Ernährung bei Kopf-Hals-Tumoren

Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren leiden auf Grund ihrer Tumorlokalisation häufig an Mangelernährung. Die Mehrheit der in Behandlungen stehenden Patienten entwickelt unter Radio-/Chemotherapie unerwünschte Nebenwirkungen wie Dysphagie, Mukositis, Xerostomie oder Dysgeusie. Frühzeitige Ernährungsberatung ist bei allen Tumorpatienten essentiell, um den Ernährungszustand und die Lebensqualität aufrechtzuerhalten und darüber hinaus die Prognose zu verbessern.

Mehr als 60 % der Patienten mit fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren leiden bereits vor Diagnosestellung und Therapiestart an Mangelernährung (Body-Mass-Index < 18,5 kg/m² oder 10 % Gewichtsverlust in den vorangegangenen drei Monaten).1 Bedingt durch den Tumor und dessen Behandlung, aber v. a. durch die Tumorlokalisation im Mund- und Rachenraum werden die Betroffenen mit größeren Ernährungsproblemen konfrontiert. Eine suffiziente orale Nahrungszufuhr wird durch den Tumor stark beeinträchtigt. Kau- und Schluckbeschwerden, Probleme mit der Speichelproduktion und Einschränkungen bei der Nahrungsaufnahme durch Tumorschmerzen zählen zu den größten Herausforderungen der Supportivtherapien.

Chirurgische Eingriffe sowie Chemo- und Radiotherapien im Bereich der Mundhöhle und des Rachens verstärken bereits bestehende Ernährungsprobleme, Appetitmangel und die vorzeitige Sättigung. Die Mehrheit der in Behandlung stehenden Patienten entwickelt unter Chemo- und Strahlentherapie zudem unerwünschte Nebenwirkungen wie orale Mukositis bis hin zu Ulzerationen, Xerostomie, Dysgeusie, Nausea und Emesis. Eine zusätzliche Belastung stellt das Tracheostoma bei Kopf-Hals-Tumoren dar, welches Dysphagie und Nahrungsaufnahme weiter einschränkt und eine angepasste Kostform erforderlich macht. Die genannten Begleiterscheinungen resultieren in einer fortschreitenden Reduktion der Nahrungsaufnahme, Malabsorption und Mangelernährung mit ungewolltem Gewichtsverlust.2 Erhöhte Morbidität und Mortalität sind die Folgen.3

Die Erfassung des Ernährungszustandes ist bereits bei Diagnosestellung wichtig. Voraussetzung für eine kompetente Ernährungsintervention ist die qualitative und quantitative Ernährungsanamnese. Diese gibt Auskunft über die Art und Menge der Nahrungsaufnahme sowie über ernährungsrelevante Probleme.1, 2 In der klinischen Praxis werden standardisierte Ernährungsscreenings selten durchgeführt. Ein protokollierter Gewichtsverlauf und körperliche Untersuchungen stellen in der Klinik die Basis für die Erstellung des Ernährungszustandes dar. Der BMI (Body Mass Index) dient als meist verwendetes Messinstrument, um Körpergewicht und Körpergröße in Relation zu setzen. Untergewicht wird mit einem BMI < 18,5 kg/m² angegeben.4

Empfehlungen zur Ernährungstherapie

Basierend auf den Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für klinische Ernährung und Stoffwechsel (ESPEN) sollte der Ernährungsstatus aller Krebspatienten zumindest alle acht Wochen erhoben werden.5, 6 Um Langzeitfolgen zu vermeiden, wird eine Adaption der Ernährungsintervention nach Beendigung der Tumortherapie empfohlen.3

Hauptbestandteil der Ernährungstherapie ist es, die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern und therapieinduzierte Nebenwirkungen zu reduzieren, um Mangelernährung vorzubeugen. In der klinischen Praxis existieren drei Methoden der Ernährungstherapie: orale, enterale und parenterale Ernährung.5, 6

Orale Ernährung

Die Bedarfszahlen zur Nährstoffzufuhr orientieren sich an jenen von gesunden Personen. ESPEN empfiehlt in ihrer Leitlinie eine Energieaufnahme von 25–30 kcal/kg Körpergewicht pro Tag. Bei einer Energiezufuhr von < 60–80 % des Bedarfs ist die orale Nahrungszufuhr unzureichend. Dieses Defizit sollte über eine zusätzliche Zufuhr von Fett und Proteinen ausgeglichen werden.3, 5

