Neue Entwicklungen in der Psychopharmakotherapie schizophrener Erkrankungen

Mitte des letzten Jahrhunderts wurden wirksame Medikamente, damals noch als Neuroleptika bezeichnet, zur Behandlung von Patienten mit Schizophrenie eingeführt. Damit wurde ein Grundstein dafür gelegt, dass Betroffenen, die zuvor chronisch krank nicht selten ein ganzes Leben in stationären Einrichtungen verbringen mussten, neue Behandlungsperspektiven eröffnet wurden, die ihnen zumindest zum Teil ein unabhängiges, beschwerdefreies und zufriedenes Leben in der Gesellschaft ermöglichen. Auf der stetigen Suche nach einer Optimierung von Wirksamkeit und Sicherheit dieser Substanzen wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Antipsychotika entwickelt, so dass derzeit über 20 Originalmoleküle am österreichischen Markt verfügbar sind. Clozapin und Aripiprazol waren hier Meilensteine; Ersteres, weil es das erste Medikament mit einer guten antipsychotischen Wirksamkeit mit vernachlässigbaren extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungen war und Zweiteres, weil mit dieser Substanz zum ersten Mal das Wirkprinzip der reinen Dopamin-2-Rezeptorblockade verlassen wurde. Diese beiden Antipsychotika markieren somit auch die Wendepunkte zur zweiten bzw. dritten Generation der Antipsychotika.
Motiviert ist die pharmakologische Forschung durch zwei Aspekte:

  • Die Wirksamkeit der Antipsychotika ist begrenzt, wie wohl sie gut gegen Wahnideen und Halluzinationen wirken, werden andere Kernbereiche des Syndroms Schizophrenie kaum positiv beeinflusst. Dazu zählen Negativsymptome und kognitive Beeinträchtigungen, beide haben großen Einfluss auf die Reintegration von Menschen mit Schizophrenie in die Gesellschaft.
  • Die Sicherheits- und Verträglichkeitsprofile der Antipsychotika lassen noch immer zu wünschen übrig. Obwohl das Risiko für motorische Nebenwirkungen mit den Antipsychotika der neuen Generationen deutlich reduziert wurde, stellen unerwünschte Wirkungen, wie z. B. metabolische Nebenwirkungen, Sexualstörungen und Sedierung die Patienten nach ­wie vor vor Probleme. Diese Neben­wirkungen reduzieren auch Therapieakzeptanz und Compliance.

Somit steht das Feld vor der Herausforderung, wirksamere und sicherere medikamentöse Behandlungsmethoden für Menschen mit Schizophrenie zu finden. Dazu zählen nicht nur die Entwicklung innovativer Moleküle, sondern auch die optimierte Anwendung herkömmlicher Antipsychotika.
Im Folgenden wird versucht, einen groben Überblick über die unterschiedlichen Aspekte der pharmakologischen Schizophrenietherapieforschung zu vermitteln, einen Anspruch auf Vollständigkeit kann ein derartiges Unterfangen natürlich nicht erfüllen. Interessierte Leser seien hier auf Standardreferenzwerke, Monografien und Artikel aus der wissenschaftlichen Fachliteratur verwiesen.

Modifikationen der Verwendung zugelassener Antipsychotika

Mittels unterschiedlichster Ansätze wird versucht, den Einsatz zugelassener Antipsychotika zu optimieren. Dazu zählen eine frühe medikamentöse Umstellung, Kombinationstherapie, der Einsatz alternativer pharmazeutischer Zubereitungen und Verabreichungsmodi sowie pharmakogenetische Ansätze. Die wissenschaftliche Evidenz sowie die klinische Relevanz dieser Bemühungen sollen hier kurz dargestellt werden.

