Raynaud-Phänomen und Sklerodermie

Primäres versus sekundäres Raynaud-Phänomen

Das Raynaud-Phänomen ist charakterisiert durch anfallsartiges Weißwerden der Finger aufgrund von reversiblen Gefäßspasmen mit anschließender Vasodilatation und Hyperämie, was das dreifärbige Bild der Raynaud-Symptomatik ausmacht. Die Anfälle werden durch Kälte oder Stress provoziert. Der Anfall kann wenige Sekunden bis zu 15 Minuten dauern. Gehäuft tritt er bei Personen auf, die Vibrationstraumen ausgesetzt sind, wie Arbeiten mit der Motorsäge oder dem Presslufthammer. Auch eine Therapie mit Betablockern kann ein reversibles Raynaud-Phänomen auslösen. Weiters wurden das Karpaltunnelsyndrom, Kryoglobulinämien, Paraneoplasien, das Thoracic- Outlet-Syndrom, die Therapie mit Ergotaminen, Interferon-α und -β, Vinblastin sowie Cisplatin als Ursache ermittelt.
Um festzustellen, ob ein primäres oder sekundäres Raynaud-Phänomen vorliegt, wird eine Abnahme der antinuklearen Antikörper (ANA) sowie eine Kapillarmikroskopie des Nagelfalzes der Hände empfohlen. Sind beide Untersuchungen unauffällig, handelt es sich um ein primäres Raynaud-Phänomen, welches in ca. 90 % der Fälle vorliegt. Erhöhte ANA-Werte haben einen prädiktiven Wert von 30 % für das Vorliegen einer Kollagenose, bei hohen Titern in 50 %. Des Weiteren ist eine Differenzierung der Autoantikörper erforderlich, um die Art der Kollagenose, die in diesem Fall vorliegen kann, zu ermitteln.
Die Differentialdiagnose bei akutem Beginn des Raynaud-Phänomens sind Gefäßverschlüsse durch Embolien bei Endokarditis, durch Cholesterinkristalle (Atheromatose der Aorta) oder Kryoproteine.

Kapillarmikroskopie

Die pathologische Kapillarmikroskopie hat einen prädiktiven Wert von 47 % für das Vorliegen einer Sklerodermie. Manchmal erkennt man bereits mit freiem Auge Splitterblutungen und durchschimmernde Kapillaren im Bereich des Nagelfalzes. Zur groben Orientierung kann auch ein Dermatoskop verwendet werden, mithilfe dessen man erweiterte Kapillarschlingen und Mikroblutungen sehen kann. Die Kapillarmikroskopie ist ein sehr altes Verfahren der Bildgebung und hat in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt. Mit modernen Geräten lassen sich die kleinsten kapillären Kaliberschwankungen darstellen.
Man unterscheidet eine frühe Form der Veränderungen mit Kaliberschwankungen und Ektasien sowie auch schon kleinen Blutungen (Abb. 1). Bei der aktiven Erkrankung sind typische Megakapillaren nachweisbar. Weiters fällt ein Ödem des Nagelfalzes auf. Avaskuläre Areale im Sinne einer Narbe und Kapillarregenerate in Form einer Torquierung der Gefäße sind im späten Stadium der Erkrankung erkennbar.

Übergang in Sklerodermie

Bei positiver Kapillarmikroskopie und/oder positiven ANA ist eine Durchuntersuchung angezeigt (Tab.). Der Beginn einer Sklerodermie ist schleichend und oft nicht sofort erkennbar. Anzeichen dafür sind geschwollene Finger („puffy hands“; Abb. 2) sowie subjektiv eine gewisse Steifigkeit der Finger. Die Sklerodermie bleibt undifferenziert nach den Kriterien des American College of Rheumatology, so lange keine Verhärtungen proximal der Finger nachweisbar sind. Sollte eine Induration im Bereiche der Handrücken auftreten, dann liegt bereits eine limitierte Sklerodermie vor. Diese schreitet üblicherweise bis an den mittleren Unterarm fort. Gleichzeitig beginnen sich auch im Gesichtsbereich eine gewisse Faltenarmut und eine Mikrostomie bemerkbar zu machen, welche dem Patienten manchmal erst durch einen Zahnarztbesuch bewusst wird. Patienten mit limitierter Sklerodermie haben in den meisten Fällen positive CENP-BAntikörper. Im Unterschied dazu kann sich auch eine sehr rasch progressive Sklerosierung einstellen, die manchmal auch am Stamm beginnt und mit positiven Anti-Topoisomerase-I (Scl-70)-Antikörpern einhergeht. In 10 % sind die ANA oder Subsets auch negativ.

