Differenzierte Pharmakotherapie bei Suchterkrankungen

Das Feld der Abhängigkeitserkrankungen ist ein breites, stoffgebundenen Suchtformen stehen stoffungebundene gegenüber. Bei den stoffgebundenen Süchten fächern sich die medizinischen bzw. psychiatrischen Implikationen bei einer Vielfalt von legalen und illegalen Substanzen weit auf. Pharmakologische Interventionen spielen bei unterschiedlichen Indikationen im Verlauf von Sucht­erkrankungen eine wesentliche Rolle: in der Entgiftungs- bzw. Entzugsbehandlung, als Substitutionsbehandlung im Rahmen der Therapie der Opiatabhängigkeit, als Pharmakotherapie zur Aufrechterhaltung einer erzielten Abstinenz und – ganz wesentlich – als Pharmakotherapie komorbider Erkrankungen. Hier ist die Bandbreite sowohl der Behandlung von psychiatrischen Folge- und vor allem Hintergrunderkrankungen als auch der Behandlung von somatischen Folgeerkrankungen, unterschiedlich nach Substanzen, besonders groß. Nur als Beispiele seien hier – als Folgeerkrankungen – schwere Entzugssyndrome bis hin zum Delir, Alkoholpsychosen, etwa auch Kokainpsychosen, im somatischen Bereich bei Alkoholabhängigkeit Leber- und Pankreaserkrankungen sowie neurologische Folgestörungen, bei Opiatabhängigkeit infektiöse Hepatitiden oder die HIV-Infektion genannt.
In der Regel spielen bei Entstehung und auch Verlauf von Suchterkrankungen psychiatrische Grunderkrankungen, wie etwa Adoleszenzkrisen, affektive Erkrankungen, Angststörungen, Schizophrenien, Traumatisierungen bzw. posttraumatische Störungen oder Persönlichkeitsstörungen eine eminent wichtige Rolle. Eine fachgerechte Behandlung dieser komorbiden Störungen ist im Rahmen einer umfassenden Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen zentral und stellt als Teil der Behandlung einer Suchterkrankung mit ihren meist wechselhaften Verläufen in der Regel eine große psychiatrische Herausforderung dar.

Stoffgebundene Abhängigkeitserkrankungen

Aus Gründen der Praktikabilität und Übersichtlichkeit wird sich dieser Beitrag auf stoffgebundene Abhängigkeitserkrankungen beschränken und den in der Behandlung Abhängigkeitskranker eminent wichtigen Bereich der (auch) pharmakologischen Therapie komorbider psychiatrischer Erkrankungen ausklammern.

Integration psychosozialer, psychotherapeutischer und pharmakologischer Interventionen

In allen Phasen der Behandlung einer Suchterkrankung können pharmakologische Maßnahmen eine Rolle spielen, in manchen Phasen oder Situationen sind sie zentral. Dennoch sind psychosoziale oder psychotherapeutische Interventionen in all diesen möglichen Phasen im Verlauf von Abhängigkeitserkrankungen sinnvoll und notwendig. Bereits vor und während einer Entzugsbehandlung sollte am Verständnis der Patienten für ihre Substanzstörungen gearbeitet werden, ebenso sollten etwa psychosoziale Interventionsformen die Erhaltungstherapie bei Opiatabhängigkeit unbedingt begleiten. Dies ist, wie wir wissen, nicht immer der Fall.
Eine Integration psychosozialer, auch explizit psychotherapeutischer und pharmakologischer Behandlungsformen sollte grundsätzlich Standard sein. Defizite im Verständnis der Notwendigkeit dieser einander ergänzenden Behandlungselemente bestehen mitunter auf Seiten der Ärzte wie auf Seiten der psychosozialen Berufsgruppen. Eine psychosoziale Grundkompetenz auf Seiten der ärztlichen Behandler von Suchtkranken ist in diesem Kontext Voraussetzung für einen professionellen Behandlungszugang. Es geht immer auch darum, den Patienten für eine wachsende Einsicht in die Zusammenhänge seiner Suchterkrankung zu gewinnen und für eine weiterführende Behandlung zu motivieren. Wichtig ist, den Patienten in Behandlung zu halten, ihm realistische therapeutische Perspektiven, maßgeschneidert auf seine individuelle Situation, zu vermitteln.
Festzuhalten ist, dass es heißen müsste, „Pharmakotherapie bei“ anstatt „Pharmakotherapie von“ Suchterkrankungen. Die zur Verfügung stehenden medikamentösen Möglichkeiten stellen nämlich allesamt keine kausale Behandlung „der“ Suchterkrankung dar. Im engeren Sinn ist eine solche auch für die Zukunft nicht vorstellbar, wenn man sich die Komplexität des Ineinandergreifens von bio-psycho-sozialen Aspekten in der Entwicklung und im Verlauf von Suchtphänomenen vor Augen führt.

