Wie Teuerung und Neid krank machen

Die steigende Inflation bedroht zunehmend die Gesundheit der Menschen. Erst jetzt wurde wieder der Zusammenhang zwischen Armut und Krankheit belegt. Dennoch fehlen konkrete Rezepte.

Diskutiert wird es seit Jahren, erst dieser Tage wurde es wieder belegt: Der Zusammenhang zwischen Armut und Krankheit. Wiener Mediziner:innen und Forscher:innen aus anderen Bereichen belegten in einer im BMJ Open veröffentlichten Studie, dass ein Zusammenhang zwischen dem Alter von Herzinfarktpatient:innen, der Überlebensdauer nach Herzinfarkten und dem Durchschnittseinkommen besteht. Menschen mit geringem Einkommen ernähren sich häufig nicht gesund, leben oft in Gegenden mit nicht gut ausgebauter medizinischer Infrastruktur und einer geringeren Ärztedichte.

Vor diesem Hintergrund haben am Montag Caritas, Diakonie und Volkshilfe einen dramatischen Appel an die Bundesregierung gerichtet, den Auswirkungen der Teuerung auf besonders armutsgefährdete Menschen und Familien entgegenzuwirken. Alle drei Hilfsorganisationen berichteten von einem immensen Anstieg Hilfesuchender. Grund dafür ist die stärkste Inflation seit 40 Jahren, betonte Caritas-Generalsekretärin Anna Parr. Die Preissteigerung treffe vor allem arme Menschen mit „voller Wucht“. Vor allem Alleinerziehende und Mehr-Kind-Familie seien besonders betroffen. „Existenzielle Nöte schlagen in allen Bereichen auf“, betonte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. Selbst Babynahrung für Mütter, die nicht stillen können, werde zu einem immer größeren Problem. Zudem gebe es einen Teufelskreis aus Geldnöten, Bildungsnachteilen und Entwicklungsverzögerung bzw. gesundheitlichen Nachteilen, betonte Moser.

Die zuständigen Minister für Wirtschaft sowie Finanzen sind aber offenbar wenig an echten Lösungen interessiert. Vielmehr präsentierten sie fast wie zum Hohn zeitgleich zur Pressekonferenz der Sozialorganisationen eine Bilanz der Taskforce gegen Sozialbetrug. Keine Frage, es ist wichtig Missbrauch auf allen Ebenen abzustellen. Dass gerade die ÖVP sich in der Bekämpfung von Sozialmissbrauch hervortut, ist einerseits nicht neu, andererseits aufgrund der eigenen Probleme mit Betrugsvorwürfen doch überraschend. Viel überraschender ist aber, wie die Zahlen präsentiert werden. Da ist die Rede von 60 Millionen, die aufgedeckt worden sind – bei genauerer Betrachtung aber zeigt sich, dass die Zahl ab 2018 gerechnet ist, was sie deutlich höher macht, als diese im Jahresvergleich der Fall ist. Präsentiert werden dann Fälle von Menschen, die Arbeitslosengeld und Mindestsicherung erschleichen – bei genauer Betrachtung zeigt sich aber, dass die größten Fälle vor allem Unternehmen sind, die ihre Beschäftigten im Handel und am Bau nicht richtig anmelden.

All das gehört natürlich abgestellt. Wenn aber statt Lösungen gegen die Teuerung zu präsentieren, die dafür zuständigen Minister Sozialbetrugsfälle medienwirksam vorstellen, um Neid zu schüren, hinterlässt das einen schalen Nachgeschmack und wirkt als versuche man von den eigentlichen Problemen abzulenken. In seinem sozialkritischen Gesellschaftsroman „Oliver Twist“ zeigt Charles Dickens dieses Prinzip sehr deutlich: Ein Hehler erklärt armen Kindern, die er als Diebesbande durch die Stadt schickt, dass sie immer zu zweit agieren sollen – einer lenkt ab und der andere begeht den Diebstahl.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Föderalismus gesundheitsschädigend ist und sich die Bundesländer in Gesundheitsfragen zunehmend als inkompetent erweisen. Es braucht endlich Transparenz über regionale Ausgaben, Erkrankungszahlen, Spitalsdaten und eine zentrale Steuerung. (rüm)