Omnichannel-Marketing: Konsistente Customer Experience schaffen!

Was sind die aktuellen Trends im Marketing? Welche davon lassen sich aus Ihrer Sicht auch im Pharmamarketing umsetzen?

Dr.in Cordula Cerha, Assistant Professor am Institut für Retailing & Data Science, Wirtschaftsuniversität Wien: Marketing ist generell ein Bereich, der stark durch aktuelle Themen getrieben wird. Seit einigen Jahren ist die Digitalisierung ein Megatrend, der viele weitere Trends mit sich bringt. Derzeit wird beispielsweise viel über ­Conversational AI (Artificial Intelligence), Chatbots und Textgenerierungsprogramme diskutiert, die zunehmend Einsatz im ­Content Marketing finden. Wie weit sich Letzteres im Gesundheitsmarketing mit seinem hohen Anspruch an Glaubwürdigkeit und Seriosität durchsetzen wird, bleibt ­abzuwarten.
Wenn wir im Bereich des Content Marketing bleiben, sind Podcasts ein weiterer Trend. Gerade Gesundheitspodcasts haben während der Corona-Zeit einen hohen Zulauf erlebt. Das Vermitteln von relevantem Content über diese Formate hat, glaube ich, auch in Zukunft viel Potenzial für das Pharmamarketing. In einigen Bereichen gibt es hinsichtlich der Trends auch deutliche Unterschiede zwischen Pharmamarketing und Marketing in anderen Bereichen. Bei Konsumgütern tritt beispielsweise hinsichtlich des Themas Influencer-Marketing gerade eine gewisse Ernüchterung ein, da die Glaubwürdigkeit von Influencern eher gering ist. Im Pharmabereich haben Key Opinion Leader (KOL) nach wie vor eine hohe Bedeutung, da hier echte Expert:innen auftreten, die sehr großes Vertrauen genießen. Ein weiterer Megatrend im Marketing ist Nachhaltigkeit. Diese hat viele Dimensionen: Ökologie, Klimaschutz, wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Letztendlich gehören dazu auch Lieferketten und Versorgungssicherheit. Das sind alles wichtige Themen, die auch im Pharmabereich eine immer größere Rolle spielen. Auch die aktuelle Teuerung hat Auswirkungen auf das Konsumverhalten. In einer Studie, die wir vor Kurzem durchgeführt haben, sehen wir aber, dass Einsparungen der Konsument:innen die Ausgaben für Gesundheitsprodukte deutlich weniger betreffen als andere Konsumbereiche.

Mag. (FH) Dr. Johannes Reiterer, MA, Studiengangsleiter Business Development & Sales Management, Strategisches Marketing und Kampagnenmanagement, Fachhochschule Wiener Neustadt: Es gibt viele ökologische und gesellschaftliche Entwicklungen, die sich aktuell im Marketing widerspiegeln. Dazu gehören z.B. sich ändernde Rollenbilder, Diversität, Inklusion, Nachhaltigkeit, Klimawandel etc. Solche gesellschaftlichen Trends sollte man nicht unterschätzen, denn sie betreffen uns alle persönlich und haben damit Auswirkungen auf unser Handeln im beruflichen Alltag. Daher sollten sie auch bei Marketingmaßnahmen, sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich, mitbedacht werden.
Ein wesentlicher Trend ist aktuell das personalisierte Marketing, das im Online-Bereich beispielsweise durch personalisierte Produktempfehlungen, Chatbots etc. Anwendung findet. Ein weiteres Element ist das Datenmanagement. Wir erhalten heute sehr viele gute Daten über Nutzer:innen, z.B. über Webseiten, Foren, Online-Plattformen etc. So erfahren wir viel über unsere Zielgruppen und können daraus spezifische Kommunikation und Kampagnen ableiten. Ein Trend in diesem Zusammenhang ist das Programmatic Advertising, bei dem die Umsetzung, Steuerung und Ausführung der Maßnahmen individualisiert für unterschiedliche Zielgruppen erfolgen.
Auch Videos werden im Marketing immer mehr eingesetzt, beispielsweise auf Plattformen wie YouTube oder LinkedIn. Dieser große Anstieg an Videos wird meiner Ansicht nach für den B2B-Bereich und vermutlich auch für den Pharmabereich immer interessanter, da hier hochwertiger Content zu komplexen Inhalten relativ einfach produziert werden kann.

Was ist beim Omnichannel-Marketing beim Verknüpfen der verschiedenen Kanäle zu beachten?

