Klappenerkrankungen aus chirurgischer Sicht

Erkrankungen der Aortenklappe und Mitralklappe gehören im Alter zu den häufigsten Pathologien in der Herzchirurgie. Während Patienten mit einer Mitralklappenpathologie einer Rekonstruktion zugänglich gemacht werden sollten, stellt – besonders im Alter – der Ersatz der Aortenklappe mittels einer Bioprothese nach wie vor die häufigste Vorgangsweise dar.

Die Trikuspidalklappe wird nur dann rekons – truiert, wenn sie eine hochgradige Insuffizienz aufweist (im Alter isoliert sehr selten auftretend) oder wenn im Rahmen einer anderen gleichzeitigen Klappenoperation (meist Mitralklappenoperation) eine mittelgradige Insuffizienz mit pulmonaler Hypertension vorliegt.

Aortenklappe

Entscheidend ist, dass man in Bezug auf das Alter der Patienten und deren Komorbidi- täten eine individuelle Entscheidung der Therapiestrategien wählt. Eine 85-jährige Frau mit symptomatischer Aortenklappenstenose und Porzellanaorta, bei der ein Querklemmen der Aorta risikobehaftet ist, kann beispielsweise einem transapikalen Aortenklappenersatz zugänglich gemacht werden.
Der Aortenklappenersatz mit einer Bioprothese stellt besonders bei alten Patienten aufgrund der fehlenden Antikoagulation einen Vorteil dar.
In den letzten Jahren richtet sich die Entwicklung und Innovation dahingehend aus, Prothesen mit niedrigeren Gradienten und einfacherer Implantationstechnik herzustellen (Stentless- Bioprothesen). So lassen sich kürzere Zeiten an der Herzlungenmaschine erreichen und vor allem die Zeit der geklemmten Aorta reduzieren.
Die Mortalität liegt bei isoliertem Aortenklappenersatz laut aktueller Literatur bei 1 bis 4 % und ist unter anderem umgekehrt proportional zum Operationsvolumen des jeweiligen Zentrums.
Endokarditisrisiko, thrombembolisches Risiko, Blutungsrisiko und Lifestyle müssen bei der Wahl der Prothese ebenso in Betracht gezogen werden.

Klasse-I-Empfehlungen: Eine mechanische Prothese für den AKE wird bei Patienten empfohlen, die bereits eine mechanische Prothese in Mitral- oder Trikuspidalposition haben. Eine Bioprothese ist für alle Patienten (unabhängig vom Alter) empfohlen, die keine Phenprocoumon- Therapie einnehmen oder eine Kontraindikation für diese aufweisen.

 Klasse-IIa-Empfehlungen: Der Patientenwunsch bezüglich der Prothesenwahl ist in der Abwägung mit einzubeziehen. Für Patienten < 65 Jahre, die keine Kontraindikation für Phenprocoumon haben, ist die mechanische Prothese eine vernünftige Wahl. Die Wahl einer Bioprothese bei Patienten < 65 Jahren ist vernünftig, wenn nach Abwägung des Lifestyles und nach entsprechender Aufklärung die Risiken der oralen Antikoagulation einer wahrscheinlichen Reoperation gegenübergestellt wurden.

Mitralklappe

Das primäre Ziel ist die klappenerhaltende Rekonstruktion. Nach wie vor ist die Sternotomie der klassische Zugang, allerdings werden heute alternative Zugänge immer weiter verbreitet. Dazu gehört die rechtsseitige Thorakotomie, die ein Beispiel für so genannte minimal invasive Zugänge darstellt. Im Falle eines Klappenersatzes wird versucht, den subvalvulären Klappenapparat zu erhalten (v. a. die Chordae tendineae), da dies das Langzeitergebnis zu verbessern scheint (Linksventrikelfunktion). Das Outcome nach Mitralklappenrekonstruktion muss jedoch vielmehr entsprechend der Pathologie evaluiert werden als nach der jeweiligen Operationsmethode. Im Alter relevante Pathologien sind: 1. myxomatös- degenerative Mitralklappen und 2. ischämische Mitralklappenerkrankungen. Rheumatische Pathologien und Endokarditis der Mitralklappe spielen im Alter eine untergeordnete Rolle.
Die häufigste rekonstruktive Technik liegt darin, einen Ring einzunähen, der die annuläre Zirkumferenz reduziert und den annulären Durchmesser (anterior-posterior) verringert und somit die Segelkoaptation verbessert. Weiters stellt heutzutage das Einziehen von künstlichen Sehnenfäden aus Gore-Tex®-Material eine neuere Methode dar, mit der das Durchschlagen vom vorderen oder hinteren Segel repariert werden kann.

Klasse-I-Empfehlungen:
• Sofern anatomisch möglich, ist die Rekonstruktion anzustreben.
• Patienten nach Rekonstruktion, die an paroxysmalem oder chronischem Vor – hofflimmern leiden, sollten mit einer Langzeit- Antikoagulation mit Phenprocoumon behandelt werden.
• Nach erfolgreicher Mitralklappenrekons – truktion sollten die Patienten einer echokardiografischen Kontrolle zum Zeitpunkt der Entlassung oder im Rahmen der ersten ambulanten Kontrolle unterzogen werden.
• Die Trikuspidalklappenrekonstruktion sollte durchgeführt werden bei Patienten, die eine hochgradige Trikuspidalklappeninsuffizienz aufweisen und wegen einer Mitralklappenrekonstruktion operiert werden.

Klasse-IIa-Empfehlungen:
• Eine orale Antikoagulation mit Phenprocoumon für 3 Monate nach Mitralklappenrekonstruktion erscheint sinnvoll (ermöglicht das Einwachsen des Rekonstruk – tions-Rings und verringert das Embolie – risiko).
• Langzeiteinnahme von niedrig dosiertem Acetylsalicylat 100 mg nach erfolgreicher Rekonstruktion und Sinusrhythmus.

FACT-BOX

Die Klappenchirurgie beim alten Patienten erfordert die Evaluierung des ganzen Patienten (z. B. Aortenwandqualität, Vorhofflimmern, Lifestyle, zerebrale Anamnese). Die neuen Klappenprothesen weisen immer geringere Gradienten und schnellere Implantationstechniken auf. Die Rekonstruktion der Mitralklappe mittels Ring ermöglicht das Rekonstruieren in einem sehr hohen Anteil.