsort folgender Trend ab: „Die vereinbarte Leistung muss erbracht werden, wann und von wo aus ist egal.“
Auch für Dr.in Martina Hartner-Tiefenthaler, Forschungsbereich Arbeitswissenschaft und Organisation, Institut für Managementwissenschaften, TU Wien, geht der Trend in der Arbeitswelt von morgen eindeutig in Richtung von noch mehr Flexibilität und Individualisierung. Arbeiten wann und wo man will, hybrides Arbeiten etc. – diese heutigen Möglichkeiten erlauben den Mitarbeitenden eine Art von Freiheit, von denen frühere Generationen nur träumen konnten. „Diese Tendenz wird weiter zunehmen“, betont sie.

Wandlung der Büroräume

Für Nina Sattlegger, Senior Consultant Life Science & Healthcare bei Talentor Austria, ist die Pharmabranche in Bezug auf eine große Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort gut aufgestellt: „Die Pharmaunternehmen sind dabei, Lösungen zu finden, um mit diesen Trends der Zeit mitzugehen. Das beeinflusst auch die Gestaltung der Büros. Riesige Büroräume mit Großraumbüros für einzelne Teams wie Medical, Marketing etc. sind heute nicht mehr zeitgemäß, sondern die Büros werden heute vielmehr als ,Orte der Zusammenkunft‘ gestaltet, in denen man auch teamübergreifend zusammenarbeitet.“ Wichtig ist dabei, dass es Vereinbarungen gibt, wann man sich gemeinsam im Büro trifft. „Auch wenn man jetzt von manchen Unternehmen hört, dass sie die Mitarbeiter:innen wieder zurück an den Büroarbeitsplatz beordern, ist hybrides Arbeiten mit einem gewissen Ausmaß an Home­office bzw. Mobile Office in der Pharmabranche gekommen, um zu bleiben“, ist Sattlegger überzeugt.

Entwicklung zu „Shared Leadership“

Ein hierarchischer Führungsstil ist heute nicht mehr zeitgemäß und hat daher bereits stark abgenommen. „Das Führen von Teams ist anspruchsvoller geworden, denn die Führungskräfte müssen die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter:innen berücksichtigen und diese in ihrer Gesamtheit wahrnehmen. Das erfordert, dass man seine Teammitglieder besser kennt“, erläutert Hartner-Tiefenthaler. Auch das Zusammenhalten eines Teams ist durch das hybride Setting komplizierter geworden: „Die Führungskräfte müssen aktiver für Small Talk und soziale Kontakte sorgen, als dies früher der Fall war“, so Hartner-Tiefenthaler. Ein weiterer wichtiger Punkt in ihren Augen: „Die Mitarbeiter:innen wollen etwas leisten und sie wollen sich einbringen – daher wird die Partizipation der Mitarbeitenden immer wichtiger. Diese muss von den Führungskräften nicht nur erlaubt, sondern ermöglicht werden!“

Auch Sattlegger ist überzeugt, dass es bei Führungskräften heute darum geht, zu em­powern und bestmöglich zu unterstützen, die gewünschte Leistung zu erbringen. Zusammenarbeit auf Augenhöhe, losgelöst von hie­rarchischem Denken, eine starke Vertrauenskultur und eine Vorbildwirkung der Führungskräfte – auch im Hinblick auf die Balance zwischen Arbeit und Freizeit – sind in ihren Augen wichtige Kriterien des zukünftigen Führungsstils. „Die Arbeitswelt von morgen wird von Digital Leadern gestaltet werden, also von jenen, die aktiv Veränderungen wie z.B. neue digitale Entwicklungen identifizieren, bewerten und umsetzen“, betont sie.

Teilzeitmodelle und Jobsharing

Nicht nur der Führungsstil wandelt sich, auch die Haltung, Mitarbeiter:innen in Teilzeit könnten keine Führungspositionen übernehmen, kann heute als überholt angesehen werden. „Führungskräfte in Teilzeit sind derzeit noch selten, aber sie kommen in der Arbeitswelt immer öfter vor, auch in der Pharmaindustrie. Und es werden mehr werden“, prognostiziert Sattlegger.

Auch Jobsharing, das im nordischen Raum schon weiter verbreitet ist, kommt laut Gradnitzer langsam auch in Österreich an und wird sich in den nächsten Jahren ­vermehrt durchsetzen. Dabei wird eine bestimmte Position auf zwei Personen aufgeteilt – gerade wenn man Teilzeit arbeiten möchte, eine spannende Möglichkeit.