Cerha: Eines steht fest: Das Thema Omnichannel bleibt uns im Marketing erhalten und wird in Zukunft sogar noch an Be­deutung gewinnen. Denn die jüngeren ­Generationen, die mit digitalen Medien ­aufgewachsen sind, unterscheiden nicht mehr zwischen Offline- und Online-Kanälen, sondern wechseln viel spontaner und selbstverständlicher zwischen den Channels. Wichtig ist, dass Online-Marketing von einer entsprechenden Integration begleitet wird, damit die Schnittstellen funk­tionieren und eine konsistente Customer ­Experience entsteht. Weiters rate ich dazu, die analogen Kanäle nicht aufgrund der aktuellen Begeisterung für die digitalen Kanäle zu vernachlässigen.

Reiterer: Multichannel hat sich zu Omnichannel weiterentwickelt. Und Omnichannel als integrierter Ansatz bleibt auch weiterhin ein Toptrend im Marketing, denn im Omnichannel-Marketing kann man alle zuvor erwähnten Trends sehr gut umsetzen. Dabei erfordert Omnichannel-Marketing ein ganzheitliches Denken, das darauf abzielen muss, den Kund:innen bei der Lösung ihrer Probleme und Herausforderungen behilflich zu sein.

Wo liegen die Vorteile der verschiedenen Kanäle?

Cerha: Digital erreicht man heute ein breites Spektrum an Zielpersonen. Ein Vorteil der Online-Kanäle ist auch, dass man Botschaften sehr unkompliziert und kostengünstig an Zielgruppen anpassen kann. Zudem hinterlassen die Konsument:innen im Digitalbereich Datenspuren, durch die man viel über Zielgruppen erfahren kann. Man muss allerdings darauf aufpassen, dass dies nicht das gesamte Bild ist, da Offline-Kontakte in der digitalen Customer Journey nicht abgebildet werden. Generell wird den analogen Kanälen eine höhere Glaubwürdigkeit zugesprochen. Studien zeigen zudem, dass persönliche Touchpoints nach wie vor einen hohen Stellenwert haben. Eines sollte man im Marketing nie vergessen: Die persönliche Erfahrung wiegt schwerer als alles, was wir über Medien erfahren. Das heißt, wenn ich selbst mit einem Produkt unzufrieden war, kann ich beliebig viele objektive Testurteile lesen oder hören, dass andere positive Erfahrungen gemacht haben – für mich persönlich wird das Produkt negativ bewertet bleiben.

Reiterer: Wichtig ist eine konsistente und klare Botschaft auf allen Kanälen! Damit dies gelingt, muss die gesamte Customer Journey durchdacht werden. In den verschiedenen Produktphasen sollten jeweils andere Kanäle im Vordergrund stehen: Zu Beginn der Customer Journey sind dies eher die Online-Plattformen, später ist eine ­Mischung aus Online und Sales-Mitarbeiter:innen wichtig. Print ist immer eine wesentliche Ergänzung, da es für hochwertige Inhalte eingesetzt werden kann. Grundsätzlich sind stets die Vorlieben der Kund:innen zu bedenken: Wo erreiche ich diese am besten? Dabei sollte man auch im Pharmamarketing nicht vergessen, dass sich das Kommunikationsverhalten der Zielgruppe, z.B. der Ärzt:innen, verändert. Dies ist bei der Wahl der Kanäle, aber auch bei der Content-Aufbereitung zu berücksichtigen.

Wie personalisiert kann bzw. muss Pharmamarketing sein?

Cerha: Personalisierte Kommunikation spielt im Marketing schon jetzt eine sehr große Rolle – und diese wird noch weiter zunehmen. Dies gilt auch für den Pharmabereich. Wir Menschen wollen alle persönlich angesprochen werden und für uns relevante Informationen erhalten. Daher spielt Customer Relationship Management eine sehr wichtige Rolle. Eine genaue Zielgruppenanalyse ist wichtig, damit ich dem bzw. der Einzelnen die für ihn oder sie wichtige Information zum richtigen Zeitpunkt ausspiele. Natürlich sind der Personalisierung der Marketingbotschaften durch den Datenschutz Grenzen gesetzt, doch auch innerhalb dieses Rahmens ist vieles möglich.

Reiterer: Eine Besonderheit des Pharmabereichs sind die verschiedenen Professionen und Stakeholder, wodurch ein sehr komplexer Entscheidungsmarkt entsteht, in dem die unterschiedlichen Kundenprofile exakt durchdacht werden müssen. So tickt beispielsweise ein junger Arzt tendenziell anders als ein älterer, auch die Mediennutzung unterscheidet sich. Dadurch braucht es individuelle Botschaften, die dieser komplexen Welt Rechnung tragen.

Vielen Dank für das Gespräch!