Stigmatisierung und Diskriminierung schizophrener Patienten


Menschen mit schizophrenen Psychosen sind ganz besonders von Stigmatisierung und Diskriminierung betroffen, dementsprechend ist es von großer Bedeutung, Schritte zu setzen, um diese zu reduzieren. 

Die WPA (World Psychiatric Association) legt auf die Bekämpfung von Stigma großen Wert, da Stigma und Stigmatisierung einen sehr wichtigen Faktor in der Entwicklung der weltweiten Psychiatrie darstellt. In der UN-Behindertenrechtskonvention ist festgelegt, dass niemand wegen seines Verschiedenseins benachteiligt oder ausgegrenzt werden darf, nicht wegen seiner Herkunft, seines Geschlechts, seiner sexuellen Orientierung, seines Alters oder wegen seiner körperlichen, geistigen oder psychischen Besonderheiten.

Anti-Stigma-Programm der WPA: Weltweit wurden zahlreiche Versuche unternommen, Stigma gegenüber schizophrenen Menschen und psychisch Kranken zu reduzieren. In den letzten Jahrzehnten sind hier besonders die Namen der ehemaligen WPA-Präsidenten Sartorius und López-Ibor zu nennen. Es wurde ein weltweites Programm zur Bekämpfung und Überwindung von Stigma und Diskriminierung gegenüber schizophrenen Patienten entwickelt. Die erste Umsetzung erfolgte in Kanada, danach schlossen sich Spanien und Österreich schnell diesem Programm an. Es war für die psychiatrische Community in Österreich selbstverständlich, sich in großem Umfang an diesen Aktivitäten zu beteiligen, die von W. Fleischhacker international und mir national koordiniert wurden.
In besonderem Maße wurde darauf abgezielt, die klassischen Mythen gegenüber schizophren Erkrankten zu reduzieren, um vor allem auch zu erreichen, dass eine rechtzeitige Behandlung gewährleistet wird. Die Kampagne sollte aufklären, Information über die Krankheitsbilder und symptome vermitteln und damit Stigma reduzieren. Ziel war es auch, Hilfe für Betroffene und Angehörige anzubieten, um diese wieder in die Gesellschaft zu reintegrieren.
1996 initiierte die WPA die Kampagne, und sie wurde in mehr als 80 Ländern weltweit umgesetzt. In Österreich waren die ÖGNP (Österreichische Gesellschaft für Neurologie und Psychiatrie), Sektion Psychiatrie, bzw. die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie in Gründung sowie die Österreichische Schizophreniegesellschaft und pro mente Austria für die Durchführung verantwortlich.

Das österreichische Kampagnenprogramm: Es wurden Informationsbroschüren, Kampagnenfolder, Folien und Basispressemappen für die Medienaktivitäten entwickelt. Vermittelt wurde Wissen über die Erkrankung, insbesondere die Empfindlichkeit gegenüber Stress, die wichtigsten Symptome im kognitiven und produktiven Bereich, Fakten über die Gefährlichkeit bzw. über Gefährdung von Menschen mit Schizophrenie und Modelle der aktuellen Forschung über die Ursachen, wie

  • Vulnerabilität-Stress-Modell
  • Dopaminhypothese-Überempfindlichkeit
  • Genetische Dispositionen.
Auf die wichtigsten Krankheitssymptome, die unterschiedlichen Verläufe und vor allem Früherkennung und entsprechende Behandlungsmöglichkeiten wurde ausführlich hingewiesen. Neben der Früherkennung wurde auch besonders auf Maßnahmen zur Verhinderung von Rückfällen eingegangen.

Im Rahmen dieses Programmes wurden unzählige Medienaktivitäten und Vorträge für unterschiedlichste Zielgruppen wie Mediziner, Pflegepersonal, aber auch andere Berufsgruppen wie Arbeiter, Juristen, Exekutivbeamte und die allgemeine Bevölkerung angeboten.

