Gesundheitsdaten aller Systempartner zusammenführen

PHARMAustria: Wie sind die aktuellen Herausforderungen, denen der Pharma­standort Österreich gegenübersteht, am besten zu bewältigen?

Dipl.-Kfm. Wolfgang Kaps: Wir haben in Österreich sehr gute Rahmenbedingungen betreffend das Erstattungssystem in Form des EKO (Erstattungskodex). Langsam ist das System allerdings in die Jahre gekommen und nach knapp 20 Jahren müssen Überlegungen zu Adaptierungen gemacht werden, um – vor allem innovative – Arzneimittel weiterhin für Patienten verfügbar machen zu können.

PHARMAustria: Welche Maßnahmen sind Ihrer Ansicht nach erforderlich, um den Zugang der Patienten in Österreich zu innovativen Therapien zu erhalten bzw. zu verbessern?

Der EKO muss in manchen Bereichen den aktuellen Rahmenbedingungen angepasst werden; so muss es eine faire Basis geben, was die Vergleichbarkeit von Therapien anbelangt. In manchen Fällen hat mittlerweile die Willkür Einzug gehalten. Innovative Therapien müssen außerdem ab dem ersten Tag der Zulassung für Patienten zur Verfügung stehen.
Ein anderer Punkt ist das Management von Therapien an der Nahtstelle zwischen intra- und extramuralem Bereich. Patienten, die zum Beispiel an seltenen Erkrankungen leiden, oder auch Onkologiepatienten könnten in ihren eigenen vier Wänden oft viel einfacher versorgt werden. Die unterschiedlichen Finanzierungssysteme verlangen den Betroffenen aber in den meisten Fällen ab, unheimliche Strapazen auf sich nehmen zu müssen, um ihre Therapie in Form einer Infusion im Krankenhaus verabreicht zu bekommen, da diese sonst nicht finanziert würde.

PHARMAustria: Wie kann das Thema Vorsorge von allen Playern des Gesundheitswesens mehr in den Fokus gerückt werden? Wie könnte ein Gesundheitswesen aussehen, das nicht erst ansetzt, wenn Menschen krank werden, sondern bereits dort, wo es um die Vorbeugung von Erkrankungen geht? Und was wäre dabei die Rolle der Pharmaunternehmen?

Antworten auf diese Fragen zu finden, ist einfach: Wir müssen den Menschen in den Fokus rücken! Es muss künftig um menschenzentrierte Medizin und Gesundheitsvorsorge und -versorgung gehen. Vorsorge muss das sprichwörtliche Arztzimmer verlassen und allumfassender werden. Das könnte mittels der Daten von Wearables wie Smartwatches erfolgen, aber auch mit der Implementierung des „digitalen Gesundheitspfades“ können unterschiedliche Gesundheitsdaten gesammelt und ausgewertet werden.
Auf Basis guten Datenmaterials kann heutzutage künstliche Intelligenz (KI) dafür verwendet werden, Krankheiten zu erkennen. Während die IT-Services der Sozialversicherungen (ITSV) künstliche Intelligenz aktuell noch hauptsächlich in der Verwaltung einsetzen, existieren auch Pilotprojekte, die KI direkt bei der Erkennung und Behandlung von Krankheiten anwenden. Ein Beispiel hierfür ist das Projekt „Viktoria1.0“ der Hippo AI Foundation, welches das Ziel verfolgt, mittels KI Brustkrebs im Frühstadium zu erkennen. Dieses Projekt zeigt, dass Digitalisierung nicht zwangsweise zu einer Zweiklassenmedizin führt, sondern eine bessere Gesundheitsversorgung für jedermann bedeuten kann. Momentan ist dieses Projekt noch auf finanzielle Zuwendungen und auf Spenden von Datensets angewiesen, aber es klingt äußerst vielversprechend.

PHARMAustria: Derzeit wird aufgrund der Corona-Pandemie viel über das Thema Impfen diskutiert. Wie sehen Sie die Zukunft des Impfens?

Zwei Eckpfeiler haben bei diesem oftmals recht emotional diskutierten Thema oberste Priorität: Sicherheit und Vertrauen. Für die zeitgemäße (Weiter-)Entwicklung von Impfstoffen poche ich darauf, dass Impfdaten endlich voll digitalisiert werden – ich denke hier an Daten wie Status, Häufigkeit, Verträglichkeit und Impfschutz in unterschiedlichen Populationen. Diese sind sehr wichtig für entsprechende Public-Health-Maßnahmen. Jeder, der in der Gesundheitsbranche tätig ist oder sich mit dem Thema Impfen tiefergehend beschäftigt hat, weiß, dass Impfen ein essenzieller Pfeiler bei der Bekämpfung zahlreicher Krankheiten ist.

PHARMAustria: Viele Menschen stehen Impfungen skeptisch gegenüber, dies gilt auch in Bezug auf die Corona-Impfung. Was kann die Pharmaindustrie als Gesamtheit und jedes Pharmaunternehmen allein zur Aufklärungsarbeit zum Thema Impfen beitragen?

Die Aufgabe der pharmazeutischen Industrie ist die Bereitstellung von sicheren und wirksamen Impfungen in Zusammenarbeit mit den Behörden. Diese Verantwortung gilt es ab dem ersten Tag einer jeden Entwicklung wahrzunehmen.

PHARMAustria: Kann eine sachliche, umfassende Information durch die Pharmaunternehmen zum Thema Impfen auch den Ruf der Pharmaindustrie ­verbessern?

Selbstverständlich! Die Bereitstellung sachlicher Informationen ist genauso unsere Verantwortung wie auch die Bereitstellung von sicheren und wirksamen Arzneimitteln.

Vielen Dank für das Gespräch!