Vorwort: Infektionskrankheiten bei onkologischen Patienten

Antibiotika sind eine der wichtigsten Entdeckungen des letzten Jahrhunderts. Die Einführung moderner Antiinfektiva war der Grundstein für die moderne Hämato-Onkologie.
Durch die zunehmende antimikrobielle Resistenzentwicklung der letzten Jahre ist die Anwendung moderner und kostenintensiver Therapieverfahren in der Hämato-Onkologie ernsthaft gefährdet. Durch schwer bzw. nicht behandelbare Infektionen könnten Therapieerfolge in Frage gestellt werden. Der verantwortungsbewusste Umgang mit Antibiotika ist ein Gebot der Stunde.
Infektionen sind die häufigsten Komplikationen bei Patienten mit malignen ­Erkrankungen. Sie sind mit hoher Mor­bidität verbunden, beeinträchtigen die ­Lebensqualität und können zu signifikanter therapieassoziierter Mortalität führen. Der Grund für diese ausgeprägten Infektionsanfälligkeiten liegt einerseits in den klassischen Säulen der Immunabwehr wie Granulozyten und anderen Elementen der zellulären und humoralen Immunität; durch die Erkrankung und Therapie kommt es hier in vielfältiger Weise zu einer Schädigung. Andererseits können natürliche Abwehrbarrieren wie Haut und Schleimhäute oder die intakte körper­eigene mikrobielle Flora iatrogen beeinträchtigt werden.

Bei steigender Inzidenz maligner Erkrankungen werden wir vermehrt mit dieser Komplikation konfrontiert werden. Das Spektrum der verantwortlichen Infektionserreger ist je nach Ausmaß der Schädigung des Immunsystems unterschiedlich, sodass die Regeln zur Prävention, Diagnostik und Therapie für unterschiedliche Patientencharakteristika spezifiziert werden müssen. Der zunehmende Einsatz von monoklonalen Antikörpern führt zudem zu einer Schwächung der humoralen und zellulären Immunität und begünstigt das Auftreten opportunistischer Infektionen. Auch der weitverbreitete Einsatz intravaskulärer Kathetersysteme in dieser Patientengruppe spielt als Risikofaktor für Infektionen eine wichtige Rolle.
Für die klinische Betreuung immunsupprimierter Patienten ist es wichtig, sowohl die für die jeweilige Art der Immunsuppression charakteristischen Infektionserreger als auch das breite Spektrum der darüber hinaus in Frage kommenden Mikroorganismen im Auge zu haben. Weiters muss mit geänderten Verlaufs­formen von Infektionskrankheiten unter immunmodulierenden Substanzen gerechnet werden. Die oftmals rasch initiierte empirische antimikrobielle Therapie muss bei der Auswahl der Antiinfektiva auch das sich ändernde Resistenzmuster der Pathogene berücksichtigen.
In der vorliegenden Ausgabe werden die Diagnostik und die Therapie, aber auch die Prävention von Infektionskrankheiten bei onkologischen Patienten diskutiert. Ein Artikel beschäftigt sich beispiels­weise mit den empfohlenen Impfungen von onkologischen Patienten. Die richtige Anwendung der Vakzinationen stellt bei dieser Patientengruppe auf Grund der unterschiedlich schwerwiegenden Immunsuppression eine große Herausforderung dar. Weiters wird die Diagnostik und Therapie von invasiven Mykosen abgehandelt. Die Letalität invasiver Pilzinfektionen bei hämato-onkologischen Patienten ist ausgesprochen hoch und kann nur durch eine adäquate frühzeitige Therapie gesenkt werden. Die neutro­pene Sepsis bei hämato-onkologischen Patienten ist ein medizinischer Notfall, der eines unmittelbaren Handelns bedarf, da sie oft einen fulminanten Verlauf nimmt. Es wird einerseits auf die mikrobielle Ätiologie, aber auch auf die mikrobielle Therapie eingegangen. Schlussendlich finden auch die Port-assoziierten Infektionen ihren Platz. Portkatheter werden immer häufiger onkologischen Patienten implantiert, die eine Chemotherapie benötigen. Katheter-assoziierte Infektionen sind die häufigste Komplikation und führen in den meisten Fällen zur Explantation des Katheters.

Ich wünsche Ihnen nun viel Spaß bei der Lektüre des Heftes!

Heinz Burgmann