Differenzierter Einsatz von Psychopharmaka

Abseits vorsichtig positiver Erfahrungen mit in anderen Indikationsbereichen bereits etablierten Substanzen, wie etwa Nalmefen, in etwas eingeschränktem Ausmaß auch Baclofen oder Topiramat bei der Alkoholabhängigkeit, sind radikale Neuentwicklungen in der Pharmakotherapie von Abhängigkeitserkrankungen derzeit nicht zu verzeichnen. Allerdings sind die Erfahrungen mit bereits etablierten Substanzen inzwischen breit und gut, sodass sie, wie z. B. die in der Opioiderhaltungstherapie eingesetzten Substanzen in der Behandlung abhängiger Patienten sehr differenziert eingesetzt werden können.
In der Phase des süchtigen, unkontrollierten Konsums sind pharmakologische Behandlungen nur sehr schwer sinnvoll machbar. Eine Compliance bzw. Regelmäßigkeit der Einnahme einer verordneten Medikation ist praktisch nicht erzielbar, Interaktionen mit den süchtig konsumierten Substanzen sind schwer vorherseh- und kontrollierbar. Die Verwendung von etwa in der Entzugsbehandlung zeitlich befristet sinnvollen Substanzen mit Suchtpotenzial, wie etwa Benzodiazepinen, ist in dieser Phase kontraindiziert. Vor einer Stabilisierung des Konsums etwa durch Selbstkontrolltechniken bei Substanzmissbrauch, durch Einleitung einer Substitutionsbehandlung oder durch Durchführung einer Entgiftungs- bzw. Entzugsbehandlung sind psychopharmakologische Behandlungsansätze bzw. der Einsatz von Substanzen im Rahmen der Rückfallprophylaxe in aller Regel nicht indiziert.

Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigen

Abgesehen von einer in Einzelfällen, vor allem bei einem noch nicht voll entwickelten Abhängigkeitssyndrom möglichen Reduktion der Konsummengen bzw. dem hier möglichen Erlernen von Konsumkontrolltechniken, ist die Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigen eine etablierte Behandlungsform ohne einleitende Entzugsbehandlung. Also eine Behandlungsform, die nicht auf das Erreichen einer Abstinenz abzielt bzw. nicht darauf basiert.
Der Stellenwert der Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigkeit ist durch die dadurch ermöglichte gesundheitliche und mittelbar – meist in geringerem Ausmaß – auch soziale Stabilisierung bzw. Teilstabilisierung unumstritten. Grob können mögliche Ziele dieses Behandlungsansatzes sein: die Stabilisierung des somatischen Gesundheitszustandes sowie die Prävention bzw. Verringerung von Komplikationen wie HIV-Infektionen oder infektiöser Hepatitiden, die Vermeidung von Entzugssymptomen, die Stabilisierung des psychischen Gesundheitszustandes bzw. das Erreichen einer ­Behandelbarkeit von psychiatrischer ­Komorbidität, die Vermeidung von Komplikationen im Rahmen von Schwangerschaften und – wie bereits erwähnt – in geringerem Ausmaß und meist auch mit Verzögerung eine zumindest teilweise soziale Stabilisierung.
Mittels der Opioiderhaltungstherapie werden Betroffene zu einem früheren Zeitpunkt erreicht als durch Angebote einer abstinenzorientierten Therapie. Patienten können durch diese Therapieform in Behandlung bzw. Betreuung gebracht und in dieser gehalten werden – eine gute Basis für weitere therapeutische Schritte. Auf gesetzliche Rahmenbedingungen dieser Therapieoption kann in diesem Rahmen nicht eingegangen werden. Nur soviel: Gesetzlich klar geregelt sind neben anderen Modalitäten die verschreibbaren Substanzen sowie eine Unterscheidung in Mittel der ersten und zweiten Wahl. Verschreibbar sind sie nur durch Ärzte, die eine spezielle, in einer Verordnung geregelte Weiterbildung durchlaufen haben und damit in eine Liste der zur Substitutionsbehandlung berechtigten Ärzten eingetragen sind. In Österreich steht eine breite Palette von Substanzen für diese wichtige medikamentöse Therapieform bei Opiatabhängigkeit zur Verfügung.

