Neue Fragestellungen in der Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms 


In den letzten Jahren wurden einige neue Substanzen zugelassen, welche die Therapieoptionen sowie das Therapieergebnis von Männern mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom verbessern können. Spannende Zeiten stehen bei der Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms bevor, da neue Substanzen einen Überlebensvorteil nach einer Docetaxel-Therapie zeigen. Auch für die Behandlung von chemotherapienaiven Patienten stehen zukünftig neue therapeutische Optionen zur Verfügung. 


Definition der Krankheitsprogression: Das mCRPC umfasst eine heterogene Gruppe von Karzinomen, die hochaggressiv, mit oder ohne Knochenmetastasen oder über Jahre asymptomatisch mit langsam steigenden PSA-Werten sein können. Die EAU definiert das metastasierte kastrationsre­sistente Prostatakarzinom wie folgt: Der Testosteronwert ist im Kastrationsniveau < 50 ng/dl (< 1,7 nmol/l), der Patient steht für mindestens 4 Wochen unter antiandrogener Therapie (unter Flutamid, mindestens 6 Wochen unter Bicalutamid) und erfährt einen Progress trotz sekundärer Hormonmanipulation.
Eine der Herausforderungen für den Kliniker stellt die Definition der Krankheitsprogression dar, so Prof. Chris Parker, UK. Die Progressionskriterien in klinischen Studien sowie in der täglichen klinischen Praxis werden oft unterschiedlich definiert. Der PSA-Wert alleine sei dabei nicht immer aussagekräftig, fuhr Parker fort. Patienten könnten z. B. fallende PSA-Werte, aber vermehrte Läsionen im Knochenscan (oder umgekehrt) aufweisen. In einigen Situationen ist eine PSA-Progression allerdings ein sinnvoller Parameter für eine Therapieumstellung (z. B. Bicalutamid zu Dexamethason, Docetaxel zu Abirateron), führte Parker weiter aus. Zukünftig werden sicher neue bildgebende Verfahren die Bewertung einer möglichen Krankheitsprogression verbessern, weitere sinnvolle Marker, um eine Krankheitsprogression zu detektieren, sind hämatologische sowie biochemische Parameter, konstatierte Parker. Vor allem der Abfall von Hämoglobin und Blutplättchen sowie ein Anstieg der LDH können einen wertvollen Hinweis auf eine Krankheitsprogression liefern.


Neues Feld der Sequenztherapie für mCRPC-Patienten: Spannende Zeiten stehen beim mCRPC bevor. Neue Substanzen zeigen einen Überlebensbenefit nach einer Docetaxel-Therapie (Abb. 1):

  • Cabazitaxel
  • Abirateron
  • Radium 223
  • Enzalutamid

Weitere Daten werden aber benötigt, meinte Prof. Bellmunt, Spanien, um die optimale Sequenzierung der Substanzen sowie den Kombinationspartner zu finden. Eine weitere wichtige Fragestellung sei auch der Einsatz von Biomarkern, um Patientensubgruppen selektionieren zu können, welche am besten auf die unterschiedlichen Therapien ansprechen, schloss Bellmunt seinen Vortrag.

 

 


Einsatz von Kortikosteroiden beim Pros­tatakarzinom: Kortikosteroide supprimieren ACTH, reduzieren das PSA und den Schmerz, meint Frau Doz. De Santis, Österreich. Zusätzlich führt der Einsatz dieser Substanzen zu einer Verbesserung der Lebensqualität sowie einer Verminderung der Fatiguesymptomatik. Zumeist werden Kortikosteroide in Kombination mit Chemotherapie oder Androgen-Biosynthese-Inhibitoren verabreicht, auch der Einsatz als Zweitlinientherapie bei Hormontherapie ist üblich, führt De Santis weiter aus. Beim Auftreten von Nebenwirkungen empfiehlt De Santis eine Dosisreduktion, einen eventuellen Wechsel zu Eplerenon (bei Abirateron-Therapie) sowie gegebenenfalls einen Stopp der Kortikosteroidtherapie. Berechtigt sei die Sorge betreffend einer möglichen Langzeittoxizität bei Gabe über einen längeren Zeitraum, beendete De Santis ihre Ausführungen.