Frühere Medikamentenumstellung

Gut kontrollierte klinische Studien der letzten Jahre konnten schlüssig nachweisen, dass der antipsychotische Effekt von Medikamenten viel früher einsetzt als bisher angenommen. Diese Tatsache lässt sich auch als Prädiktor für den weiteren Behandlungsverlauf heranziehen: Patienten, die in den ersten zwei Behandlungswochen keinerlei antipsychotische Wirkung erleben, zeigen auch bei Weiterbehandlung mit demselben Medikament nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, auf die Therapie anzusprechen.
Daraus ergibt sich schlüssig, dass im Gegensatz zu vielen Therapieempfehlungen und -richtlinien ein früher Medikamentenwechsel durchaus gerechtfertigt ist und dass es sich nicht empfiehlt, 4–6 Wochen zu warten, bevor ein alternatives Medikament in Betracht gezogen wird. Selbstverständlich gilt das nur für einen therapeutisch abgesicherten Dosis- bzw. Plasmaspiegelbereich.
Diese Befunde gelten allerdings nur für die Behandlung von frühen Verhaltens­auffälligkeiten und Positivsymptomen. Negativsymptome und kognitive Einschränkungen sprechen, wie oben erwähnt, nur wenig auf eine antipsychotische Therapie an und wenn, dann muss auf diese Therapieeffekte deutlich länger gewartet werden.
Eine Ausnahme stellt wohl auch Clozapin dar. Hier gibt es Untersuchungen, die das erste Einsetzen positiver Therapieeffekte auch noch nach Monaten demonstrieren. Da eine Behandlung mit Clozapin ohnehin erst nach mindestens zwei bis drei erfolglosen Therapieversuchen mit anderen Antipsychotika indiziert ist, und somit diese Substanz üblicherweise am Ende einer Behandlungsversuchskette steht, werden sich schon aus praktisch-klinischer Sicht für Clozapin längerdauernde Behandlungsversuche empfehlen.
Erfahrene klinische Psychopharmakologen monieren häufig, dass Clozapin oft erst viel zu spät bei chronisch kranken therapieresistenten Patienten eingesetzt werde und somit die Wirksamkeitsvorteile dieser Substanz nicht ausreichend genutzt würden. Unterstützend für diese Annahme sind Studien bei ersterkrankten Schizophreniepatienten, die eine gute Wirkung von Clozapin zeigen. Hier gilt es, die Sicherheitsnachteile von Clozapin gegenüber möglichen Wirksamkeitsvorteilen sorgfältig abzuwägen. Zweifellos sollte aber vor einem Therapieversuch mit Clozapin nicht Jahre zugewartet werden.

Kombinationstherapien

Obwohl alle Empfehlungen relevanter Fachgesellschaften primär eine antipsychotische Monotherapie empfehlen, sind Kombinationstherapien weltweit gängige klinische Praxis. Man kann hier grob zwischen rationalen und weniger rationalen Kombinationen unterscheiden. Erstere basieren entweder auf Evidenz aus klinischen Prüfungen oder auf einer rationalen pharmakologischen Überlegung.
Beispiele dafür wären die Kombination von Antipsychotika und Antidepressiva zur Behandlung der postpsychotischen Depression oder die Kombination von Antipsychotika und Benzodiazepinen zur Behandlung akuter psychotischer Erregungszustände. Die Kombination mehrerer dopaminblockierender Antipsychotika, aber auch die gemeinsame Verabreichung von Antipsychotika und Stimmungsstabilisatoren bei Patienten ohne affektive Begleitkomponente seien beispielhaft für Zweitere angeführt. Auf Kombinationen von etablierten Antipsychotika mit experimentellen Substanzen wird im Kapitel „Alternative pharmakologische Ansätze“ noch ausführlicher eingegangen.
Insgesamt sind saubere klinische Studien zur Kombinationstherapie dünn gesät, vielfach finden sich kontroversielle Befunde. Zusätzlich zu wenig überzeugenden Wirksamkeitsnachweisen kommt noch die Problematik von Arzneimittelwechselwirkungen ins Spiel, die auch einen negativen Einfluss auf die Sicherheit und Verträglichkeit der kombinierten Medikamente haben kann. Somit sollte unter Bedachtnahme auf die derzeit verfügbare Befundlage eine Kombinationstherapie in den allermeisten Fällen ultima ratio sein, d. h. sie sollte erst nach dem Ausschöpfen mehrerer Monotherapieversuche (inklusive Clozapin) erwogen werden.
So Patienten mit Kombinationstherapien behandelt werden, ist eine erhöhte Aufmerksamkeit auf die Arzneimittelsicherheit zu richten, Plasmaspiegelkontrollen der verwandten Substanzen sind, so verfügbar, angezeigt. Die Indikation für die Kombinationstherapie muss regelmäßig überprüft werden, das bedeutet, dass versucht werden muss, die zusätzlich zum Leitantipsychotikum verabreichte Substanz bei eingetretenem Therapieerfolg zu reduzieren bzw. auszuschleichen.

