Nichtmuskelinvasives Urothelkarzinom der Harnblase: Instillationstherapie, quo vadis?

Betrachtet man die aktuellen Leitlinienempfehlungen, so fällt auf, dass nur wenige Bereiche der Therapie urologischer Tumoren auf vergleichbarem Evidenzniveau erfolgen wie die Instillationstherapie bei Patienten mit nichtmuskelinvasivem Harnblasenkarzinom (NMIBC).1, 2 Themen wie Frühinstillation, Risikoabschätzung und Behandlungskonzepte sind umfassend durch Phase-III-Studien belegt. Ein zweiter Blick zeigt jedoch, dass die große Mehrzahl dieser Studien aus den 1990er-Jahren stammt.
Seither wurden einige vielversprechende Behandlungskonzepte vorgestellt, ihre Validierung in prospektiv randomisierten Studien ist bislang jedoch weitgehend ausgeblieben. Erst in den letzten Jahren wurden wichtige Aspekte der Instillationstherapie aufgegriffen und im Rahmen von Phase-III-Studien evaluiert. Nach Jahrzehnten eines Stillstandes werden – nicht zuletzt unter dem Einfluss der aktuellen Revolution in der Behandlung der muskelinvasiven Tumoren – nun neue Konzepte entwickelt und in Studien mit hohem Niveau überprüft. Die Instillationstherapie des NMIBC steht damit heute vor einem Umbruch und einer Neuorientierung.

Frühinstillation

Von der aktuellen Entwicklung weitgehend unberührt ist die adjuvante, postoperative Frühinstillation. In einer Metaanalyse über 7 randomisierte Studien zur postoperativen intravesikalen Frühinstillation fand sich eine Reduktion der Rezidivrate durch eine einzelne Frühinstillation um fast 40 %.3 Sowohl Patienten mit solitären als auch mit multiplen Tumoren profitierten von der Behandlung. Das eingesetzte Therapeutikum – in den zugrunde liegenden Studien wurden Mitomycin C, Doxorubicin, Epirubicin, Pirarubicin und Thiotepa eingesetzt – hatte keinen Einfluss auf das Behandlungsergebnis.

Gudjonson et al. korrelierten die Rezidivrate nach intravesikaler Frühinstillation mit verschiedenen klinischen Faktoren und konnten zeigen, dass die Frühinstillation insbesondere bei Patienten mit einem primären, solitären, low-grade Urothelkarzinom das Rezidivrisiko senkte.4 In die Praxis hat diese Erkenntnis bislang kaum Eingang gefunden: Auch unter dem Aspekt der geringen Nebenwirkungsrate erfolgt die perioperative Instillationsprophylaxe als Therapieabschluss bei Patienten, die nach der EORTC-Klassifikation als „low risk“ eingestuft werden, sowie als Initialbehandlung von Patienten mit Tumoren einer höheren Risikogruppierung.1, 2, 5

Die intravesikale Frühinstillation sollte innerhalb der ersten sechs Stunden postoperativ oder bis zu 24 Stunden postoperativ durchgeführt werden.1, 2

Sylvester et al.6 versuchten im Rahmen eines systematischen Reviews die Frage zu klären, ob eine adjuvante Instillationstherapie in Ergänzung zur Frühinstillation einen prognostischen Vorteil aufweist; allerdings kam die Untersuchung diesbezüglich zu keinem eindeutigen Ergebnis. Somit liegen bislang keine schlüssigen systematischen Reviews oder Metaanalysen zur Frage eines Einflusses der Frühinstillation auf die Tumorprogression vor. Nachdem sowohl die perioperative Instillation als auch die adjuvante intravesikale Rezidivprophylaxe als Behandlungsstandards akzeptiert sind, erscheint eine separate Betrachtung von perioperativer und adjuvanter intravesikaler Therapie unter den aktuellen Umständen nicht mehr möglich.