Methadon ist die international am häufigsten verwendete Substanz, mit der auch die längsten Erfahrungen vorliegen. Weitere Vorteile sind ein rascher Wirkungseintritt (etwa 30 Minuten), eine lange Wirkdauer (34–36 Stunden), eine hohe Wirksamkeit (da reiner Rezeptoragonist), eine Differenzierbarkeit von (eventuell missbräuchlich verwendetem) Morphin im Harn, ein geringes Missbrauchs­risiko, ein geringer Schwarzmarktwert und ein geringer Preis. Nachteile sind eine geringere Akzeptanz seitens der Patienten aufgrund von Nebenwirkungen (Schwitzen, Gewichtszunahme …), eine Vielzahl an möglichen Arzneimittelinteraktionen, eine hohe Kumulations- und Überdosierungsgefahr sowie, bei Entzugsbehandlungen, ein relativ unangenehmes und protrahiertes Entzugssyndrom. Aus Behandlersicht zu beachten ist die Gefahr von QT-Zeit-Verlängerungen. Methadon ist dämpfend und ver­ringert den Realitätsbezug stärker als andere Substanzen.

L-Polamidon beinhaltet ausschließlich den linksdrehenden Wirkstoff des Methadons, die gleiche Menge ist daher doppelt so wirksam wie Methadon. Erwartbar wäre eine identische Wirkung wie die der doppelten Menge an Methadon. Das in Österreich erst seit etwa zwei Jahren zugelassene, in Deutschland schon lange verwendete L-Polamidon ist aber deutlich nebenwirkungsärmer, allerdings auch deutlich teurer als Methadon. In Österreich ist es neben Methadon und Buprenorphin als Mittel der ersten Wahl verschreibbar, nur bei „Unverträglichkeit“ dürfen andere Mittel verordnet werden.

Buprenorphin wirkt an einem Rezeptortyp als partieller Agonist, an einem anderen als -antagonist. Die Dämpfung ist gering, die Realitätsnähe bleibt erhalten. Es ist zur Behandlung bei Schwangerschaft gut geeignet, ebenso bei erst kurz bestehender Abhängigkeit oder wenn eine Dämpfung eher unerwünscht ist (Berufstätigkeit, geringere psychiatrische Komorbidität). Im Harntest ist es ebenso wie Methadon von retardierten Morphinen und Heroin unterscheidbar, das Kumulations- und Überdosierungsrisiko ist gering, es ist gut verträglich, hat eine lange Wirkdauer, blockiert die Wirkung zusätzlicher Opioide und hat eine geringe Entzugssymptomatik. Die Euphorisierung ist sehr gering, das Wirkmaximum ist begrenzt (Ceiling-Effekt), im Falle einer doch stattfindenden Überdosierung ist es wegen seiner hohen Rezeptorbindungsaffinität eher schwer zu antagonisieren, und es besteht das (Missbrauchs-)risiko eines intravenösen oder nasalen Konsums. Dem soll ein Kombinationspräparat aus Buprenorphin und Naloxon entgegenwirken, das bei nichtoraler intravenöser Applikation wirkungslos ist. Allerdings ist dieses bei Schwangerschaft kontraindiziert, nur bis zu einer geringeren Höchstdosis zugelassen und hat einen höheren Preis.