Alternative Anwendungsmodi und Applikationsrouten

Auf die Problematik der Äquivalenz von Originalpräparaten und Generika soll hier nicht genauer eingegangen werden. Als Caveat sei bemerkt, dass sich Generika und Originalpräparate, was die verfügbaren Plasmaspiegel anbelangt, durchaus relevant voneinander unterscheiden können und dass eine Umstellung von Originalpräparaten auf Generika bzw. von einem Generikum auf ein anderes bei gut eingestellten Patienten nicht empfohlen wird.
Für manche Antipsychotika stehen alternative pharmazeutische Präparationen zur Verfügung, dazu zählen z. B. Tropfen, Kapseln mit verzögerter Freisetzung der Substanz, Säfte, Medikamente mit rascher Resorption in der Mundhöhle und parenteral verabreichbare Medikamente. Mit Ausnahme von Depotantipsychotika, auf die noch näher eingegangen wird, gibt es für keine dieser Darreichungsformen Vergleichsstudien zu den herkömmlichen Präparaten in Kapsel- oder Tablettenform. Sie bieten aber dem Behandler die Möglichkeit, nach Präferenz der Patienten und klinischer Indikation, die eine oder andere Darreichungsform bevorzugt einzusetzen.

Für parenteral verabreichbare Antipsychotika gibt es gute Studien, und zwar sowohl für die kurz wirksamen als auch für Depotpräparate. Kurz wirksame i. m. Antipsychotika kommen primär in der Notfallpsychiatrie zum Einsatz, hier wurde das therapeutische Spektrum im Laufe der letzten 10 Jahre durch eine Reihe von Substanzen aus der Gruppe der neuen Generation erweitert, was vor allem im Hinblick auf das Auftreten von akuten extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen gegenüber den traditionellen herkömmlichen i. m. Antipsychotika Vorteile bietet. Derzeit sind in Österreich neben der klassischen Substanz Haloperidol auch die neueren Medikamente Aripiprazol, Olanzapin und Ziprasidon als akute i. m. Injektionen im Handel.
Auch langwirksame Depots finden seit den späten 1960er-Jahren einen festen Platz in der Langzeitbehandlung von Patienten mit Schizophrenie. Sie erleichtern das Compliance-Monitoring und vereinfachen das Therapieschema. Dem gegenüber stehen Probleme der Akzeptanz sowie mögliche Injektionskomplikationen. Auch hier gilt, ähnlich wie für Clozapin, dass auf diese Therapieoption oft erst sehr spät zurückgegriffen wird, und dass sie vor allem bei Patienten, die chronisch krank sind und Compliance-Probleme haben, erwogen werden.
Da in den letzten Jahren einige der neuen Antipsychotika auch als Depots verfügbar wurden (Olanzapin, Paliperidon, Risperidon; Aripiprazol wird derzeit noch von der FDA in den USA beurteilt), gibt es auch hier ein gewisses Umdenken.
Kontroversiell diskutiert wird zurzeit auch die Frage, ob Depotpräparate gegenüber der oralen Muttersubstanz Vorteile haben. Hier gibt es einige Studien, die dagegen sprechen, dabei muss allerdings bedacht werden, dass vielfach methodische Artefakte berücksichtigt werden müssen. So sind Studienpatienten üblicherweise von vorneherein hochmotiviert, längerfristig Medikamente einzunehmen und somit können allfällige Compliance-Vorteile von Depots nicht nachgewiesen werden, weil auch die Patienten in der Vergleichsgruppe mit den oralen Medikamenten die Substanzen regelmäßig einnehmen. Zudem verbessern viele Studiendesigns per se das Compliance-Verhalten insofern, als Patienten sehr viel mehr therapeutische Zuwendung und Kontrollen erhalten, als dies in der klinischen Praxis üblich ist. Auch damit werden mögliche Unterschiede zwischen Gruppen verwischt.
Immer wieder werden im Zusammenhang mit der Verwendung von neuen Depotantipsychotika auch die Behandlungskosten diskutiert. Intuitiv würde man erwarten, dass die teureren Medikamentenkosten durch verbesserte Compliance-Kontrolle, die rückfallverhindernd wirkt und damit auch hilft, stationäre Aufenthalte zu reduzieren, deutlich aufwogen werden. Derlei Studien sind methodisch sehr anspruchsvoll, die wenigen verfügbaren unterstützen diese These.