Adjuvante intravesikale Chemotherapie

Im Rahmen mehrerer Phase-III-Studien und den daraus resultierenden systematischen Reviews und Metaanalysen ist die Wirksamkeit einer adjuvanten intravesikalen Chemotherapie im Vergleich zur alleinigen TUR-B umfassend untersucht (u. a.6). Reproduzierbar zeigte sich, dass die Rezidivrate gesenkt und das rezidivfreie Intervall verlängert werden. Auf dieser Grundlage empfehlen die aktuellen Leitlinien, bei Patienten mit einem primären Urothelkarzinom der Harnblase des intermediären Risikos nach EORTC entweder eine intravesikale Chemotherapie oder eine Instillations-Therapie mit Bacille Calmette-Guérin (BCG) durchzuführen.1, 2 Lediglich bei Patienten mit einem Low-Risk-Urothelkarzinom der Harnblase soll nach TUR-B und Frühinstillation keine zusätzliche adjuvante Chemotherapie erfolgen.

Trotz umfangreicher Studienlage sind bislang keine klaren Aussagen zu Dauer und Intensität der intravesikalen Chemotherapie bei Patienten mit intermediärem Risiko möglich. Immerhin spricht die Phase-III-Studie von Serretta et al. dafür, dass die Fortführung der Chemotherapie über ein Jahr hinaus keinen zusätzlichen Nutzen hinsichtlich der Rezidivrate mit sich bringt.7

In einer Phase-III-Studie zeigten Au et al.8, dass das rezidivfreie Intervall über eine Erhöhung der Konzentration von Mitomycin C verlängert werden kann: Dabei wurden 6 wöchentliche Instillationen mit 20 mg oder 40 mg Mitomycin (jeweils in 20-ml-Volumen!) appliziert. Die Gabe der höheren Dosis wurde durch Flüssigkeitsrestriktion und Urinalkalisierung mit Natriumbikarbonat per os zusätzlich optimiert. Zwar traten im High-Dose-Arm verstärkt Nebenwirkungen in Form einer Dysurie auf, ohne dass dies aber einen gehäuften Behandlungsabbruch nach sich zog. Es wird darauf hingewiesen, dass die kommerziell angebotenen Mitomycin-Präparationen (20 bzw. 40 mg) jeweils in einer Konzentration von 1 mg/ml abgegeben werden. Die Rolle technischer Modifikationen wie der elektromotiv gestützten Mitomycin-C-Applikation (EMDA) oder der mikrowelleninduzierten Hyperthermie ist bislang nicht abschließend geklärt: So sollte die mikrowelleninduzierte Hyperthermie derzeit nur im Rahmen von prospektiven Studien angewendet werden, während bei Patienten mit einem T1-Harnblasenkarzinom, bei denen eine adjuvante intravesikale BCG-Behandlung vorgesehen ist, alternativ eine sequenzielle Behandlung mittels BCG und elektromotiv gestützter Mitomycin-C-Applikation erwogen werden kann.2

Adjuvante intravesikale Immuntherapie

Die intravesikale Immuntherapie mittels BCG stellt das bislang effektivste Behandlungskonzept beim Patienten mit einem NMIBC in Hinblick auf die Rezidivprophylaxe dar; möglicherweise kann durch eine BCG-Behandlung auch die Tumorprogression beeinflusst werden. Ihre Überlegenheit gegenüber einer TUR-B oder TUR-B mit adjuvanter Chemotherapie ist durch systematische Reviews und Metaanalysen von Phase-III-Studien belegt (u. a.9). Die Auswahl des BCG-Stammes scheint keinen Einfluss zu haben.Auf dieser Grundlage empfehlen die Leitlinien bei Vorliegen eines Harnblasenkarzinom-Rezidivs der Intermediate-risk-Klassifikation nach EORTC, das nach vorheriger oder unter laufender Chemotherapie-Prophylaxe auftritt, eine BCG-Instillationstherapie über mindestens ein Jahr (6-wöchentliche Induktion gefolgt von 3-wöchentlichen Gaben nach 3, 6 und 12 Monaten).1, 2

Bei Patienten mit einem High-Risk-Urothelkarzinom soll, soweit keine Zystektomie indiziert oder möglich ist, eine BCG-Instillationstherapie erfolgen. Bei kompletter Remission nach der Induktionsphase soll sich eine Erhaltungstherapie über mindestens 1 bis höchstens 3 Jahre anschließen.1, 2 Beide Empfehlungen basieren auf systematischen Reviews und Metaanalysen von Phase-III-Studien.

