Kriterium: Ausmaß und Charakteristik der Hyperglykämie

Die “drei Hs” der Diabetestherapie: In den ÖDG-Praxisleitlinien für die Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 ist der HbA1c-Wert primärer Angriffspunkt der Behandlung und steht im Zentrum der medikamentösen Entscheidungspfade. Nüchternblutzucker und postprandiale Blutzuckerspitzen sind zunächst lediglich nachgeordnete Ziele.

Die entsprechenden Zielwerte für die maximierte Prävention sind in der > Tab. gelistet. Bei der Vermeidung von akuten Stoffwechselentgleisungen und vaskulären Komplikationen stößt ein alleiniges Monitoring des HbA1c-Werts jedoch rasch an seine Grenzen. Für die Erfassung dynamischer Blutzuckerverläufe und entsprechende Therapieentscheidungen reicht der HbA1c-Wert oftmals nicht aus. In der täglichen Praxis müssen daher die “drei Hs” der Diabetestherapie – HbA1c, Hypoglykämien und Hyperglykämien – beachtet werden. Blutzucker-Selbstmessungen, ggf. erweitert durch kontinuierliche Glukosemessungen, sind somit in vielen Fällen notwendige Ergänzungen zur Höhe und zur Dynamik des HbA1c-Wertes. Für klinisch und wirtschaftlich sinnvolle Selbstkontrollen sind strukturierte Blutzuckermessungen und strukturierte Blutzuckeranalysen hilfreich. Diese Ergebnisse leiten unter Berücksichtigung der individuellen Lebenssituation des Patienten sowie seiner Komorbiditäten jegliche therapeutischen Überlegungen.

Die Höhe des HbA1c-Werts als Maß der durchschnittlichen Hyperglykämie entscheidet entsprechend der Leitlinien der ÖDG zunächst über den Beginn einer Mono- oder bereits initialen Kombinationstherapie. Ab einem HbA1c von über 9% wird eine Kombination aus Metformin (bei einem Body Mass Index > 22 kg/m2 und fehlenden Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten) plus einer weiteren Substanzklasse empfohlen. Auch in der Folge bleibt der HbA1c-Wert der primäre Marker zur Therapieevaluierung.

Glukophänotyp: Das Wissen um die Blutzuckerverläufe sowie die Höhe des Blutzuckers nüchtern und nach dem Essen ist in der täglichen Praxis jedoch meist hilfreich für erfolgreiche Therapieentscheidungen. Bei isoliert postprandialen Blutzuckerspitzen unter einer Metformin-Monotherapie sind insbesondere Insulinsekretagoga wie Sulfonylharnstoffe und Glinide sowie DPP-4-Hemmer und kurz wirksame Insuline, aber auch Alphaglukosidaseinhibitoren und Pioglitazon mögliche Therapieoptionen. Wenn vor allem erhöhte Nüchternblutzuckerwerte ein HbA1c im Zielbereich verhindern, wird die Wahl eher auf einen DPP-4-Hemmer, Pioglitazon oder ein lang wirksames Insulin am Abend fallen.

Erstattungskriterien: Nicht nur aus pathophysiologischer, sondern auch aus erstattungstechnischer Sicht spielt die Hyperglykämie eine wichtige Rolle. Diesbezüglich wird der HbA1c allerdings als alleiniges Entscheidungsund Evaluierungskriterium herangezogen. Metformin, Sulfonylharnstoffe und Glinide sind als Grüne-Box-Medikamente bei einer nicht zufriedenstellenden Stoffwechsellage unter einer entsprechenden Lebensstilintervention erstattungsfähig. Für die Erstattung der Substanzen aus der Gelben Box inklusive Pioglitazon und der DPP-4-Hemmer wird unter anderem eine Hyperglykämie mit einem HbA1c > 7% gefordert.

Zusammenfassung: Die Höhe des HbA1c und somit das Ausmaß der Hyperglykämie wird in den Entscheidungspfaden der Leitlinien der ÖDG (2009) sowie in den Erstattungskriterien der Versicherungsträger als wichtigster Parameter für therapeutische Überlegungen angesehen. Der Charakter der Hyperglykämie ist von Nüchternblutzucker und postprandialen Blutzuckerverläufen geprägt und in der Praxis essenziell, um die individuellen Zielwerte zu erreichen. Neben der regelmäßigen Kontrolle des HbA1c-Wertes wächst somit der Stellenwert der strukturierten Blutzuckermessund und Blutzuckeranalyse.