Pharmakogenetik

Moderne High-Throughput-Verfahren haben rasche und relativ kostengünstige Studien ermöglicht, in denen der Frage nachgegangen wurde, ob erwünschte und unerwünschte Arzneimittelwirkungen mittels individueller genetischer Konstellationen vorhersagbar sind. Im Nebenwirkungsbereich waren diese Bemühungen im Wesentlichen in Richtung der Prädiktion der clozapininduzierten Agranulozytose, der Spätdyskinesie und dem Auftreten von Gewichtszunahme und verwandten metabolischen Nebenwirkungen fokussiert.
Trotz vielversprechender Einzelbefunde lässt sich aus den vorliegenden Studien allerdings noch kein klinisch umsetzbares Risikobild entwerfen. Ungeachtet des vereinzelt geführten Nachweises, dass eine bestimmte genetische Prädilektion mit einem signifikant höheren Nebenwirkungsrisiko verknüpft ist, ist die Varianz dieser Befunde noch zu groß, um sie im klinischen Alltag einsetzen zu können. Noch deutlicher wird dies bei Betrachtung der Versuche, das Therapieansprechen zu prädizieren.

Alternative, experimentelle pharmakologische Ansätze

Alle derzeit verfügbaren Antipsychotika modulieren die dopaminerge Neurotransmission und mit einer einzigen Ausnahme (Aripiprazol) geschieht dies über eine Blockade postsynaptischer Dopamin-2-Rezeptoren. Andererseits beeinflussen diese Substanzen auch andere Rezeptorsysteme und vor allem der Erfolg von Clozapin gab Anlass, auch diese in Bezug auf ihre Bedeutung bei den verschiedenen Facetten des psychopathologischen Schizophreniespektrums zu untersuchen. Daneben existieren aber auch alternative Überlegungen zur Dopaminhypothese der Schizophrenie, die als Hintergrundüberlegungen für Therapiestudien herangezogen wurden.
Es gibt sowohl Monotherapiestudien, die als Behandlungsziel entweder das gesamte Spektrum der Symptomatik zum Untersuchungsgegenstand haben, als auch solche, bei denen entweder Einzelsubstanzen oder eine Kombination experimenteller Moleküle mit Standardtherapien bestimmte Subsyndrome der Erkrankung als primäres Behandlungsziel definiert haben. Vor allem Negativsymptome und kognitive Einschränkungen stehen hier im Zentrum des Interesses. Diejenigen Ansätze, für die es in kontrollierten klinischen Studien zumindest einen positiven Befund gibt, werden im Folgenden kurz skizziert. Medikamente, die in anderen Ländern schon zur Schizophreniebehandlung zugelassen sind und die Rezeptorprofile aufweisen, die denen herkömmlicher Antipsychotika der zweiten Generation sehr ähnlich sind, wie z. B. Asenapin, Blonanserin und Ilo­peridon werden hier nicht weiter besprochen.

