Touchpoints aufeinander abstimmen

Die Auswahl der Kanäle im Pharmamarketing folgt dem Leitsatz „Gehe dorthin, wo deine Zielgruppe ist!“ Aber in unserer komplexen Welt sind die verschiedenen Zielgruppen – auch die des Pharmamarketings, und zwar sowohl Health Care Professionals (HCPs) als auch Patient:innen – auf unterschiedlichen Kanälen unterwegs. „Daher gilt es logischerweise, auch im Pharmamarketing auf mehreren Kanälen aktiv zu sein“, fasst Dr. Fritz Höllerer, Geschäftsführer der Agentur hello mint GmbH, die Bedeutung von Omnichannel-Marketing im Pharmabereich zusammen. Allerdings weist er darauf hin, dass natürlich dennoch je nach Zielgruppe zu entscheiden sei, welche Kanäle in den Marketingmix aufgenommen werden, denn „nicht jede Zielgruppe ist auf allen Kanälen unterwegs“.

Nutzer:innen agieren omnichannel!

Paul Benedek, Client Service & Projektmanagement in der swot Werbeagentur und Mitglied der „Young Pharma Natives“ beim PMCA, ist ebenfalls davon überzeugt, dass am Omnichannel-Marketing heute kein Weg mehr vorbeiführt: „Im Grunde reagieren wir im Marketing damit einfach auf das Nutzerverhalten: Die Kund:innen sind heute auf allen Kanälen unterwegs, daher sollte auch Marketing auf Plakaten, über Spots im Radio und TV sowie Online-Aktivitäten inkl. Social Media stattfinden.“ Beim Verknüpfen der Kanäle ist in seinen Augen zu bedenken, dass die Kund:innen ihre Erfahrungen von einem Kanal zum nächsten mitnehmen und diese dort fortsetzen möchten. „Daher müssen Botschaften und Content nahtlos ineinander übergehen“, betont Benedek.

Customer Journey & Customer Experience

Für DI Martin Verdino, Founder und Partner der Kreativ- und Kommunikationsagentur VERDINO, steht beim Verknüpfen der verschiedenen Marketingkanäle die Customer Experience im Vordergrund. „Zudem ist es wichtig, einen konstanten Flow in die Customer Journey hineinzubringen und die verschiedenen Touchpoints optimal aufeinander abzustimmen, damit ich auf keinem Kanal an ein Ende komme und damit User ‚verliere‘. Die Erlebnisse auf dem einen Kanal müssen durch die auf einem anderen ergänzt werden, daher sollten die Inhalte nicht redundant sein“, rät er. Konsistenz ist in seinen Augen ein weiterer wesentlicher Faktor, bei dem alle Gegebenheiten der verschiedenen Kanäle zu berücksichtigen seien. „Der erste wichtige Schritt beim Omnichannel-Marketing ist daher die Definition der Ziele, die man erreichen will“, so Verdino. Die Maßnahmen selbst müssen dann kontinuierlich optimiert werden, sowohl hinsichtlich Botschaft und Content als auch Kanalauswahl.

Die Vorteile der verschiedenen Kanäle

Auch Mag. Alexander Schauflinger, MA, Geschäftsführer der Agentur FINE FACTS Health Communication GmbH, ist davon überzeugt, dass es entscheidend ist, die richtigen Kanäle für die jeweilige Zielgruppe zu nutzen und den Inhalt auf die unterschiedlichen Ansprüche der Kanäle abzustimmen. „Im Vordergrund steht dabei immer das ­Bestreben, die Bedürfnisse der Empfänger abzudecken – der Engagementfaktor sollte also sehr hoch sein“, erläutert Schauflinger. So sei bei Print oftmals eine höhere situationsbedingte Aufmerksamkeit gegeben, ­während Online – wenn zwischendurch konsumiert – eine oft geringere Aufmerksamkeitsschwelle habe. Umso wichtiger ist es, bei digitalen Kanälen sehr schnell zum Punkt zu kommen – folglich reduzierte, präzise Inhalte anzubieten“, so Schauflinger.

„Die Online-Kanäle haben natürlich den Vorteil, dass man sehr dynamischen Content produzieren kann und Anpassungen sehr rasch möglich sind. Zudem gibt es im Digitalbereich die Möglichkeit zu tracken, wodurch ich Daten in Echtzeit erhalte“, gibt Verdino Einblick. Doch man dürfe darüber Print nicht vernachlässigen, denn „Print besticht einfach durch die Haptik und vermittelt damit einen stabileren Eindruck als die Online-Kanäle“. Doch Verdino sieht auch Nachteile: „Bei Print erhalten wir häufig ­keine bzw. keine validen Daten über die Nutzung, zudem tritt ein sehr großer Streuverlust auf. Und ganz wichtig: Über Print erreichen wir nicht mehr alle, digital schon eher – das hat sich in den letzten Jah­ren umgedreht.“