Karriere anders definieren

Sattlegger ist überzeugt, dass die klassische Karriereleiter ausgedient hat: „Es wird nicht mehr darum gehen, schnellstmöglich eine höhere Stufe im Unternehmen zu erreichen – nicht zuletzt, weil sich der hierarchische Aufbau zunehmend auflöst. Karriere wird in Zukunft anders definiert werden: Es wird Aufgaben geben, die zur Lebenssituation der einzelnen Person passen – das bringt großes Engagement mit sich!“

Die gefragten Skills und Mindsets

Und was braucht die Arbeitswelt von morgen von ihren Mitarbeiter:innen? „Emotionale Intelligenz wird sicher weiter an Bedeutung gewinnen. Es geht darum, die Gefühle von anderen und die eigenen zu verstehen und entsprechend zu handeln. Dies ist erforderlich, um optimal kooperieren zu können“, erklärt Sattlegger. Zudem braucht es in ihren Augen eine zunehmend hohe Digitalkompetenz, um mit der digitalen Transformation zurechtzukommen: „Man muss sowohl im realen als auch im digitalen Raum agieren können. Das ist für viele Menschen eine Herausforderung, bei deren Bewältigung Führungskräfte unterstützen müssen.“ Und natürlich geht es auch um Performance, um Leistungserbringung. Sattlegger: „Es braucht ein gewissenhaftes Mindset und die Zuverlässigkeit, dass Aufgaben in einem bestimmten Zeitfenster erledigt werden.“

Aus dem Leben einer Teilzeitkraft

Mag.a Miriam Herbst, MEDahead; © Michael Weber

Mag.a Miriam Herbst leitet den Bereich Sales Management bei MEDahead – Gesellschaft für medizinische Information. Sie ist somit in einer Führungsposition – und arbeitet Teilzeit: „Leistung sollte nicht über die Arbeitszeit, sondern über die Qualität der Arbeit definiert werden!“

Damit das Ausüben einer Führungsposition in Teilzeit funktioniert, braucht es ihrer Meinung nach entsprechende Rahmenbedingungen und Organisationstalent: „Ich arbeite 27 Stunden, da ich Zeit für meine 2-jährige Tochter haben möchte. Mein Mann und ich haben uns die Kinderbetreuung gleichberechtigt aufgeteilt, das heißt, wir regeln es auch gemeinsam, wenn unsere Tochter beispielsweise einmal krank ist“, berichtet Herbst. Auch der Joballtag muss entsprechend organisiert werden: „Es braucht natürlich auch Flexibilität bei den Kolleg:innen, z.B. dass Meetings so eingeteilt werden, dass ich dabei sein kann. Aber bisher war das problemlos möglich.“

Mamas wollen arbeiten!

Herbst ist es ein Anliegen, dass die Unternehmen und auch die Gesellschaft begreifen, dass viele Mütter einen großen Arbeitswillen haben und daher bereit sind, auch in reduzierter Zeit eine Spitzenleistung abzuliefern. „Man kann auch in Teilzeit den Überblick behalten und seine Aufgaben sehr gut erfüllen“, unterstreicht sie. Wichtig dabei sei eine sehr gute Kommunikationsfähigkeit, denn als Führungskraft in Teilzeit habe sie mehr Abstimmungspflichten, da sie nicht die volle Arbeitszeit über verfügbar sei.

„Ich habe auch bei mir selbst bemerkt, wie produktiv man in Teilzeit arbeitet. Niemand kann acht Stunden am Stück konzentriert arbeiten. Als ich nach der Karenz mit 20 Stunden Arbeitszeit zurückgekommen bin, habe ich gemerkt, wie produktiv ich in dieser geringeren Zeit war. Ich habe kaum Pausen gemacht, sondern sehr strukturiert und organisiert gearbeitet. Und mit großer Leidenschaft, denn ich arbeite gerne!“

Vorbildrolle für künftige Generationen

Herbst sieht sich als Vorbild für jüngere Mitarbeiter:innen bzw. kommende Generationen: „Es gibt viele Jobs, die man in Teilzeit erfüllen kann, auch in Führungspositionen. Es kommt auf die Tätigkeit, die Position und die individuelle Persönlichkeit an. Und natürlich braucht es Vertrauen vonseiten der Geschäftsführung, dass ich meine Aufgaben erledige und bei Bedarf delegiere. Dazu gehört auch, dass ich Kontrolle abgebe und selbst Vertrauen in meine Kolleg:innen bzw. Mitarbeiter:innen habe!“ Ihre Empfehlung: „Man muss Prioritäten setzen, beruflich wie privat. Und wer mehr Zeit für Familie und Freizeit haben und daher Teilzeit arbeiten möchte, sollte deswegen nicht auf eine Führungsposition verzichten, wenn er oder sie diesen Job gerne machen möchte!“