Dopaminmodulierende Substanzen

Das Dopaminrezeptorsystem hat unterschiedliche Subrezeptoren, die vielfach Gegenstand klinischer Prüfung waren. Am meistversprechenden sind Studien mit Molekülen, die partielle Agonisten am D2-Rezeptor sind, also ein ähnliches pharmakologisches Profil aufweisen wie Aripiprazol, sowie mit Substanzen, die präferenziell den Dopamin-3-Rezeptor blockieren. Cariprazin vereinigt beide Qualitäten und zeigte in Phase-II- und Phase-III-Studien eine gute antipsychotische Wirksamkeit und Verträglichkeit.

Serotoninmodulierende Substanzen

Auch für Serotonin gibt es eine Reihe von Rezeptorsubtypen mit distinkten pharmakologischen Wirkungen. Dieses System steht auch deswegen im Zentrum des Interesses, weil viele der modernen Antipsychotika neben ihrer dopaminantagonistischen Wirkung auch Serotoninrezeptoren tangieren. Für alle Antipsychotika der zweiten Generation gilt, dass die serotonerge Rezeptoraffinität stärker ist als die zum dopaminergen System. Spezifische Serotonin-2-Antagonisten, wie z. B. Ritanserin, zeigten schon in frühen Studien eine gute Wirksamkeit gegen die Negativsymptomatik, allerdings hat dieser Wirkmechanismus, trotz einiger ermutigender Vorbefunde, bis dato nicht zur Zulassung eines Medikaments geführt.
Ein anderer experimenteller Zugang erfolgt über den 5-HT2c-Rezeptor. Dieser spielt laut präklinischen Befunden eine Rolle in der Appetitregulation und ist für bestimmte kognitive Funktionen relevant. Der spezifische Agonist Vabicaserin führte in einer ersten Phase-II-Studie zu einer Verbesserung der Gesamtsymptomatik und der Positivsymptome.
Auch der 5-HT3-Antagonist Ondansetron, als Antiemetikum am Markt, wurde bei Schizophreniepatienten untersucht. In Pilotstudien fand sich eine Verbesserung der Negativsymptomatik und des visuellen Gedächtnisses.

Modulatoren glutamaterger Neurotransmission

Das ist das Forschungsfeld, in dem aktuell die meisten klinischen Prüfungen laufen. Auch die glutamaterg mediierte Neurotransmission nutzt unterschiedliche Rezeptorsysteme. Zwei davon, nämlich der NMDA-Rezeptor und metabotrope Glutamatrezeptoren werden intensiv bearbeitet.
Hauptangriffspunkte sind einerseits die Glycinbindungsstelle am NMDA-Rezeptor und andererseits präsynaptische metabotrope Glutamatrezeptoren. Bei ersterem Ansatz wird versucht, über eine Wiederaufnahmehemmung von Glycin in die Präsynapse die Verfügbarkeit von Glycin und damit die NMDA-erge Neurotransmission zu verbessern. Auch der zweite pharmakologische Ansatz führt zu einer Verstärkung dieses Übertragungsweges. Für beide Varianten gibt es inzwischen eine Reihe von positiven Befunden aus Phase-II- und Phase-III-Studien, wobei bei den Glycinwiederaufnahmehemmern der Untersuchungsschwerpunkt auf der Verbesserung von Negativsymptomen liegt.
Daneben wurde auch versucht, durch die direkte Verabreichung der Aminosäuren Glycin und Serin, bzw. ihrer Vorläufer, Negativsymptome und kognitive Beeinträchtigungen zu beeinflussen. Positive Befunde aus kleinen Pilotstudien ließen sich in größeren Untersuchungen nicht replizieren. Die Problematik bei diesen Substanzen liegt primär darin, dass sie nur sehr schwer die Blut-Hirn-Schranke zu passieren vermögen.