Symptome bei Hautbeteiligung

Objektivierung der Hautbeteilung: Ähnlich wie bei der Psoriasis (PASI) und der atopischen Dermatitis (SCORAD) kann der Grad der Hautbeteiligung durch den „Rodnan Score“ gemessen werden. An 17 verschiedenen Hautstellen wird dazu die Abhebbarkeit der Haut in drei Graden geprüft.

Digitale Ulzera treten bei Sklerodermie in etwa 30 % der Patienten auf. Diese sind vor allem an den Fingerspitzen nachweisbar, aber auch über den Streckseiten der Finger an mechanisch beanspruchten Stellen, oft in Zusammenhang mit Calcinosis cutis. Während die akralen Ulzera vaskulärer Natur sind (Abb. 3), sind die Ulzera an den Streckseiten der Finger eher bedingt durch die Schwellung, die Bewegungseinschränkung und kleine Verletzungen im Sinne trophischer Ulzera (Abb. 4). Sekundär kann es zu Infektionen kommen. Die Vaskulopathie in der Haut bei Sklerodermie läuft ähnlich ab wie in der Lunge und der Niere. Durch die Hypoxigenierung bei den Raynaud-Attacken kommt es zu einem Endothelzellschaden und zur Expression von Adhäsionsmolekülen, die das Auswandern von Entzündungszellen ins Gewebe zur Folge haben. Die dadurch initiierte immunologische Funktionsstörung führt dann in weiterer Folge zur exzessiven Bindegewebsablagerung im Gewebe.

Organbeteiligung bei Sklerodermie

Gastrointestinaltrakt: Das am häufigsten betroffene Organ bei Sklerodermie ist der Ösophagus. Die ersten Symptome sind Schluckbeschwerden bei fester Nahrungsaufnahme sowie eine Reflux-Symptomatik. Eine Darmbeteiligung darf nicht unterschätzt werden und zeichnet sich durch wiederholte Durchfälle, Meteorismus, Inkontinenz und Resorptionsstörungen aus. Teleangiektasien im Gastrointestinaltrakt verursachen kleinste Blutungen, sodass es zu einer Anämie kommt.

Lunge, Herz: Die Beteiligung der Lunge ist oft erst sehr spät subjektiv wahrnehmbar. Es stellt sich eine Störung der Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid (DLCO) ein. Bei anderen Patienten entwickelt sich eine pulmonale Hypertonie, manchmal auch beides. Die Lungenfibrose entwickelt sich ebenso schleichend im Laufe von Jahren. Eine pulmonale Hypertonie (PAH) wird diagnostiziert, wenn der mittlere pulmonalarterielle Druck größer als 25 mm Quecksilber oder 30 mm unter Belastung beträgt. Die häufigste Todesursache bei Sklerodermie ist derzeit die Lungenbeteiligung; sie liegt bei 33 %. Seitens des Herzens sind Perikardergüsse, Myokarditis und Überleitungsstörungen zu beobachten. Allerdings sind die Veränderungen am Herzen eher subklinisch.

Nieren: Die Sterblichkeit der Patienten mit Sklerodermie ist seit Einführung der ACE-Hemmer deutlich zurückgegangen. Bei etwa 6 % der Patienten kann es zu einer renalen Krise mit arterieller Hypertonie kommen, die Hälfte davon benötigt eine Dialyse.

Therapie = gleichzeitig Progressionsprophylaxe

Die wichtigste Maßnahme zur Verhinderung von Raynaud-Attacken ist das Warmhalten der Hände z.B. durch das Tragen von Handschuhen, Erhöhung der Körpertemperatur auch durch Biofeedback, Moor- oder Paraffinbäder. Medikamentös werden Kalziumantagonisten (Nifedipin, Diltiazem), ACE-Hemmer (Captopril, Enalapril) und AT-I-Rezeptor-Antagonisten oder Pentoxifyllin empfohlen. Eine lokale Anwendung von Glycerolnitrat-Pflastern oder -Salben kann die Durchblutung verbessern. Bei ausgeprägter Symptomatik können Infusionen mit Prostaglandinen (Iloprost oder Prostavasin) verabreicht werden. Initial ist eine mindestens fünftägige (bis zehntägige) Therapie für drei bis sechs Stunden empfohlen. Bei Vorliegen von Ulzera wird eine Therapie mit Iloprost über drei Wochen empfohlen. Bei beiden Prostaglandinanaloga konnte eine Verbesserung der Raynaud-Symptomatik bei Fortführung der Infusionen einmal pro Monat (Erhaltungstherapie) oder Wiederholung der Therapiezyklen erzielt werden.
Bei Vorliegen digitaler Ulzera ist Bosentan, ein Endothelin-Rezeptor-Antagonist, zugelassen. Während digitale Ulzera unter Iloprost-Therapie zur Abheilung gebracht werden können, wirkt Bosentan auf die Reduktion von neu auftretenden Ulzera. Letzteres Medikament wird bei der PAH als Mittel der ersten Wahl verabreicht.