Bezüglich der Endpunkte Progression und Überleben ergab die Metaanalyse von Malmström et al. auf Grundlage einer sog. „Individual patient data“-Analyse aus 9 Studien allerdings keinen Unterschied zwischen einer BCG-Therapie oder einer Instillation mit Mitomycin-C.9

Vor dem Hintergrund der nicht unerheblichen Toxizität einer BCG-Behandlung untersuchten Oddens et al. in einer Phase-III-Studie Modifikationen der Therapie.10 Dabei fand sich bei Patienten mit einer Dritteldosis BCG über 1 Jahr eine signifikant höhere Rezidivrate; für Patienten mit intermediärem Risiko fand sich kein Unterschied zwischen einer Erhaltungstherapie über 1 oder 3 Jahre, während Hochrisiko-Patienten von einer Erhaltungstherapie über 3 Jahre profitierten. Nachdem auch die NIMBUS-Studie kürzlich zeigte, dass eine Reduktion der Anzahl von Instillationen die Wirksamkeit einer BCG-Therapie abschwächt11, ist eine Erhaltungstherapie über mindestens 1 Jahr mit voller Zykluszahl und Dosis der aktuelle Therapiestandard.

Quo vadis?

Wie bereits beschrieben, durchläuft die intravesikale Therapie derzeit eine stürmische Entwicklung. Das Ziel einer großen Zahl laufender Studien12 ist die Verbesserung der Wirksamkeit. In Kombi­na­tion mit BCG werden Checkpoint-Inhibitoren (CPI; u. a. POTOMAC [NCT03528694], KEYNOTE-676 [NCT03711032]), ein IL-15-basierter Superagonist (ALT-803) zur Steigerung der NK-Zellaktivität, der Programmed-Cell-Death-1-Rezeptor-Antagonist Sasanlimab und Fibroblast-growth-factor-Rezeptor-Inhibitoren (FGFRi) geprüft.

Ein weiteres Ziel ist die Reduktion der Nebenwirkungen, insbesondere einer BCG-Behandlung: So werden u. a. CPIs als Alternative zur intravesikalen Therapie geprüft oder das Isoflavon Genistein in Kombination mit BCG eingesetzt.

Durch den Einsatz von genetisch modifizierten Adenoviren sollen die intravesikale Immunantwort verstärkt und gleichzeitig die Nebenwirkungen der aktuellen Behandlungsstandards reduziert werden.

Als alternative topische Ansätze bei Patienten mit einem Tumorrezidiv nach BCG-Behandlung, bei denen keine Zyst­ektomie erfolgen soll, werden – zum Teil in Kombination mit einer BCG-Behandlung – ebenfalls verschiedene FGFRis und CPIs untersucht, die ihrerseits mit Chemotherapeutika oder einem Indoleamine-2,3-Dioxygenase-1-Inhibitor (IDO1i) kombiniert werden.

Weitere, heute noch exotisch imponierende Ansätze, sind der Einsatz von Fusionsproteinen, z. B. aus einem Epithelial-Cell-Adhesion-Molecule-(EpCAM-)spezifischen Antikörperfragment mit dem Pseudomonas Exotoxin A (Vicinium).

Schlussfolgerungen

Die intravesikale Instillationstherapie ist eine der durch Phase-III-Studien am besten belegten Behandlungsansätze in der ganzen Urologie. Die perioperative Frühinstillation ist unverändert Behandlungsstandard, soweit keine Kontraindikationen vorliegen. Auf Grundlage des Rezidiv- oder Progressionsrisikos erfolgen eine adjuvante Chemorezidivprophylaxe über 1 Jahr oder eine Instillationstherapie mit BCG über 1–3 Jahre. In zahlreichen innovativen Studien werden derzeit viele neue Therapieansätze, u. a. aus dem Bereich der CPI oder FGFRi, auf Wirksamkeit und Nebenwirkungsprofile untersucht. Es ist somit zu erwarten, dass die Instillationstherapie innerhalb der nächsten Jahre einen dramatischen Umbruch erfährt.