Modulatoren cholinerger Neurotransmission

Hier muss zwischen nikotinergen und muskarinergen Molekülen unterschieden werden. Eine dosisabhängige positive Wirkung von Nikotin auf kognitive Leistungen ist seit Jahrzehnten dokumentiert. Vor diesem Hintergrund wurden Studien geplant, die nikotinerge Substanzen als Zusatzmedikation zu Antipsychotika zur Verbesserung der Hirnleistung von Schizophreniepatienten untersuchen. Hier gibt es positive Befunde mit unterschiedlichen Substanzen, darunter auch mit dem zur Raucherentwöhnung eingesetzten Vareniclin.
Andererseits gibt es ein fundiertes Wissen über die Wirkung von muskarinergen Cholinesterasehemmern zur Behandlung der Alzheimer-Demenz. In der Bemühung, auch die Hirnleistung von Schizophreniepatienten mit solchen Substanzen zu verbessern, wurden eine Reihe gut kontrollierter Doppelblindstudien durchgeführt, die allerdings, in Summe betrachtet, zu keinen ermutigenden Ergebnissen führten.

Antioxidanzien, Entzündungshemmer und Antibiotika

N-Azetylzystein ist ein wichtiger Vorläufer von Glutathion, dem wichtigsten endogenen Antioxidans, und zeigte als Adjunktivtherapie zu Antipsychotika in einer Langzeitstudie Verbesserungen von psychopathologischen Symptomen – insbesondere Negativsymptomen – bei Patienten mit chronischer Schizophrenie.
Auch das neuroprotektive Erythropoetin hat eine antiinflammatorische und Antioxidanswirkung. Bei intravenöser Administration zeigte sich in einer placebokontrollierten Studie eine deutliche Verbesserung der kognitiven Funktionen. Interessanterweise führte es in einer Pilotstudie auch zu einer Verlangsamung atrophischer Prozesse, die für Schizophreniepatienten typisch sind.
Auch die Zusatzbehandlung mit Ginkgo, einem weiteren Antioxidans, verbessert die Symptomatik von Schizophreniepatienten, wenn es gemeinsam mit Antipsychotika der ersten Generation verabreicht wird.
Dem Tetrazyklin Minozyklin wird ebenfalls eine neuroprotektive und antiapoptotische Wirkung zugesprochen. Auch für diese Substanz fand sich in einer Langzeitstudie, kombiniert mit Antipsychotika, ein positiver Effekt auf kognitive Funktionen und Negativsymptome.
Zuletzt seien hier noch nichtsteroidale Antiphlogistika erwähnt, wie z. B. Celecoxib, das in placebokontrollierten Kombinationstherapiestudien mit Antipsychotika zu einem verbesserten Therapieansprechen gegenüber Placebo führte.

Hormone und Neurosteroide

Lange schon ist bekannt, dass Östrogenspiegel einen Einfluss auf die psychotische Symptomatik nehmen können. Wahrscheinlich geschieht das im Wege einer Veränderung der Empfindlichkeit von Dopaminrezeptoren durch Östrogen. Folgerichtig wurde in Antipsychotika-Östrogen-Kombinationsstudien ein positiver Effekt, und zwar insbesondere in Bezug auf einen früheren Wirkungseintritt bei Patientinnen, die beide Substanzen gleichzeitig erhielten, nachgewiesen. Einen ähnlichen Befund gibt es auch aus einer Antipsychotika-Testosteron-Kombinationsstudie bei Männern.
Auch die Neurosteroide Pregnenolon und Dehydroepiandrosteron wurden bei Schizophreniepatienten klinisch geprüft und zeigten in Kombination mit einer weitergeführten antipsychotischen Behandlung primär einen positiven Effekt auf die Negativsymptome der Erkrankung.
Vielversprechend sind auch erste Befunde mit dem hypophysären „Bindungshormon“ Oxytocin. Hier fanden sich in placebokontrollierten Studien, in denen intranasales Oxytocin gegeben wurde, neben einer Verbesserung schizophrener Grundsymptome im Vergleich zu Placebo auch eine Zunahme der sozialen Kognition.

