Infektiöse Endokarditis – Antibiotische Therapie

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Epidemiologie der Endokarditis verändert. Letztlich auch durch die vermehrte Verwendung von intravaskulären Devices kam es zu einer Zunahme der nosokomialen Endokarditiden. Während früher Streptokokken die häufigsten Erreger waren, dominiert heute Staphylococcus aureus sowohl bei der Nativklappenendokarditis als auch bei der Endokarditis von Drogenabhängigen sowie nach Herzklappenersatz das Erregerspektrum, während bei der Spätform der Prothesenendokarditis Koagulase-negative Staphylokokken überwiegen.

Mikrobiologische Diagnostik: Um eine möglichst gezielte Antibiotikatherapie zu ermöglichen, ist zu beachten:

  • Entnahme von drei bis fünf Blutkulturen vor Beginn der Antibiotikatherapie.
  • Da bei der Endokarditis eine kontinuierliche Bakteriämie besteht, können Blutkulturen unabhängig vom Anfiebern abgenommen werden.
  • Bei septischem Verlauf können diese Kulturen innerhalb von ein bis zwei Stunden abgenommen werden.
  • Bei Antibiotikavorbehandlung sollte der Versuch unternommen werden, durch eine höhere Zahl von Blutkulturen und eine längere Bebrütung die Sensitivität zu erhöhen.
  • Speziell bei Verdacht auf eine Prothesenendokarditis sollte Blut nicht aus dem Venenkatheter entnommen werden, um eine Kontamination mit Hautkeimen zu vermeiden, sondern es sollte eine Punktion der Kubitalvene erfolgen. Die adäquate Desinfektion der Haut ist von größter Bedeutung.
  • Die Blutkulturflaschen sollten mit ausreichend Blut (5–10 ml/Blutkulturflasche) befüllt sein und innerhalb von zwei Stunden in das Labor gelangen.
  • Für eine möglichst gezielte Diagnostik ist es von großer Bedeutung, die Verdachtsdiagnose Endokarditis anzuführen.

Antibiotikatherapie: Grundsätzlich ist eine Endokarditis parenteral mit bakteriziden Antibiotika zu behandeln. > Tab. 1 gibt einen Über – blick über die empirische Therapie bei Erwachsenen vor oder ohne Erregernachweis.1 Da speziell in den ersten Wochen nach Therapiebeginn das Risiko für die Entwicklung septischer Embolien hoch ist, sollte die Therapie initial stationär erfolgen. Die Therapiedauer richtet sich nach dem Erreger und beträgt zwischen zwei und sechs Wochen, gegebenenfalls auch länger. Im Fall einer akuten Erkrankung mit hämodynamischer Instabilität und großen Vegetationen oder Verdacht auf eine Prothesenendokarditis sollte sofort nach der Blutkulturabnahme mit einer kalkulierten Antibiotikatherapie begonnen werden. Beim klinisch stabilen Patienten kann die Diagnostik samt Antibiogramm abgewartet werden und danach eine gezielte, erregerspezifische Therapie erfolgen (> Tab. 2).1

 

 

 

Therapie bei Rechtsherzendokarditis und Drogenabusus: Die Rechtsherzendokarditis ist eine typische Komplikation bei intravenös Drogenabhängigen und meist durch Staphylokokken verursacht. Häufig finden sich septische Absiedlungen in der Lunge, die zunächst als Pneumonie imponieren können.
Bei Methicillin-empfindlichen Staphylokokken, gutem Ansprechen, Ausbleiben von Komplikationen und kleinen Vegetationen kann bei einer Nativklappenendokarditis auch mit einer zweiwöchigen antibiotischen Therapie das Auslangen gefunden werden. Bei empfindlichen Erregern und kooperativen Patienten kann diese Form der Endokarditis ausnahmsweise auch p.o. mit Ciprofloxacin und Rifampicin therapiert werden.

Stellenwert von Aminoglykosiden und Glykopeptiden: Da der klinische Benefit einer Kombinationstherapie mit Aminoglykosiden nicht durch Studien untermauert ist und aufgrund der potenziellen Toxizität wird der Einsatz von Aminoglykosiden auch bei Endokarditis kontroversiell beurteilt. Dennoch wird deren Verwendung speziell bei der Enterokokkenund der Prothesenendokarditis in den rezenten Guidelines der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie nach wie vor empfohlen. Das Problem der Toxizität stellt sich speziell in Kombination mit Glykopeptiden. Das engmaschige Monitoring der Nierenfunktion sowie des Talspiegels (mindestens 1-mal/Woche; Gentamicin < 1 mg/l) ist daher unverzichtbar.
Bei Vancomycin sind adäquate Serumtalspie – gel zwischen 10–15 mg/l anzustreben. Keinesfalls sollten jedoch Glykopeptide verwendet werden, wenn die Erreger auf Betalaktame empfindlich sind, da die schlechtere Effizienz von Glykopeptiden vielfach dokumentiert ist. Das zyklische Lipopeptid Daptomycin zeich – net sich durch eine raschere bakterizide Wirkung aus, die Sicherheit bei der Linksherzendokardi tis ist jedoch noch nicht durch Studien untermauert. Bei Rechtsherzendokarditis war Daptomycin der Standardtherapie nicht unterlegen.

Komplikationen: Besonders gefürchtet sind neurologische Komplikationen der Endokarditis, zumeist als Folge von Embolien, die bei 20 bis 40 % der Patienten auftreten. Sonneville et al. beschreiben sogar in 55 % der Fälle zerebrale Ischämien, Hämorrhagien, Meningitiden, Hirnabszesse sowie mykotische Aneurysmen, bevorzugt bei Mitralklappenendokar – ditis und Staphylococcus aureus als Erreger.2 Ein Glasgow Coma Scale von < 10 bei Aufnahme war mit fatalem Ausgang assoziiert.

Ambulante parenterale Antibiotikatherapie (APAT): Um wochenlange Spitalsaufenthalte zu vermeiden, ist unter gewissen Voraussetzungen eine APAT möglich. Diese kann nach den ersten zwei Wochen erwogen werden, sofern keine typischen Komplikationen wie periphere Embolien, Herz- oder Nierenversagen aufgetreten sind.
Eine APAT ist möglich bei einer Nativklappenendokarditis durch empfindliche „Viridans- Streptokokken“, bei einer Vegetationsgröße < 10 mm, bei kooperativen und bewusstseinsklaren Patienten mit einer geeigneten häuslichen und ärztlichen Versorgung sowie einer günstigen Verkehrslage zum Krankenhaus für den Fall von Komplikationen.
Für eine APAT geeignete Antibiotika haben eine lange Halbwertszeit, die eine 1-mal tägliche Gabe wie bei Ceftriaxon bzw. eine 2 bis 3-mal wöchentliche Verabreichung wie bei Teicoplanin ermöglichen. Wie auch beim stationären Patienten ist hier ein engmaschiges Monitoring sowohl der Effizienz der Therapie (Leukozyten, CRP, Fieber) als auch der Nebenwirkungen (Nierenfunktion) notwendig.

 

FACT-BOX

Die Therapie der Endokarditis ist nach wie vor eine Herauforderung und beruht auf einer guten mikrobiologischen Diagnostik, dem raschen Erkennen von Komplikationen, einer konsequenten Antibiotikatherapie und einer zeitgerechten Indikationsstellung zur chirurgischen Sanierung.

 

1 Habib G. et al., Eur Heart J 2009; 30:2369–2413

2 Sonneville R. et al., Crit Care Med 2011; 39 (6):1474–81