Retardierte Morphine sind wegen des hohen Risikos eines missbräuchlichen intravenösen Konsums nicht als „Mittel der ersten Wahl“ verschreibbar, allerdings bei einem geringen Interaktionsrisiko gut verträglich und bei den Patienten nicht zuletzt durch die pharmakologische Ähnlichkeit zu Heroin gut akzeptiert. Neben dem Risiko des missbräuchlichen intravenösen Konsums ist die fehlende Unterscheidbarkeit von Heroin im Harn ein weiterer Nachteil. Insgesamt wirken Morphine stimmungsaufhellend und antidepressiv.

Dihydrokodein wird gelegentlich auch eingesetzt, hat allerdings keine Zulassung in dieser Indikation.

Diazetylmorphin: Die orale oder intravenöse Behandlung mit Diazetylmorphin („heroingestützte Behandlung“) ist in Österreich im Gegensatz zu einigen Ländern wie der Schweiz und Deutschland nicht möglich. Dort ist sie spezialisierten Zentren vorbehalten und soll Patientengruppen erreichen, die durch die anderen Möglichkeiten einer Substitutionsbehandlung nicht ausreichend angesprochen und gehalten werden können.

Entzugsbehandlung

Der Themenkomplex Entzugsbehandlung kann hier nur kurz gestreift werden. Grundsätzlich existieren für die teils schweren Entzugssyndrome bei Alkohol-, Benzodiazepin- und Opiat­abhängigkeit erprobte Vorgehensweisen der medikamentösen Behandlung. Andere Substanzen erzeugen beim Absetzen in der Regel keine oder eher gering ausgeprägte – meist leicht vegetative – Entzugssyndrome.

Alkohol: Beim Alkoholentzug sind die Verminderung von Entzugserscheinungen und das Vermeiden von Entzugsanfällen oder Delirien die Gründe für eine pharmakologische Behandlung. Entzugsbehandlungen können bei (erwartbar) geringer Ausprägung der Entzugssymptome und fehlenden schwereren komorbiden Erkrankungen auch ambulant durchgeführt werden. Eingesetzte Pharmaka sind Benzodiazepine, etwa Oxazepam, Diazepam oder Lorazepam, weiters noch immer Meprobamat, in Österreich – im Gegensatz zu Deutschland – in deutlich geringerem Ausmaß auch Clomethiazol. Zur Anfallsprophylaxe werden Carbamazepin, Oxcarbazepin oder Valproinsäure gegeben. Auch Vitamin-B-Komplex-Präparate spielen eine Rolle. Bei Entzugssyndromen mit Delir ist die Gabe von Benzodiazepinen i. v. sowie Haloperidol i. v., eventuell auch Clonidin i. v. indiziert.

Benzodiazepine: Bei der Entzugsbehandlung von Benzodiazepinen wird üblicherweise auf ein Benzodiazepin mit mittellanger Halbwertszeit, etwa Oxazepam, umgestellt und dieses schrittweise abdosiert (homologe Entzugsbehandlung). Bei einer „low-dose dependency“ erfolgt der Entzug über einen langen Zeitraum eher ambulant, eventuell im Verlauf mit Unterstützung eines dämpfenden Antidepressivums. Bei Hochdo­sisabhängigkeit sollte stationär entzogen werden – allerdings ist der Benzodiazepinentzug deutlich langwieriger als ein Alkoholentzug.

Opiate: Eine Opiatentzugsbehandlung erfolgt heute in aller Regel ebenfalls „homolog“. Die Patienten werden, sollten sie es noch nicht ohnehin schon sein, auf ein Substitutionsmittel eingestellt, das dann schrittweise herunterdosiert wird. Ein reiner Opiatentzug ist deutlich kürzer als ein Benzodiazepinentzug, in der Realität sind aber Mischentzüge, also Entzüge bei multiplem Substanzgebrauch, sehr häufig. Zu nennen sind auch noch im Behandlungsalltag häufiger werdende Teilentzugsbehandlungen, meist Entzüge von Beikonsum von Benzodiazepinen und Alkohol bzw. die Reduktion der konsumierten Opiatdosis.