Omega-3-Fettsäuren

Für den Einsatz von Omega-3-Fettsäuren, wie sie z. B. Bestandteil von Fischöl sind, gibt es eine gute grundlagenwissenschaftliche Begründung, die im Wesentlichen auf einer Veränderung der neuronalen Membranpermeabilität beruht. Auch diesen ungesättigten Fettsäuren wird eine antiinflammatorische und Antioxidanswirkung im Gehirn zugesprochen. Bei chronisch kranken Schizophreniepatienten wurden mehrere groß angelegte klinische Prüfungen durchgeführt, die kontroversielle Ergebnisse lieferten. Spannender sind die Befunde aus einer Prophylaxestudie, in der junge Menschen mit einem Psychoserisiko entweder mit Omega-3-Fettsäuren oder Placebo behandelt wurden und in der sich demonstrieren ließ, dass die Probanden in der Verumgruppe ein geringeres Risiko hatten, später eine Schizophrenie zu entwickeln, als die in der Placebogruppe.

 

Resümee

Trotz der Verfügbarkeit einer Reihe gut wirksamer und verträglicher Medikamente zur Behandlung schizophrener Störungen besteht nach wie vor ein deutlicher Optimierungsbedarf. So gibt es kaum erfolgreiche pharmakologische Interventionen zur Bekämpfung von Negativsymptomatik und kognitiver Beeinträchtigung, und ein nicht unerheblicher Prozentsatz von Patienten erweist sich auch im Hinblick auf Positivsymptome als nur partielle oder Non-Responder.
Neben den Bemühungen, den Einsatz der zugelassenen Medikamente zu verbessern, werden unterschiedlichste alternative pharmakologische Konzepte im Hinblick auf ihr Nutzen-Risiko-Profil geprüft. Die pharmazeutische Industrie investiert derzeit am meisten in klinische Studien mit glutamatergen und cholinergen Substanzen.
Vielversprechend ist aber auch der Einsatz einer Komedikation mit antiinflammatorischen Substanzen und Antioxidanzien, wobei bei diesen Substanzen das ökonomische Interesse an der klinischen Entwicklung fehlt, da sie zumeist frei und kostengünstig verfügbar sind. Somit ist die klinische Forschung hier auf das Engagement interessierter akademischer Psychiater und Psychopharmakologen angewiesen. Die Zusammenschau aller Forschungsbemühungen in diesem hochkomplexen Gebiet gibt jedoch durchaus Anlass für Optimismus.

 

Weiterführende Literatur:
– Lambert M, Fleischhacker WW, Naber D, Pharmakotherapie der Schizophrenie (ICD-10 F2): Akut-, Notfall- und Langzeitbehandlung. In: Therapie psychischer Erkrankungen. 7. Aufl., Hrsg.: Voderholzer U, Hohagen F, Urban & Fischer 2012, 57–94
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– Fleischhacker WW, Uchida H, Critical review of antipsychotic polypharmacy in the treatment of schizophrenia. Int J Neuropsychopharmacol 2012; 2:1–11
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– Moghaddam B, Javitt D, From revolution to evolution: the glutamate hypothesis of schizophrenia and its implication for treatment. Neuropsychopharmacol 2012; 37(1):4–15
– Buchanan RW, Kreyenbuhl J, Kelly DL, Noel JM, Boggs DL, Fischer BA, Himelhoch S, Fang B, Peterson E, Aquino PR, Keller W; Schizophrenia Patient Outcomes Research Team (PORT), The 2009 schizophrenia PORT psychopharmacological treatment recommendations and summary statements. Schizophr Bull 2010; 36(1):71–93
– Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie, Band 1: Behandlungsleitlinie Schizophrenie, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, Redaktion: Gaebel W, Falkai P, Steinkopff Verlag Darmstadt, Deutschland 2006.
– Pharmakopsychiatrie im Wandel der Zeit, Hrsg.: Linde OK, Tilia Verlag 1988, Klingenmünster, Deutschland
– Österreichischer Schizophreniebericht 2008, Hrsg.: Rittmansberger H, Wancata J, BUCHplus 2008, Linz, Österreich