Therapie der Fibrose und der Organbeteiligung

Gegen die Hautfibrose hat sich eine Wirksamkeit von Methotrexat gezeigt. Allerdings liegen dazu nur wenige Studien vor. Eine niedrig dosierte Glukokortikoidtherapie hat ebenfalls einen entzündungshemmenden Effekt. Eine Dosis über 30 mg sollte aber vermieden werden, da dieses Medikament aufgrund seiner Potenz zur Vasokonstriktion zu einer Blutdrucksteigerung und letztendlich zu einer Nierenkrise führen kann. Gegen die progrediente interstitielle Lungenerkrankung werden Cyclophosphamid-Bolustherapien empfohlen. Alle Patienten mit gastrointestinaler Symptomatik sollten Protonenpumpenhemmer verwenden. Eine Beratung zur Ernährung ist sehr hilfreich und beinhaltet das Einnehmen kleiner Mahlzeiten, das Meiden von Säurelockern sowie Spätmahlzeiten und das Hochstellen des Bettes am Kopfende.
Regelmäßige Bewegungsübungen der Finger zur Erhaltung der Motilität sind unbedingt angezeigt. Es gibt aber kaum Studien, die eine Effektivität verschiedenster phy sikalischer oder sonstiger lokaler Maßnahmen (Ultraschall, Lymphdrainage, Infrarot, Massagen) bewiesen haben. Eine zu starke mechanische Reizung der Haut ist abzulehnen, da durch Bindegewebsstimulierung die Myofibroblastenbildung angeregt wird, was wiederum zu gesteigerter Fibrose führen kann.

Zusammenfassung

Das Raynaud-Syndrom ist eine unangenehme subjektive Empfindungsstörung mit erheblicher Einschränkung der Lebensqualität. Die Verhinderung dieser Symptomatik steht im Vordergrund des Managements der Erkrankung und der sich daraus entwickelnden Sklerodermie oder auch anderer Kollagenosen. Während beim primären Raynaud-Phänomen die Beschwerden zeitlebens bestehen bleiben und sich manchmal im Laufe des Lebens eine Verbesserung, selten auch ein Verschwinden der Symptomatik zeigt, können sich unterschiedliche Krankheitsbilder daraus entwickeln. Manche Patienten leiden lediglich an einer vaskulären Komponente der Sklerodermie, die Gefäßverschlüsse an verschiedenen Organen bedingt und entsprechend digitale Ulzera, eine pulmonale oder eine arterielle Hypertonie hervorruft. Bei anderen Patienten beobachtet man eine andere Variante der Erkrankung mit Schwellungen der Finger und Gelenke, schmerzhafter Bewegungseinschränkung, rasch fortschreitender Hautfibrose sowie aktiver Lungenerkrankung, sodass man annehmen muss, dass in diesem Fall die entzündliche Form der Sklerodermie im Vordergrund steht.
Während bei der rein vaskulären Komponente gefäßaktive Medikamente eingesetzt werden, werden bei raschem Krankheitsverlauf Immunsuppressiva (niedrig dosierte Glukokortikoide, Methotrexat, Cyclophosphamid, Mycophenolatmofetil, Cyclosporin A) gegeben, die zu einer Rückbildung der Hautfibrose führen können. Im Rahmen des natürlichen Verlaufes einer Sklerodermie kann es auch zu einer spontanen Rückbildung der Hautfibrose kommen. Unabhängig davon können Organmanifestationen weiter fortschreiten. Manche diffuse, rasch fortschreitende Formen führen zu einer eingeschränkten Lebenserwartung, andere ebenfalls diffuse oder auch limitierte Formen verlaufen über Jahrzehnte. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass sich eine PAH oder auch eine Hautfibrose sehr rasch entwickelt. Daher sind regelmäßige Kontrollen erforderlich.

Literatur: bei der Verfasserin
Interessenkonflikte: keine