Die empfohlene Proteinaufnahme liegt bei 1,2 bis 1,5 g/kg KG/Tag.4 Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) spricht in ihrer S3-Leitlinie zur Klinischen Ernährung in der Onkologie ebenfalls diese Zufuhrempfehlung aus. Die Proteinzufuhr kann bei ausgeprägter Inflammation auf 2 g/kg KG/Tag gesteigert werden, jedoch nur bei Patienten mit ausreichender Nierenfunktion (GFR > 60 ml/min).6 Die adäquate Proteinzufuhr ist bei Appetitmangel und ausgeprägter Dysphagie kaum möglich, kann jedoch durch eine gezielte Supplementation mit oraler Trinknahrung oder mittels Proteinpulver aus Molken- oder Kollagenproteinen erreicht werden. Orale Trinknahrungen sind hochkalorische und eiweißreiche Supplemente, reich an verzweigtkettigen Aminosäuren und essentiellen Mikronährstoffen.3, 6 Die Proteine dienen nicht nur dem Muskelaufbau und -erhalt, sondern sind auch für das Immunsystem wertvoll.3 Orale Trinknahrungen können sowohl pur aufgenommen werden als auch zur Aufwertung der täglichen Speisen dienen. Wird trotz individueller Ernährungstherapie keine ausreichende Nährstoff- und Energieaufnahme erreicht, ist eine Erhaltung der Nährstoffzufuhr durch enterale Ernährung in Form von Ernährungssonden indiziert.

Enterale Ernährung

Die enterale Ernährung ist indiziert, sobald die Patienten mehr als eine Woche lang nicht ausreichend Nahrung zu sich genommen haben. Arends et al. empfehlen eine Einleitung der enteralen Ernährung bei einer Energieaufnahme < 60 % des normalen Bedarfs über mehr als zwei Wochen. Die klinische Indikation für das Legen einer Ernährungssonde ist abhängig von der Tumorlokalisation, dem Behandlungsschema sowie der Dauer der enteralen Ernährung. Für eine kurzfristige Ernährungstherapie von etwa zwei Wochen werden nasogastrale oder nasoenterale Sonden empfohlen. Beträgt die Ernährungsdauer durch die Sonde mehr als zwei Wochen, so sind perkutane Sonden vorzuziehen. Zu den häufigsten perkutanen Sonden zählt die sogenannte perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG).5, 6

Frühzeitige prä- und postoperative Sondenernährung zeigte eine signifikante Reduktion der stationären Krankenhausaufnahme bei Patienten mit schwerer Mangelernährung.3 Alshadwi et al. empfehlen ebenfalls eine Einleitung der enteralen Ernährung als Prophylaxe vor der Radiotherapie.1 Tyldesley et al. vergleichen den Gewichtsverlauf bei 34 Patienten mit Bestrahlung von Kopf-Hals-Tumoren bei prophylaktischer perkutaner Sondenlegung zu einer erst nach Strahlungsbeginn gelegten Ernährungssonde. Die Autoren berichten von keinem signifikanten Gewichtsunterschied, jedoch kam es zu einem deutlich geringeren stationären Behandlungsbedarf bei einer prophylaktischen Sondenernährung.7 Müller et al. geben eine reduzierte postoperative Komplikationsrate bei präoperativer enteraler Ernährung bei bereits bestehender Mangelernährung von mindestens sieben Tagen an.8

Nach chirurgischen Eingriffen im Mund-Rachen-Raum ist eine orale Ernährung auf Grund von Dysphagie oder Odynophagie selten möglich. Innerhalb von 24 Stunden nach einer Operation kann eine enterale Zusatzernährung eingeleitet werden.3 Zudem hat sich die enterale Ernährungstherapie nach Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich als sinnvoll erwiesen. Bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich ist das frühzeitige Legen einer perkutanen Sonde bei akuter Mangelernährung empfohlen.6 Trotz Sondennahrung ist es wichtig, die orale Ernährung möglichst beizubehalten. Regelmäßiges Schlucktraining und Essen sind notwendig, um die Schluckmuskulatur zu trainieren und zu rehabilitieren, um die Dauer der Sondennahrung zu minimieren.9

Parenterale Ernährung

Die parenterale Ernährungsform sollte in Betracht gezogen werden, wenn eine orale und enterale Ernährung nicht ausreichend bzw. letztere kontraindiziert ist, beispielsweise bei schweren Defekten der Dünndarmfunktion. Bei parenteraler Ernährung können bis zu 1.000 kcal/Tag über periphere Venen verabreicht werden, bei höherem Energiebedarf wird ein zentraler Venenzugang benötigt.3 Die Leitlinien zur Klinischen Ernährung in der Onkologie von ESPEN und DGEM erläutern hierbei jedoch ein erhöhtes Risiko von Infektionen und Gefäßthrombosen des Katheters. Bei Einleitung einer künstlichen Ernährungsform sollte daher der enteralen Ernährung der Vorzug gegeben werden bzw. muss der Vorteil einer parenteralen Ernährung gegenüber den möglichen Risiken abgewogen werden.5, 6

Schlussfolgerung

Supportive Ernährungsberatung kann dazu beitragen, die Gesamtsituation der Patienten zu verbessern und therapieinduzierte Nebenwirkungen zu mindern. Bei vielen Betroffenen ist eine unterstützende Ernährungstherapie bereits vor Behandlungsbeginn indiziert. Ernährungstherapeutische Behandlung von Anfang an ist Grundlage für die optimale Nährstoffversorgung, Aufrechterhaltung der Lebensqualität sowie Reduktion von Therapieverzögerungen und -abbrüchen. Nicht nur während der Tumortherapie, auch in der Nachsorge ist eine professionelle Ernährungsberatung wichtig.