Antibiotikaassoziierter Durchfall: den Mikrokosmos wieder ins Lot bringen

Bei der Einnahme von Antibiotika berichten viele Patienten neben generellen Magen-Darm-Beschwerden wie ­Übelkeit, Krämpfe, Bauchschmerzen, ­Blähungen oder Appetitlosigkeit besonders von einer unangenehmen Nebenwirkung: vom Durchfall. Diese sogenannte „antibiotikaassoziierte Diarrhö“ (AAD) kann sich bereits wenige Stunden nach Therapiebeginn oder aber auch erst zwei bis drei Wochen nach Ende der Behandlung bemerkbar machen und kommt durch verschiedene Mechanismen im Verdauungstrakt zustande.

Als mögliche AAD-Auslöser gelten

  • gesteigerte gastrointestinale Motilität
  • unzureichende Verstoffwechslung von Kohlenhydraten und Gallensäuren: Antibiotika, deren Wirkspektrum anaerobe Darmbakterien umfasst, senken deren Anzahl im Kolon, wodurch der enzymatische Abbau von Ballaststoffen nicht/ungenügend stattfinden kann. Kohlenhydrate verbleiben unverdaut im Intestinaltrakt, und Wasser strömt in das Darmlumen ein. In der Folge kommt es zu einer osmotischen Diarrhö.
  • Überwucherung des Keims Clostridioides difficile, CD, (früher Clostridium difficile genannt) nach Ausrottung der physiologischen Darmflora. Sporen dieses Erregers sind allerdings bei 2–3 % der gesamten Bevölkerung im Darm nachweisbar, ohne pathologische Symptome zu zeigen. Das Risiko, als unerwünschten Effekt eine Diarrhö zu erleiden, ist zwar bei allen antibiotisch wirksamen Substanzen gegeben, variiert jedoch bei den einzelnen Vertretern und tritt unter Breitbandantibiotika am häufigsten auf.

Die Inzidenz einer AAD in Abhängigkeit des eingesetzten Arzneistoffes ist in nachstehendem Kasten zusammengefasst.

Symptome wie auffällig starke Bauchschmerzen und -krämpfe, Fieber, akute breiige bis wässrige, teils blutige Stühle mit charakteristisch fauligem Geruch deuten darauf hin, dass möglicherweise der stäbchenförmige, sporenbildende Keim Clostridioides difficile auf dem Vormarsch ist und durch Toxine Darmentzündungen hervorruft. Der Keim kann für 15–20 % der AAD sowie für mehr als 95 % der Fälle pseudomembranöser Kolitis verantwortlich gemacht werden. Weitere begünstigende Faktoren für eine Infektion mit Clostridioides difficile – neben einer Therapie mit Antibiotika – stellen ein Lebensalter über 65 Jahre, eingeschränkte Immunkompetenz, Komor­biditäten wie längere Darm-, Herz-, Krebs-, chronische Nieren- oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen, häusliche Pflege sowie eine Medikation mit PPI oder NSAR dar. Eine Übertragung ist sehr leicht möglich, da die CD-Sporen auch auf Oberflächen (Toilettensitze, Türklinken et cetera) gelangen und dadurch weiterverbreitet werden können. Wie Studien zeigen, haben in den letzten Jahren Häufigkeit und Schwere der Infektionen mit CD weltweit zugenommen und gehören zu den häufigsten nosokomialen Erkrankungen.

 

 

Gegenmaßnahmen

Bei immunkompetenten Personen ist ein durch Antibiotika hervorgerufener Durchfall ohne heftigere Symptome meist selbstlimitierend. Allerdings können anhaltende negative Effekte ohne Behandlung auf das natürliche Mikrobiom-Gleichgewicht im Darm noch länger bestehen bleiben und die Gefahr für weitere Infektionen erhöhen.

Eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit und Elektrolyten mit geeigneten Präparaten – beispielsweise mittels oraler Rehydratationslösungen – ist bei Diarrhö unbedingt zu beachten. Produkte mit Gerbstoffen (zum Beispiel Tannine, Schwarztee, getrocknete Heidelbeeren) oder Apfelpektin haben sich in der Therapie ebenfalls bewährt.
Probiotische Stämme tragen zum Erhalt einer ausgeglichenen, gesunden, leistungsfähigen Darmmikrobiota bei, sind in den unterschiedlichsten Darreichungsformen und Präparaten als Arznei-, Nahrungsergänzungs- beziehungswiese Lebensmittel im Handel erhältlich und können zur Behandlung der antibiotikaassoziierten Diarrhö erfolgreich eingesetzt werden. Die Stämme Lactobacillus rhamnosus und Saccharomyces boulardii sind hierfür besonders geeignet, da unerwünschte Nebenwirkungen sehr selten auftreten und die intestinale Flora sich rascher von der Antibiotikagabe erholt.

Die Einnahme erfolgt am besten parallel zur Medikamentenverabreichung mit einem Zeitabstand von mindestens 1 bis 2 Stunden.

Eine große, publizierte Cochrane-Metaanalyse zum Einsatz von Probiotika, in die 39 Studien und fast 10.000 Patienten inkludiert waren, hat sogar gezeigt, dass die Gabe probiotischer Stämme das Risiko einer CD-Infektion bei gleichzeitiger Antibiotikatherapie um fast zwei Drittel reduzieren kann.*

Ärztliche Abklärung der gehäuften Stuhlentleerung bei Antibiotikamedikation ist jedoch dringend notwendig, wenn:

  • der Patient eine vorzeitige, selbstständige Absetzung beziehungsweise Änderung des verursachenden Arzneimittels anstrebt,
  • Säuglinge, Kleinkinder oder Personen ab 65 Jahren betroffen sind,
  • Begleiterscheinungen wie Fieber, Benommenheit, Schwindel sowie extreme Schwäche vorhanden sind,
  • die Symptome länger als 2 Wochen anhalten,
  • die Beschaffenheit des Stuhls starke Verfärbungen (Teerstuhl) oder Veränderungen (Blut, Schleim, Eiter) aufweist.