Einsatz von Abirateron in der Erstlinien­therapie des mCRPC: Abirateronazetat ist ein oral verfügbarer Biosynthese-Inhibitor, der die Testosteronproduktion in Hoden, Nebennieren sowie der Tumorzelle selbst hemmt. Dieser potente und selektive Inhibitor der CYP17-alpha-Hydroxylase stellt eine beachtliche Ausweitung der Therapieoptionen beim CRPC dar und ist seit September letzten Jahres für Pa­tienten nach vorheriger Therapie mit ­Docetaxel zugelassen. Die Zulassungs­studie (COU-AA-301) wurde 2011 im NEJM von De Bono publiziert, in der finalen Studienanalyse (Fizazi et al., Lancet 2012) zeigte sich im Abirateron-Studienarm ein Gesamtüberlebensbene­fit bei Post-Chemotherapiepatienten. Das mediane Überleben betrug in dieser Analyse 15,8 Monate, dies bedeutet eine Verbesserung um 4,6 Monate versus der Placebostudiengruppe.
Am diesjährigen ASCO wurden nun Studiendaten der Phase-III-Studie COU-AA 302 vorgestellt, welche chemotherapienaive asymptomatische beziehungsweise nur mild symptomatische Patienten mit mCRPC inkludierte (Ryan et al., ASCO 2012). In die Studie eingeschlossen wurden 1.088 Patienten (aus 12 Ländern), welche wie folgt therapiert wurden: Verumarm: Abirateronazetat (1.000 mg täglich) + Prednisolon (5 mg 2-mal täglich) vs. Kontrollstudienarm: Placebotherapie + Prednisolon. Als primäre Studien­endpunkte wurden das radiologisch bestätigte progressionsfreie Überleben (rPFS) sowie das Gesamtüberleben definiert. Sekundäre Studienendpunkte: Zeit bis zur Opiatverwendung aufgrund von Tumorschmerzen, Zeit bis zum Beginn der Chemotherapie, Zeit bis zur ECOG-Performance-Status-Veränderung sowie die Zeit bis zur PSA-Progression.

Überlegenheit in allen Studienendpunk­ten: Sowohl hinsichtlich des primären Studienendpunktes (rPFS) als auch bezogen auf die sekundären Studienendpunkte zeigte sich der Verumstudienarm mit Abirateron gegenüber dem Kontrollstudienarm überlegen. Bei dem zweiten primären Studienendpunkt, dem Gesamtüberleben, zeichnet sich ein starker Trend zugunsten einer Überlegenheit von Abirateron plus Prednisolon ab (Abb. 2).

 

Serologisches und klinisches Ansprechen: Die Rate an kompletten Remissionen betrug in der Abirateron-Studiengruppe 11 % vs. 4 % (Placeboarm), partielles Ansprechen: 25 % vs. 12 %, einen „stable disease“ erreichten 61 % der Patienten im Verumstudienarm verglichen mit 69 % in der Kontrollgruppe. Eine Krankheitsprogression wurde bei 2 % im Abirateron-Arm dokumentiert (15 % in der Vergleichsstudiengruppe).
Die mediane Therapiezyklengabe betrug im Verumstudienarm 15 vs. 9 Monate im Vergleichsstudienarm. Bezogen auf die Studienabbrüche ist festzuhalten, dass diese im Abirateron-Arm 69 % vs. 84 % in der Placebogruppe betrugen.
Die mediane Nachbeobachtungszeit der Studie betrug 22,2 Monate – das mediane Gesamtüberleben wurde im Abirateron-Studienarm noch nicht erreicht, im Placebostudienarm lag das mediane Gesamtüberleben bei 27,2. Der Beginn einer zweiten Chemotherapie scheint sich durch eine anhaltende Androgensynthese beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom hinauszögern zu lassen (Tab.).

 

 

Es konnten in dieser Studie keine neuen unter Abirateron auftretende Nebenwirkungen festgestellt werden (verglichen mit der Zulassungsstudie COU-AA-301). Die am häufigsten berichteten Grad 3/4-Nebenwirkungen im Verumstudienarm waren: Hypertonie (3,9 % vs. 3,0 %), Hypokaliämie (2,4 vs. 1,9 %) sowie erhöhte Aminotransferasewerte, welche vor allem in den ersten 3 Behandlungszyklen gemessen wurden (ALT 5,4 vs. 0,7 %, AST 3,0 vs. 0,9 %).
Quelle: Clinical conundrums in the treatment of metastatic castration-resistant prostate cancer. Janssen Cilag Satellite Symposium, ESMO 2012 


Literatur:
– Ryan CJ et al., Interim analysis results of COU-AA-302, a randomized, phase III study of abiraterone acetate in chemotherapy-naive patients with metastatic castration-resistant prostate cancer. J Clin Oncol 2012; 30:(Suppl; abstract LBA 4518) ASCO 2012
– Fizazi K et al., Lancet Oncology 2012; Epub ahead of print
– De Bono J et al., NEJM 2011; 364:1995–2005