Gesundheitsdaten: Gemeinsam rascher ans Ziel

Mag. Helga Tieben (PHARMIG) und Ing. Mag. (FH) Christine Stadler-Häbich (AUSTROMED) geben Einblick, welche Vorteile eine strukturierte Erfassung und gemeinsame DSGVO-konforme Nutzung von Gesundheitsdaten haben kann. Die Expertinnen schlagen wesentliche Handlungsempfehlungen vor, wie eine datengestützte Versorgung in die Praxis umgesetzt werden kann. Die erarbeiteten Vorschläge der beiden Interessensvertretungen sollen als Unterstützung im Dialog mit Stakeholdern ­dienen.

Was erwarten Sie sich von der Zusammenarbeit?

Tieben: Die Digitalisierung ist ein zentraler Treiber von Innovation. Wer neue Produkte und Lösungen im Gesundheitswesen entwickelt, kommt um das Thema der Datennutzung nicht herum. Dabei ist das Feld breit, denn es reicht von der Beschleunigung von Forschung und Entwicklung bis hin zu einer effizienten Patientenversorgung. PHARMIG und AUSTROMED haben sich entschlossen, ihre Schnittmengen zu diesem Thema gemeinsam zu vertreten, um gegenüber den Stakeholdern geschlossen aufzutreten.

Stadler-Häbich: Ich freue mich, dass wir diese „Taskforce Digitalisierung“ gegründet haben und so gegenüber den Entscheidungsträgern eine gemeinsame Sprache sprechen. PHARMIG und AUSTROMED sind bedeutende Player in der Gesundheitswirtschaft. Wenn wir unsere Kräfte bündeln, können wir den Outcome der Patientenversorgung verbessern.

Was sind die konkreten Aufgaben der „Taskforce Digitalisierung“?

Tieben: Corona hat das Thema der Gesundheitsdaten auf einen neuen Level gehoben. Wissenschaft und Forschung haben an die Politik appelliert, die Weichen zur Datennutzung jetzt neu zu stellen. Wenn die Forschung Zugang zu sicheren, geschützten und qualitativ hochwertigen Gesundheitsdaten hat, gewinnt der Forschungs- und Pharmastandort Österreich weiter an Attraktivität. Forscher und Investitionen können besser im Land gehalten werden.

Stadler-Häbich: Aktuell arbeiten wir an einem Positionspapier für ein klar definiertes, transparentes und innovationsförderndes Marktzugangsverfahren für Gesundheits-Apps sowie deren nachhaltige Finanzierung im System. Wir haben recherchiert, welche Vorbilder es in Europa dazu gibt. In Deutschland gibt es so einen Prozess zur Finanzierung bereits. Bei der Entwicklung des Positionspapiers unterstützen uns auch Start-ups und andere Experten im Gesundheitswesen – ein erster Workshop hat Anfang November stattgefunden.

Welche Empfehlung hat die Taskforce darüber hinaus?

Tieben: Gesundheitsdaten aus intra- und extramuralem Bereich sollen DSGVO-konform nutzbar und durch eine unabhängige Stelle (z. B.AMDC) zugänglich werden. Die Stellesoll für öffentliche und private Einrichtungen Zugang ermöglichen und den Rahmen für die Nutzung der Daten bieten. Dazu braucht es auch technische Standards und Verfahren zur Datensicherheit sowie den Ausbau der Daten-Interoperabilität, eine Definition von Qualitätsdatenstandards und die Gewährleistung von Transparenz.

Stadler-Häbich: Das Forschungsorganisationsgesetz hat im November 2021 bereits eine neue Richtung erfahren, die der Forschung einen besseren Datenzugang ermöglicht. Hier hat sich gezeigt, dass die klare Positionierung und starke Partner durchaus etwas bewegen. An diesem Punkt wollen wir weiterarbeiten. Neben der Erstattung von Gesundheits-Apps sind noch Themen wie die Finanzierung von Telekonsultationen oder eine Ausbildungs- und Informationsoffensive in Planung.

Wie ist nun der weitere Fahrplan?

Stadler-Häbich: Der Startschuss zur Forschungsdaten-Plattform „Austrian Micro Data Center“ (AMDC) ist gefallen, jetzt braucht es auch noch die passenden Strukturen, damit die aggregierten Daten auch einheitlich abrufbar und verfügbar sind. Da liegt noch ein langer Weg vor uns, auf dem die Erwartungshaltung der Wissenschaft unbedingt mitgenommen werden muss. Damit gelingt auch ein wichtiger Schritt in den Ausbau des Wirtschafts- und Forschungsstandortes Österreich.

Tieben: Wir wünschen uns, dass die Awareness in der Öffentlichkeit geschaffen wird, was die Nutzung von Gesundheitsdaten bringt. Aktuell haben Kritiker viel Raum und man spricht hauptsächlich über Ängste. Aber es gibt auch Antworten und Lösungen, die vonseiten der Politik noch mehr in den Vordergrund gerückt werden könnten. Es gibt viele Datenquellen, die man öffnen könnte, ohne den persönlichen Datenschutz zu gefährden, da braucht es noch Überzeugungsarbeit bei den jeweiligen Ressortministern. Unser Appell ist es, Mut zu haben und innovativ zu sein. Mit der DSGVO haben wir einen guten Sicherheitsgurt!

Gefordert wird unter anderem auch eine „optimierte Gesundheitsplanung“ – wer muss davon überzeugt werden?

Tieben: Die Gesundheitspolitik könnte mit einer besseren Basis an Gesundheitsdaten aus dem medizinischen Alltag evidenzbasiert planen, Über- und Unterversorgungen identifizieren und Therapieleistungen gezielt einsetzen.

Stadler-Häbich: Für Unternehmen würden es helfen, auf Basis von validen Daten den Marktzugang für innovative Produkte zu beschleunigen. Mit einem gesetzlichen Rahmen würden wir auch die Basis für eine flächendeckende Refundierung digitaler Gesundheitsdienstleistungen schaffen. Das ist dringend nötig, damit der Standort Österreich für Entwickler und Investoren attraktiv bleibt.

Wie sollten die nächsten Schritte aussehen?

Tieben: Damit Fragen aus der klinischen Forschung rascher beantwortet werden können, ist die Nutzung von verfügbaren statistischen wie auch epidemiologischen Registerdaten notwendig. Es braucht daher die Verordnungen der Ministerien, damit anonymisierte Registerdaten gemäß dem Forschungsorganisationsgesetz (FOG) für Forschungsprojekte genutzt werden können. Diesen Grundstein zu legen ist einfach und schnell machbar und stärkt den Forschungs- und Versorgungsstandort Österreich. Das AMDC soll 2022 starten. Auf europäischer Ebene ist ein European Health Data Space geplant, um Gesundheitsdaten zwischen Staaten auszutauschen. Eine Schnittstelle muss daher mitgedacht werden, denn Österreich wird sicher Teil davon sein.

Stadler-Häbich: Data Use Cases sollten in die Kommunikation und Information an die Öffentlichkeit integriert werden. Sie zeigen sehr konkret, welchen Vorteil die Nutzung von Gesundheitsdaten für den Einzelnen hat, sowie Aspekte von Datensicherheit, Berichtspflichten, Zugriffsrechten etc.