Pharmakologische Rezidivprophylaxe

Alkoholabhängigkeit

Die pharmakologische Rezidivprophylaxe ist in der Behandlung der Alkoholabhängigkeit gut etabliert, die Wirksamkeit der beiden Substanzen Acamprosat und Naltrexon ist durch Cochrane-Analysen belegt.

Für Acamprosat konnten moderate Therapieeffekte bezogen auf die Ziele Rückfallvermeidung und Verringerung der Schwere eines Rückfalls zwischen 7 % und 13 % gezeigt werden. Auch die Therapieadhärenz, das Verbleiben in ambulanter Therapie, wurde positiv beeinflusst.

Naltrexon, ein Opiat-Rezeptor-Antagonist, ist im Gegensatz zu vielen anderen Ländern in Österreich ebenfalls für diese Indikation zugelassen. Die Studienergebnisse brachten Hinweise für eine positive Wirkung in den wesentlichen Parametern vor allem in den ersten 3 Behandlungsmonaten. Die Studienlage bezüglich Aufrechterhaltung der Abstinenz ist für Naltrexon weniger konsistent, die Trinkmengenreduktion als mögliche „harm reduction“ könnte hier eine größere Rolle spielen.

Disulfiram: Auch der Einsatz von Disulfiram kann im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplanes bei guter Compliance des über die potenziell lebensbedrohlichen Wirkungen im Falle eines (zusätzlichen) Alkoholkonsums informierten Patienten sinnvoll sein.

Depotform des Naltrexon: Eine Neuentwicklung in der pharmakologischen Rezidivprophylaxe stellt eine i. m. zu applizierende Depotform des Naltrexon dar. Vielversprechend scheint diese gegenwärtig in einigen Studien untersuchte Applikationsform wegen der potenziell besseren Compliance zu sein. Eine Zulassung wird angestrebt.

Topiramat: Auch der Einsatz von Antikonvulsiva wurde immer wieder auch zur Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit versucht. In kleineren Studien konnte insbesondere die glutamaterge und GABAerge Substanz Topiramat vielversprechende Ergebnisse vor allem hinsichtlich der Reduktion der Trinktage zeigen. Das Nebenwirkungsprofil dieser Substanz ist allerdings problematisch, eine Zulassung in der Indikation Rückfallprophylaxe wird nicht angestrebt.

Weitere Substanzen: Auch der 5-HT3-Rezeptorantagonist Odansetron zeigte in ersten Studien eine signifikante Reduktion der Rückfallhäufigkeit, über einen interessanten Ansatz ist der (experimentelle) Einsatz dieser Substanz aber nicht hinausgekommen. Für serotonerge Substanzen konnten anhaltende Veränderungen weder in den Abstinenzraten noch in den Trinkmengen gezeigt werden.
Für den bei Spastik eingesetzten GABA-Rezeptor-Agonisten Baclofen sind einige präklinische und klinische Pilotstudien mit unterschiedlichen Ergebnissen verfügbar, weitere Studien wären notwendig.

Nalmefen: Vor der Zulassung in Österreich steht der Opioid-Rezeptor-Antagonist Nalmefen, der im Vergleich zu Naltrexon über eine günstigere Pharmakokinetik verfügt. In den vorliegenden klinischen Studien konnte vor allem auch das Erreichen einer Trinkmengenreduktion gezeigt werden, dieser „Harm reduction“-Ansatz soll als Zielgruppe auch Konsumenten haben, die erst am Beginn einer Abhängigkeitsentwicklung stehen. Möglicherweise ist Nalmefen auch bei Patienten mit Lebererkrankungen günstiger als Naltrexon.