Social Media: authentische ­Kommunikation mit Zielgruppen

Pharmaunternehmen waren lange zögerlich beim Einsatz von Social Media. „Das hat sich verändert, die Zurückhaltung aufgrund der Compliance-Regeln ist geringer geworden, auch wenn der Umgang mit den Regularien durchaus noch immer herausfordernd ist. Doch die Pharmaunternehmen haben die Social Media als Möglichkeit entdeckt, authentisch mit den Zielgruppen – sowohl Patient:innen als auch HCPs – zu kommunizieren“, erklärt Benedek. So können seiner Meinung nach Social Media sehr gut zur Schaffung oder Unterstützung von spezifischen Communitys eingesetzt werden, auch Micro-Influencer würden in diesem Bereich immer interessanter. „Zudem ist die Identifizierung von Zielgruppen in Social Media sehr einfach möglich“, so Benedek. Verdino sieht dies ähnlich: „Social Media sind in der Kundenkommunikation, auch im Pharmabereich, nicht mehr wegzudenken. Was sich verändert, sind die Social-Media-Plattformen. Man muss daher immer sehr genau analysieren, auf welchen Plattformen eine bestimmte Zielgruppe aktuell unterwegs ist.“ Dem stimmt auch Schauflinger zu: „Die Social Media sind erwachsen geworden, zudem sind immer mehr Menschen, gerade die jüngeren, hier auch auf der Suche nach Qualitätsinhalten. Daher sind auch die Pharmaunternehmen auf Social Media präsenter geworden. Die entscheidende Frage ist jetzt nicht mehr, ob ein Pharmaunternehmen Social Media in seine Omnichannel-Strategie einbaut, sondern wie diese hochwertig bespielt werden können.“

Die Wahl der jeweiligen Social-Media-Plattform sei natürlich auch vom Content, den man ausspielen wolle, abhängig, weiß Verdino aus der Praxis: „Bei Employer Branding sind Social Media generell unverzichtbar, und hier wird man vermutlich eher zu Linked­In tendieren. Auch bei Awareness-Kampagnen sind Social Media sehr wichtig, je nach Zielgruppe eher Instagram oder Facebook, vielleicht auch TikTok. Beim Produktmarketing im verschreibungspflichtigen Segment des Pharmabereichs ist der Einsatz von Social Media eher schwierig.“Dem stimmt auch Höllerer zu, wobei er anmerkt, dass sich das Nutzungsverhalten innerhalb bestimmter sozialer Netzwerke ändert. „Auch die Targeting-Möglichkeiten bei bezahlter Werbung wurden zunehmend eingeschränkt, weshalb Facebook als ­Werbeplattform im B2MD-Marketing an Bedeutung verloren hat. Im Grunde ist es so: Pharma bewegt sich – deutlich später als der Konsumgüterbereich – immer mehr in Richtung Social Media und ist aktuell durchaus auf Facebook, Instagram oder LinkedIn aktiv. Die Wertigkeit einzelner Social Media variiert jedoch und ändert sich laufend. Das macht es für die Industrie schwierig, Schritt zu halten. Denn das First-Mover-Prinzip gibt es im Pharmabereich nicht“, sagt Höllerer.

Auffallen durch Relevanz

Bei der heutigen Informationsflut ist Auffallen im Marketing ein wichtiges Thema. Doch Auffallen allein macht eine Kampagne noch lange nicht erfolgreich. Verdino dazu: „Wenn man es nur auf Aufmerksamkeit abgesehen hat, braucht man ein entsprechend großes Budget und muss ‚laut sein‘, also sehr viele Maßnahmen setzen. Dann wird man wahrgenommen – aber ob ich dadurch meine Botschaft anbringe, steht auf einem anderen Blatt.“ Und er fügt hinzu: „Ich denke, dass es vor allem um die Relevanz des angebotenen Contents geht. Und es ist klar: Je genauer ich weiß, was meine Zielgruppe beschäftigt, desto besser kann ich ihr relevante Informationen auf den bevorzugten Kanälen ausspielen.“ Allerdings sei es in diesem Zusammenhang unerlässlich, mehrere Kanäle zu bespielen, denn „die Zielgruppen erreiche ich nicht über einen einzigen ­Kanal“. Höllerer sieht dies ähnlich: „Die Antwort auf die Frage, wie man Aufmerksamkeit erreicht, lautet Omnichannel! Ich muss mehrere Kanäle regelmäßig bespielen, nicht nur aktionistisch über kurze Zeit, ­sondern längerfristig, mit einer klaren, deutlichen Kommunikation, die sich der spezifischen Zielgruppensprache bedient.“

Kreative Umsetzung ist Trumpf!

„Je nach Kanal muss der Content unterschiedlich aufbereitet sein – hier gilt es, durch kreative Umsetzung positiv aufzufallen und die Botschaft zu übermitteln“, so Verdino weiter. Und Schauflinger ergänzt: „Um in der heutigen Informationsflut genügend Aufmerksamkeit seiner Zielgruppen zu erhalten, sollten die Inhalte einprägsam aufbereitet werden. Das gelingt auch bei ‚trockenen‘ Daten und Fakten, wenn kreative Menschen am Werk sind.“

Benedek weist darauf hin, dass die Strategie der Marketingaktivitäten genau definiert werden müsse: „Ich muss meine Botschaften auf die jeweilige Zielgruppe abstimmen und authentisch und glaubwürdig kommunizieren. Daher ist Vertrauen eine sehr wichtige Basis, die ich z.B. durch Key Opinion Leader als Influencer aufbauen kann.“ Beim Aufbereiten der Inhalte ist auch in seinen Augen Kreativität gefragt, dabei sollten Print und Online-Kanäle gleichwertig behandelt sein, denn Präsenz sei auf allen Kanälen gefragt. „Welche dann verstärkt bespielt werden, hängt von der Zielgruppe und ihrem Mediennutzungsverhalten ab“, betont auch Benedek.

Erich Bergmann, Agentur DENKEN HILFT!, unterstreicht, dass auch der Faktor Auffallen kanalabhängig sei: „Was im Printbereich ein aufregendes Key Visual ist, kann auf digitalen Kanälen eine aufregende Message sein, z.B. eine Story oder eine Aktion, die sich viral verbreitet. In welcher Form das umgesetzt werden muss, kann nicht verallgemeinert werden, weil es ­extrem stark von der Interessenlage der Zielgruppe abhängt.“