Ergebnisse der Kampagne: Vor Beginn der Kampagne und danach wurden Befragungen durchgeführt, wobei sich aufgrund des kurzen Zeitraumes zwischen den Befragungen die Ergebnisse nur marginal verbesserten. Man kann aber davon ausgehen, dass sich – im Sinne des „Der Weg ist das Ziel“ – allein durch diese Maßnahme das Wissen über Schizophrenie und die Verhaltensweisen gegenüber Personen, die an dieser Krankheit leiden, und deren Familien doch deutlich verbessert haben.
Bei den Befragungen hat sich gezeigt, dass das Wissen über die Behandlung von schizophren Erkrankten unzureichend ist. Besonders die Wertung von Behandlungsmethoden entspricht nicht dem wissenschaftlichen Stand, Vorurteile gegenüber Psychopharmaka schlagen bei allen befragten Gruppen durch. Besonderer Wert wird auf Psychotherapiegespräche und Selbsterfahrung gelegt.
Bezüglich der Verursachung von psychischen Erkrankungen wird sehr stark die soziale Situation der Personen sowie auch die Genetik angesprochen, detailliertes Wissen diesbezüglich ist aber nicht vorhanden. Aufgrund des dürftigen Wissens über die Krankheit werden auch die Heilungschancen als sehr niedrig eingeschätzt, was wiederum zu einer Verstärkung einiger der Mythen führt, die die Stigmatisierung und Diskriminierung aufrechterhalten.
Auf einen wesentlichen Aspekt von „Interventionen zur Reduktion von Stigma und Diskriminierung“ haben Angermeyer und Schulze hingewiesen, indem sie die Tendenz zur Selbststigmatisierung herausarbeiteten und Maßnahmen zu deren Reduktion vorschlugen. Empowerment, Psychoseseminare und Psychoedukation sind nur einige Möglichkeiten, um diesbezüglich eine Reduktion zu erreichen.
Ausgrenzung und Diskriminierung, die eine Folge von Vorurteilen sind, führen zu zahlreichen Benachteiligungen und wirken sehr stark in die Politik, Wirtschaft, Pädagogik und Medizin ein. In einigen – auch eigenen – Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass auch innerhalb der Medizin Tätige wie Ärzte und Pflegepersonal sehr starke Vorurteile gegenüber schizophrenen Menschen haben.

 

 

Mythen, Vorurteile und die Folgen: Die klassischen Mythen, die sich aus diesen Vorurteilen gegenüber psychisch Kranken ergeben, sind:

  • vererbt
  • ansteckend
  • unberechenbar
  • krankheitsuneinsichtig
  • Eltern schuldhaft
  • unheilbar
  • sexuell ungezügelt
  • unberechenbar und gefährlich
  • faul und arbeitsunwillig
  • haben gespaltene Persönlichkeit.
Hinsichtlich der Schizophrenie sind besonders die Mythen der Gefährlichkeit und der gespaltenen Persönlichkeit durchschlagend. Sie führen zur Ablehnung dieser Personen und zu einem angstvollen Umgang mit ihnen und auch ihren Eltern. Das Konzept der so genannten „schizophrenogenen Mutter“, wie es von Fromm-Reichmann (1950) entwickelt wurde, ist heute noch nicht völlig überwunden. Vielfach wird den Erziehungspersonen unterstellt, dass ihr falscher Umgang mit den Betroffenen zur Krankheit und deren Folgen führte.

Die Auswirkungen betreffen also nicht nur Patienten, sondern auch deren Angehörige, aber auch Psychiatrieeinrichtungen, Beschäftigte in psychiatrischen Institutionen, Medien, Politik, Administration und – damit verbunden – die Finanzierung.
Es ist nicht nachzuvollziehen, dass moderne medikamentöse Entwicklungen oft jahrelang von den Sozialversicherungen nicht oder nicht in entsprechendem Ausmaß genehmigt werden, was bei Substanzen, die gegen andere schwere Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder Krebs eingesetzt werden, undenkbar wäre.
Stigma und Diskriminierung gegenüber schizophrenen Patienten und deren Familien sind nach wie vor relativ stark ausgeprägt. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu werden und alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um die negativen Folgen zu reduzieren und die gesellschaftlichen und gesundheitlichen Chancen der Betroffenen zu verbessern.

 

 

Literatur beim Verfasser