Opiat-, Cannabis-, Kokainabhängigkeit

Für die Rezidivprophylaxe bei Opiatabhängigkeit steht – wie bei der Alkohol­abhängigkeit – der Rezeptorantagonist Naltrexon zur Verfügung.
Für die Cannabisabhängigkeit gibt es keine Substanzen zur pharmakologischen Rückfallprophylaxe.
Für die Rückfallprophylaxe bei Kokainabhängigkeit sind einige Ansätze untersucht worden, für die Antidepressiva Desipramin und Fluoxetin, den Einsatz von „mood stabilizer“ sowie von Topiramat und Tiagabin konnten Hinweise auf eine Wirksamkeit gefunden werden. Auch Methylphenidat wurde klinisch erprobt, die Datenlage ist hier aber deutlich inkonsistent, das Abhängigkeitspotenzial nicht zu unterschätzen, auch beim Retardpräparat.

Tabakabhängigkeit

Für die Behandlung der Tabakabhängigkeit steht als pharmakotherapeutische Behandlungsmöglichkeit die Nikotinersatztherapie mit Substitutionspräparaten mit teilweise nicht mehr verschreibungspflichtigen Applikationsformen zur Verfügung. Diese Präparate enthalten ausschließlich Nikotin und haben daher nicht die langfristigen, vor allem kardiovaskulären und karzinogenen Folgen des Tabakkonsums.
Das Antidepressivum Bupropion ist für die Entwöhnungsbehandlung von Rauchern zugelassen, die Nebenwirkungsrate ist – bei ähnlicher Effektivität – allerdings höher als bei der Nikotinersatztherapie. Als noch wirkungsvoller als Nikotinersatz und Bupropion in der Raucherentwöhnung gilt der Nikotin-Rezeptor-Partialagonist Vareniclin.

Fazit

Psychopharmakotherapie sowie der Einsatz von anderen Pharmaka spielen in einer differenzierten Therapie von stoffgebundenen Suchterkrankungen eine wesentliche Rolle: in der Entgiftungs- bzw. Entzugsbehandlung, in der Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigkeit, bei der pharmakologischen Unterstützung der Abstinenz, möglicherweise auch als Unterstützung einer Konsummengenreduktion sowie – enorm wichtig, in diesem Beitrag wegen der Vielschichtigkeit und des Umfangs dieses Themas aber nicht behandelt – die pharmakologische Therapie von komorbiden Begleit- oder Hintergrunderkrankungen.
Fachgerecht durchgeführt ist die pharmakologische Therapie bei Suchterkrankungen als Teil der Behandlung in den Gesamttherapieplan zu integrieren, also mit Bedacht auf die psychosozialen Behandlungselemente abzustimmen. Insofern setzt eine professionelle pharmakologische Therapie von Suchterkrankungen nicht nur eine medizinisch-psychiatrische Grundkompetenz voraus, sondern auch ein ausreichendes Verständnis der psychischen Dynamiken von Suchtphänomenen und von deren differenzierten – auch nichtmedizinischen – Therapiemöglichkeiten. Neben der Kenntnis der Optionen ist auch ein Wissen um die Grenzen pharmakologischer Interventionsmöglichkeiten bei Suchterkrankungen für ein verantwortungsvolles medizinisches Handeln unabdingbar.
Medikamentöse Behandlung kann häufig den Weg für andere therapeutische Interventionen erst ebnen, kann andere Interventionsformen in ihrer Wirksamkeit unterstützen oder in manchen Situationen im Verlauf einer Suchterkrankung unabdingbar für eine medizinische bzw. psychiatrische Stabilisierung sein. Pharmakotherapie sollte anderen Behandlungselementen in der Therapie von Suchterkrankungen aber nicht entgegengestellt, und ihre Möglichkeiten sollten realistisch eingeschätzt werden. Von einer „Pille gegen die Sucht“ kann – wenig überraschend, wenn man die Komplexität von Entstehung und Verlauf von Abhängigkeitserkrankungen in Rechnung stellt – nach wie vor nicht gesprochen werden, überzogene Erwartungen sollten deshalb vermieden werden. Dennoch spielt der Einsatz von Pharmaka im Behandlungsverlauf von Suchterkrankungen eine gleichermaßen vielfältige wie wesentliche Rolle.

 

Literatur beim Verfasser